Urteil des Amtsgerichts:Beleidigte Vermieterin kann kündigen

  • Anspielungen auf den Holocaust und weitere drastische Beschuldigungen gegenüber der Hausbesitzerin werden für eine Rentnerin zum Bumerang: Ihr wird fristlos gekündigt.
  • Im Prozess vor dem Münchner Amtsgericht lässt der Richter ihre Argumentation, die harsche Wortwahl sei doch nur als Hilferuf zu verstehen, nicht gelten.
  • Er gewährt der betagten Mieterin lediglich eine sechsmonatige Räumungsfrist, um ihr die Suche nach einer Ersatzwohnung zu ermöglichen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Bei einem Streit um eine Mieterhöhung hat eine Seniorin aus Haidhausen in diversen Gerichtsverfahren ihre Hausbesitzerin mit allzu drastischen Beschuldigungen attackiert. Das wurde für sie nun zum Bumerang: Sie bekam eine fristlose Kündigung. Die mehr als 70 Jahre alte Rentnerin muss sich tatsächlich eine neue Bleibe suchen. Denn ein Münchner Amtsrichter ließ ihr Argument, die harsche Wortwahl sei doch nur als Hilferuf zu verstehen, nicht als Entschuldigung gelten.

Seit 1983 lebt die Münchnerin in ihrer Zweizimmerwohnung sehr günstig: Zuletzt musste sie lediglich 254 Euro im Monat bezahlen. Als der Mietzins im vergangenen Jahr erhöht werden sollte, wehrte sich die Rentnerin vor Gericht mit drastischen Formulierungen: "Das einzige, was bisher von Vermieterseite (. . .) geleistet wurde, ist eine massive Sterbehilfe. Man kann das auch mit versuchtem Mord übersetzen, denn wenn man so leiden muss, weil die Hitze in der Wohnung so unerträglich hoch ist, dass man die Schmerzen, die durch die Hitze verursacht werden, nicht mehr ertragen kann." Zugleich spielte sie auf den Holocaust an.

Äußerungen nicht ansatzweise nachvollziehbar

Hintergrund ihrer bitteren Beschwerden ist eine unter der Zweizimmerwohnung liegende Heizungsanlage. Durch diese würden ihre beiden Räume so sehr erwärmt, beklagt die Seniorin, dass Temperaturen bis zu 38 Grad herrschten. Ein deswegen beauftragter Sachverständiger hat jedoch festgestellt, dass dies nicht stimmt. Die Frau blieb jedoch bei ihrer Beschuldigung, dass die Vermieterin "brutale Sterbehilfe" leiste.

Prompt folgte die Kündigung, die nun vor Gericht bestätigt wurde. Die Äußerungen der Mieterin seien massive Beleidigungen. Besonders schwer wiege, dass diese mehrfach gegenüber verschiedenen Richtern in unterschiedlichen Gerichtsverfahren geäußert wurden. Die Äußerungen seien nicht ansatzweise nachvollziehbar, stellte der Richter fest: Es sei "in keinster Weise erforderlich oder nachvollziehbar, als ,Hilferuf' seinen Vermieter des versuchten Mordes oder der Sterbehilfe zu bezichtigen beziehungsweise sein Vorgehen mit der Vernichtung der Juden im Dritten Reich zu vergleichen".

Mieterverein reagiert zwiespältig auf das Urteil

Eine Abmahnung sei daher nicht erforderlich gewesen - das Vertrauen sei zerstört. Der Richter gewährte der betagten Mieterin lediglich eine sechsmonatige Räumungsfrist, um ihr die Suche nach einer Ersatzwohnung zu ermöglichen. Das Urteil ist rechtskräftig (Az.: 452 C 16687/14).

Anja Franz vom Mieterverein reagiert zwiespältig auf das Urteil. Einerseits seien mit der Anspielung auf die Judenvernichtung Grenzen überschritten. Andererseits werde eine Seniorin im Alter von mehr als 70 Jahren voraussichtlich keine passende Wohnung finden. Grundsätzlich meint Anja Franz, dass es nicht Schule machen dürfe, dass Mieter wegen Beleidigung des Hausherrn fristlos gekündigt werden könnten.

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