Urbanes Miteinander:Kunterbuntes Künstlerfest

Erstmals war der Stadtbezirk Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt Schauplatz eines Kulturwochenendes. Der "Isarludwig" mit zwölf Stunden Programm an 50 Orten zeigte die Vielfalt im Viertel

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Urbanes Miteinander: Beim Isarludwig arbeiteten Anja und Sophia hoch konzentriert in der Kunstschule Regenbogen.

Beim Isarludwig arbeiteten Anja und Sophia hoch konzentriert in der Kunstschule Regenbogen.

(Foto: Robert Haas)

Auf Entdeckungsreise haben sich am Wochenende viele Anwohner der Ludwigsvorstadt - Isarvorstadt begeben. Der erste "Isarludwig", initiiert und organisiert von Mitgliedern des Bezirksausschusses, bot auch Alteingesessenen viel Neues und ließ sich als Marathon gestalten: Bei zwölf Stunden Programm an 50 Orten an beiden Tagen konnten sie Kunsthandwerker in Hinterhöfen kennenlernen, Stadtvierteldichtern zuhören, den Schlachthof erkunden oder japanisches Eis probieren. Wer wollte, startete morgens besinnlich in St. Martin mit Tai-Chi und endete im Szene-Club Harry Klein beim Spoken Beat oder ließ sich mit druckvollen Drum'n'Bass-Klängen und Videoinstallationen "bis in die dunkelste Stunde begleiten" - so die Aufforderung der Sängerin der Band Katrin Sofie F. und der Däne.

Radio Lora 92,4

Radio Lora öffnete zum Isarludwig die Türen und zeigte in Aufnahmeräumen und Sprecherkabinen, wir man Radio macht. Der Flüchtlingsrat sendet auf Radio Lora, es gibt auch eine kurdische Redaktion und viele mehr. Es gibt nur eine feste Stelle bei dem kleinen Sender an der Schwanthalerstraße, dafür stehen allerdings 250 ehrenamtliche Mitarbeiter bereit. Gesendet wird rund um die Uhr im Livestream, unter der Woche auch auf UKW. Hauptsendung ist das Magazin um 18 Uhr mit den Nachrichten des Tages - aus Lora-Sicht.

Cosplay-Fotografie

Urbanes Miteinander: Audrey Kroyer präsentiert im Fotostudio Claudia Göpperl einen neuen Trend: Cosplay-Fotografie.

Audrey Kroyer präsentiert im Fotostudio Claudia Göpperl einen neuen Trend: Cosplay-Fotografie.

(Foto: Robert Haas)

Fotografin Claudia Göpperl aus der Thalkirchner Straße war eine der aktivsten Aussteller beim Isarludwig. Bei ihr konnte man klassische Arien hören, japanisches Brauchtum und Entwicklungen kennenlernen - darunter auch Cosplay-Fotografie von Andrey Kroyer, einer halben Japanerin. Deren Bilder sind von Filmen und Mangas inspiriert, es geht um Verkleiden und Posieren. Ihre Models findet Kroyer vor allem in München: auf Manga-Treffen und anderen japanischen Veranstaltungen.

Eine-Welt-Haus

Nach mehreren Monaten Renovierungspause sollte es eine familiäre Feier werden, doch die Familie ist angesichts von mehr als 40 Nutzergruppen unter einem Dach recht groß. Viele Initiativen präsentierten sich an Büchertischen, im Indianerzelt, beim Vorlesen. Abends spielten Bands, schon tagsüber gab es exotische Drinks. Mitten im Gewusel war auch Kulturreferent Hans-Georg Küppers, der zur Pflanzung des "Menschenrechtsbaums", ein Apfelbäumchen einer eigentlich verloren gegangenen Sorte, geladen war.

Kyudo

Kontemplative Stimmung herrschte im Durchgang des Alten Südlichen Friedhofs, wo zur Musik einer japanischen Bambusflöte die Bogenschützen hoch konzentriert mehr als drei Meter große Bogen spannten und dabei sukzessive Kraft aufbauten. Für die Zuschauer war es wie Meditation, für die Bogenschützen ist es Sport. Die 400-jährige japanische Kriegstechnik wird schon seit rund vier Jahrzehnten in München praktiziert, vom Verein Isar-Dojo, der nahe beim Aumeister auf die Makiwara, gebundene Reisstrohballen, zielt.

Frank Eydner

Urbanes Miteinander: Viel Lob bekam die Ausstellung „Friedhöfe“ von Frank Eydner.

Viel Lob bekam die Ausstellung „Friedhöfe“ von Frank Eydner.

(Foto: Robert Haas)

Das Leben des Menschen ist für das Universum nicht wichtiger als das einer Auster, sagt Frank Eydner nach David Hume. Für den Fotografen, der im Glockenbach geboren wurde, ist wichtig, selbstbestimmt und frei zu arbeiten - auch deshalb ist er im Hauptberuf seit 30 Jahren Straßenreiniger. Seine neueste Ausstellung wurde bei der Eröffnung beim Isarludwig an der Mauer der Straßenreinigung am Südfriedhof von einem großen, bunt gemischten Freundeskreis gefeiert - darunter Politiker, Straßenreiniger, sogar Eydners ehemalige Klassenlehrerin war da. Eydner zeigt an der Mauer Analogfotos von Friedhöfen, es geht um Grabstätten, um zeitlose Stimmungen, um Erinnerungen. Frank Eydner besuchte viele Gräber in Europa - darunter die von Vincent van Gogh, Arthur Schopenhauer, Michael Ende, Karl Marx. Ihm sei es nicht um die Kunst an sich gegangen, sagt er, sondern um die Menschen, die ihm etwas zu sagen hatten, um Menschen, deren Brüche ihn faszinierten.

Queere Befreiung

Im Jahr 1867 hat sich erstmals jemand in München getraut, sich öffentlich für Belange von Homosexuellen einzusetzen: Karl-Heinrich Ulrichs beim Juristentag. Der Theologe Wolfgang Scheel, selbst aktiv bei der Rosa Liste, zeigte bei einem Spaziergang am Samstag die wichtigesten Orte der Befreiung von Schwulen und Lesben in München - von der Teestube am Glockenbach über das Frauenzentrum und die AG Hag zum SUB in der Müllerstraße. Der Spaziergang endete an Münchens bekanntestem und - nimmt man Restaurant und Saune dazu - größtem Schwulen-Treff, am Hotel Deutsche Eiche. Am Sonntag hielt Scheel einen Vortrag über Albert Einsteins Kindheit in München. Was er dabei erwähnte: Dort, wo heute "The Seven" in der Müllerstraße steht, ging Albert Einstein zur Schule.

Urbanes Miteinander: Astrid Triska zeigte in der Hutwerkstatt, wie man kunstvolle Kopfbedeckungen fertigt

Astrid Triska zeigte in der Hutwerkstatt, wie man kunstvolle Kopfbedeckungen fertigt

(Foto: Robert Haas)
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: