9000 Unterschriften:Großer Auftrieb

Das Tollwood-Fest ist bekannt für seinen ökologischen Anspruch - nun mobilisiert es seine Besucher gegen Agrarfabriken

Die meisten sehen in Tollwood ja nur ein Instrument zur Massenbespaßung. Sie mag es erstaunen, dass ausgerechnet ein Kulturfestival jetzt ein Aktionsbündnis für artgerechte Tierhaltung ins Leben gerufen hat, dem gleich zu Beginn gut 150 Prominente aus allen Sparten der Gesellschaft beigetreten sind. Der Philosoph und Kulturpolitiker Julian Nida-Rümelin etwa, die Kabarettisten Ottfried Fischer, Harry G und Luise Kinseher, Josef Schmid von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft oder Ludwig Stocker von der Hofpfisterei.

"Mittlerweile haben 9000 Besucher unseren Aufruf unterzeichnet", sagt Christiane Stenzel, die Pressesprecherin von Tollwood. Das ist ein recht beeindruckender Erfolg, und so sehen sich die Tollwood-Macher in ihrem Engagement bestätigt. Man begreift sich nicht nur als Kulturveranstalter oder Organisator eines bunten Ökomarktes mit viel Gastronomie zu Füßen des Olympiabergs. Rita Rottenwallner, Geschäftsführerin des Unternehmens, legt Wert auf das ökologische Konzept, das auch zum Festival gehört und das sich stets einen Schwerpunkt herausgreift. Artgerechte Tierhaltung war schon beim letzten Mal ein Thema, damals sammelte man nicht weniger als 117 000 Unterschriften dafür. Und um Alternativen zur Massentierhaltung geht es auch heuer wieder.

Die Idee dahinter ist: Eine Stadt wie München kann es schaffen, ein entscheidendes Zeichen zu setzen gegen eine Form der Tierhaltung, die mehr Schaden verursacht als Nutzen. "Industrielle Intensivtierhaltung ist gesundheitsgefährdend, tierquälerisch, unsozial, umweltbelastend, unnötig - und unerwünscht", sagt Stephanie Weigel, die Leiterin des Tollwood-Umweltprogramms. Normale bäuerliche Betriebe verlören nach und nach den Kampf gegen die großen Agrarfabriken, weil sie mit deren Billigproduktion nicht mehr mithalten können. In den großen Mega-Ställen fristeten die allermeisten Tiere jedoch "ein erbärmliches, kurzes und leidvolles Leben". Weil die Tiere dort leichter erkranken, bekämpfe man Seuchen schnell einmal mit flächendeckend eingesetzten Antibiotika. Das wiederum führe zur Entstehung multiresistenter Keime, die letztlich auch den Menschen gefährden. Und die Exkremente, die in großen Mengen anfallen, führten zu einer hohen Nitratbelastung des Bodens, wegen der ausgebrachten Gülle. "Ein Drittel des Grundwassers in Bayern ist in schlechtem Zustand", sagt Weigel.

Das Aktionsbündnis fordert von der Stadt, mit gutem Beispiel voranzugehen und in allen ihren Kantinen und Einrichtungen wie Krankenhäusern und Kulturinstituten, sowie bei allen Veranstaltungen bis hin zur Auer Dult und zur Wiesn nur noch Produkte aus artgerechter Tierhaltung zuzulassen. Das sei bei vertretbaren Mehrkosten möglich, sagt Weigel. Tollwood habe erst vor vier Monaten ein unabhängiges Gutachten erstellen lassen, das zu dem Ergebnis kommt: In Kindergärten, Schulen und Kantinen würde das maximal zehn Prozent mehr kosten, bei Empfängen und Großveranstaltungen zwischen zehn und 20 Prozent. Dass die Münchner dafür zu haben wären, zeige eine Umfrage von Tollwood vom Herbst. 85 Prozent seien mit Mehrkosten einverstanden gewesen.

Ähnlich hoch ist allerdings auch die Zahl jener, die sagen, sie seien sehr für Bio-Lebensmittel. Tatsächlich hat Biokost in Deutschland aber nur einen Marktanteil von vier Prozent.

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