Urteil am Amtsgericht München:Hitlerbilder im Hausflur

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Im privaten Raum sind Nazi-Porträts erlaubt. Hausbesitzer dürfen ihren Mietern deswegen nicht kündigen, hat das Amtsgericht München entschieden.

Ekkehard Müller-Jentsch

Hausbesitzer dürfen ihren Mietern nicht verbieten, Bilder von Adolf Hitler in der Wohnung aufzuhängen - und sie können ihnen erst recht deswegen nicht kündigen. In dem bizarren Rechtsstreit um "Führer"-Porträts und Nazi-Szenen, die im Treppenhaus eines Münchner Einfamilienhauses hängen, liegt jetzt das schriftliche Urteil des Amtsgerichts München vor.

Wie berichtet, möchte die Eigentümerin die Immobilie verkaufen. Als Interessenten das Häuschen besichtigten, machten sie heimlich mit dem Fotohandy Aufnahmen von alten Bildern im Treppenhaus: drei mit Hitler-Porträt sowie Szenen mit Menschen in Nazi-Uniformen und Hakenkreuzfahnen. Rechtsanwalt Kurt Klassen vertritt die entsetzte Eigentümerin. Dass die Hausbewohner den Terror des Nazi-Regimes verherrlichen und auf den Bildern "Mörder in Uniform" darstellen, sei ein permanenter Verstoß gegen das Strafgesetz, sagte er vor Gericht.

Die Mieter werfen der Geschäftsfrau dagegen vor, sie lediglich loswerden zu wollen, weil sich ein unbewohntes Haus besser verkaufen lasse - die Bilder seien Erbstücke und nun einmal Teil der deutschen Geschichte. Jetzt hat der Richter seine Klageabweisung begründet. Die Empörung, dass die Mieter Hitler-Bilder im Treppenhaus aufgehängt haben, sei nachvollziehbar, schreibt er im Urteil. "Dieser Umstand stellt jedoch keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar."

Mieter seien in der Gestaltung ihrer Wohnung im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs frei, sie dürften lediglich keinen Schaden anrichten - dazu würde auch die Begehung oder Vorbereitung von Straftaten gehören. Kinder-Pornografie dürfte zum Beispiel nicht aufgehängt werden, da deren Besitz strafbar ist.

Das Bewahren oder Aufhängen von Nazi-Bildern, die von Dritten - etwa Passanten - nicht wahrgenommen werden können, habe der Gesetzgeber aber nicht unter Strafe gestellt: Die Strafgesetzbuch-Paragraphen 86 und 86a zum Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen beziehen sich nicht auf den rein privaten Bereich. Da es auch keine vertraglichen Abmachungen gebe, was für Bilder aufgehängt werden dürfen, seien die Rechte der Vermieterin nicht beeinträchtigt, sagt der Richter.

"Mieter sind auch nicht gehalten, im Hinblick auf anstehende Besichtigungen der Mieträume für eine eventuelle Veräußerung die von ihnen gewünschte zulässige Dekoration zu ändern", wird in dem Urteil erklärt. Allerdings dürfe das Verhalten von Mietern auch nicht bewusst darauf abzielen, die Verkaufsbemühungen zu erschweren (Az.:424C18547/08). Anwalt Klassen: "Wir werden das Urteil voraussichtlich anfechten."

© SZ vom 05.02.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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