Unterschriftenaktion in Allach:"Wir fühlen uns umzingelt"

Unterschriftenaktion in Allach: In dem früheren Hotel an der Schöllstraße wohnen Flüchtlinge. Nebenan soll eine zweite Unterkunft entstehen.

In dem früheren Hotel an der Schöllstraße wohnen Flüchtlinge. Nebenan soll eine zweite Unterkunft entstehen.

(Foto: Robert Haas)

Am Münchner Stadtrand ist die Welt noch in Ordnung - eigentlich. Doch seit es eine Reihe von Sozialeinrichtungen gibt und weitere entstehen sollen, haben die Menschen in Allach Angst, dass ihr Stadtteil zum sozialen Brennpunkt werden könnte. Nun wollen sie sich wehren.

Von Gudrun Passarge

Die Leute sind in heller Aufregung. "Allach hat genug" - unter diesem Motto haben sie Unterschriften gesammelt, 580 in nur einer Woche. Und seit sie diese öffentlich präsentiert haben, hat Heike Kainz (CSU) viele Anrufe bekommen. Die Bezirksausschussvorsitzende teilt die Besorgnis der Menschen im Viertel, die sich umzingelt sehen von Sozialeinrichtungen wie einer Unterkunft für wohnungslose Flüchtlingsfamilien und diversen Arbeiterwohnheimen.

Und weil nun noch eine dazukommen soll, schlagen die Allacher Alarm. "Es ist diese Ansammlung. Die Proportionen stimmen nicht mehr", sagt Kainz. Zumal in unmittelbarer Nachbarschaft eine Grundschule und ein Hort stehen. Die Folgen seien bereits spürbar, sagt die BA-Vorsitzende. An die Schule soll nun ein Sozialarbeiter kommen, zum ersten Mal. Das nennt Kainz "wirklich ein Problem".

Allach liegt am Rande der Stadt, dort wo es noch viele Gärten gibt, den Allacher Forst, Felder. Besonders Familien ziehen gerne ins Viertel, auch weil Wohneigentum hier noch etwas günstiger ist als in anderen Stadtbezirken. Eine beschauliche, überschaubare Welt. Nicht überall. In und um die Schöllstraße herum sind die Menschen teils verärgert, teils frustriert.

Flüchtlinge hinter einem hohen Lattenzaun

Angefangen hat es mit dem Umbau eines alten Bürogebäudes in ein Hotel, das die Stadt angemietet hat. Sie bringt dort seit 2010 wohnungslose Flüchtlingsfamilien unter, bis sie eine andere Unterkunft gefunden haben. 100 Menschen leben in dem Haus, verborgen hinter einem hohen Lattenzaun, eine spärliche Freifläche drumherum. Für die etwa 50 Kinder gibt es einen Mini-Spielplatz mit Plastikrutsche und Schaukel. Manche dieser Kinder, so berichten Anwohner, hätten sich mittlerweile mit Gleichaltrigen aus der Nachbarschaft angefreundet. Sie gingen gemeinsam zur Schule, spielten am Nachmittag in den Gärten der Freunde. "Das sind unheimlich nette Familien", betont eine Anwohnerin. Um diese Unterkunft gehe es nicht.

Aber. Und dann kommt eine lange Liste. Für die Unterschriftenaktion "Allach hat genug" haben die Anwohner zusammengetragen, wie sich ihre Gegend in jüngster Zeit verändert hat - mal abgesehen davon, dass sie schon lange mit dem hässlichen, stadteigenen Junkers-Gelände leben müssen, wo viele alte Lastwagen stehen und auch Schrotthandel betrieben wird.

Zuerst also kam die Unterkunft für wohnungslose Familien. Dann die vier Kompro-B-Häuser am Ende der Straße, früher nannte man das Sozialwohnungen; dorthin sind auch manche der Flüchtlingsfamilien aus dem umgebauten Hotel gezogen. Hinzu kommen ein Männer- und vier Arbeiterwohnheime - alles im Umkreis weniger hundert Meter. Teils haben die Arbeiter, viele von ihnen aus Bulgarien, ihre Familien nachgeholt. Deren Kinder hätten plötzlich in der Grundschule gesessen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, berichten Eltern. Manche sind deswegen besorgt. Sie fürchten, der Unterricht werde beeinträchtigt.

Ein Gerücht sorgt für Unruhe

Und dann noch dieses Gerücht: Neben besagter Unterkunft für wohnungslose Familien werde ein Haus für Drogenabhängige gebaut. Ein Gerücht, wie gesagt. Das Sozialreferat winkt ab. Es gibt dort zwar die Baugenehmigung für ein weiteres Haus für 100 Bewohner. Aber mit Drogenabhängigen habe das nichts zu tun. Laut Sozialreferat sollen dort obdachlose Singles und Paare untergebracht werden. Wann, darüber gibt es keine Angaben; "der Zeitplan ist noch zu vage". Aber klar ist, dass dieses zweite Haus als eigene Einrichtung betrieben wird, mit eigenem Eingang und eigener Hausverwaltung. Beide Häuser gemeinsam würden zudem von einem Sicherheitsdienst betreut, rund um die Uhr.

Das entlockt einem Anwohner ein Seufzen: "Da fragt man sich doch, wer geschützt werden soll?" Allerdings räumt er ein, dass es nach wie vor gefahrlos möglich sei, durch die Straßen zu gehen, auch nachts. Das ist es nicht, was die Menschen umtreibt. Sie wollen mit ihren 580 Unterschriften ein Zeichen setzen, sie wollen gegen die zweite Unterkunft kämpfen. "Wir sind wirklich nicht fremdenfeindlich, aber wir fühlen uns umzingelt. Das geht in Richtung Ghettobildung", sagt einer. Die Anwohner, die in dem Viertel häufig schon ihr ganzes Leben lang wohnen oder zumindest den größten Teil, fühlten sich bald in der Unterzahl. "Die Stimmung kippt", erzählt einer. Für kommende Woche hat der Bezirksausschuss eine Sondersitzung angesetzt.

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