Urteil:Angriff im Supermarkt

Mitarbeiterin stellt Ladendieb - der muss nun in die Psychiatrie

Von Susi Wimmer

"Ich bin nicht krank." Fast mantramäßig wiederholt Evkyan M. den Satz. Der Mann auf der Anklagebank macht einen selbstbewussten Eindruck, er will sich zur Sache äußern, alles erklären, aber seine Verteidigerin rät ihm, den Mund zu halten. Etwas ungehalten erklärt der 34-Jährige dem Richter, dass er sich ungerechtfertigterweise in Haft befinde und endlich freigelassen werden wolle. Währenddessen tippelt sein linker Fuß so nervös auf dem Boden des Saals im Landgericht München I auf, dass sein braunes Poloshirt zittert. Der Mann soll im Supermarkt eine Angestellte angegriffen haben - und er soll wegen seiner paranoiden Schizophrenie in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden, in der er sich seit seiner Festnahme befindet.

Sabine F. (Name geändert) hat Angst an ihrem Arbeitsplatz, ein mulmiges Gefühl, seit dem Vorfall am 23. Februar 2017. Die 27-Jährige ist stellvertretende Filialleiterin eines Kaufhauses am Bunzlauer Platz in Moosach, und an jenem Tag fiel ihr ein Mann auf, der Verbände um den Kopf und seine Schuhe gewickelt hatte, und durch das Kaufhaus lief. Sie folgte ihm und sah, wie er eine Flasche Müller-Thurgau für 1,99 Euro griff und durch die Kasse ging, ohne zu bezahlen. "Ich sprach ihn an", erzählt die zierliche Frau. Da schubst sie der Unbekannte, packte sie an der Kehle und holte laut Anklageschrift mit der Weinflasche zum Schlag aus. In diesem Augenblick hatte der Kaufhaus-Detektiv die beiden erreicht und packte den Angreifer.

Evkyan M. mustert die Frau während ihrer Aussage und sagt dann: "Ich sehe diese Frau zum ersten Mal. Ich möchte, dass geprüft wird, ob sie dort gearbeitet hat." In den Augen des gebürtigen Bulgaren war die Sache ohnehin ganz anders. Wie später seine Anwältin Maria Miluscheva ausführt, sei er im Supermarkt gewesen, wollte bezahlen, und habe festgestellt, dass der 100-Euro-Schein, den er glaubte eingesteckt zu haben, verschwunden war. 1,70 Euro befanden sich im Geldbeutel und er habe sich von einem Freund vor dem Supermarkt schnell Geld leihen wollen. Und die stellvertretende Filialleiterin habe sich selbst gewürgt, das habe er gesehen.

Evkyan M. stammt aus Momchilgrad, er versuchte, in München und Tutzing mit diversen Jobs Fuß zu fassen. Offenbar im Jahr 2013, so ein Gutachter, brach bei dem Bulgaren die Nervenkrankheit aus, einhergehend mit übermäßigem Cannabis- und Alkoholkonsum. Evkyan M. tauchte barfuß und verwirrt in Spielhallen und Parks auf, lief in Boxershorts Frauen hinterher und erzählte, dass er Stimmen höre. Polizisten, die ihn in Moosach festnahmen, erzählten, der Mann sei aggressiv gewesen, habe die Zunge herausgestreckt und Grimassen geschnitten.

Richter Gilbert Wolf schenkte dem psychiatrischen Gutachter Glauben, der meinte, dass ohne Krankheitseinsicht und Behandlung Rückfälle zu erwarten seien. Evkyan M. wird bis auf weiteres in der Psychiatrie untergebracht. "Das akzeptiere ich nicht", sagt er in seinem Schlusswort. "Die Seite 25 wurde zerrissen und mein Pass ist ungültig." Und außerdem: "Ich bin nicht krank."

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