Untergiesing/Au:Ringen um den Mehrwert

Landratsamt München, 2012

Suche nach dem rechten Durchblick: Dass das Landratsamt München am Mariahilfplatz aus allen Nähten platzt, ist längst bekannt. Offen ist aber, wie die Stadtviertelpolitik mit den Umzugsplänen der Behörde umgehen will.

(Foto: Stephan Rumpf)

Pläne des Landratsamtes, vom Mariahilfplatz an den Candidplatz umzuziehen, treffen bei Untergiesings Politikern gleichermaßen auf Zuspruch und Vorbehalte. Ein Workshop mit Stadtplanern soll Klärung bringen

Von Julian Raff, Untergiesing / Au

Für alteingesessene Münchner gehört das Landratsamt zum Mariahilfplatz wie die Auer Dult. Genug Platz für die wachsenden Aufgaben der Kreisbehörde bietet der Stammsitz aber schon lange nicht mehr. Abhilfe mit Mehrwert fürs Viertel verspräche eine Zweigstelle am rund 1,7 Kilometer südlich gelegenen Candidplatz. Für die Idee einer Dependance können sich nicht nur Landrat Christoph Göbel (CSU), zahlreiche Kreisräte und Mitarbeiter erwärmen, sondern auch die örtliche CSU um Bezirksausschuss-Chef Clemens Baumgärtner. Zu dessen Verärgerung wollte der Funke im BA 18 aber vorerst noch nicht recht überspringen. Offiziell hat das Gremium noch nicht Stellung genommen. Fürs Erste und in Vertretung für Göbel erläuterte Christian Dauer als Immobilienbeauftragter der Behörde, warum diese expandieren muss: Allein von 2011 bis heute hat sich die Belegschaft durch Flüchtlingskrise und Einwohnerwachstum von 750 auf 1200 Mitarbeiter vergrößert. Das Maximum dürfte sich laut Dauer auf rund 1450 Mitarbeiter einpendeln.

Für etwa 500 Kollegen muss das Amt derzeit 16 500 Quadratmeter Bürofläche in München anmieten, was knapp 60 Prozent der eigenen Flächen am Mariahilfplatz entspricht und jährlich rund drei Millionen Euro kostet. Der Kreistag hat die Verwaltung daher 2017 mit der Suche nach Alternativen beauftragt. Laut Dauer bräuchte das Amt mittelfristig rund 20- bis 22 000 Quadratmeter zusätzlicher Bürofläche.

Als Alternative zu einem zweiten Standort in der Stadt käme zwar eine neue, große Zentrale im Landkreis in Frage. Allerdings müssten Landrat und Verwaltung dafür den traditionell bewährten Standort in der Au aufgeben und zugleich einen großen Teil ihrer Bürgerklientel verärgern: Jeder neue Standort im Umland brächte einem Teil der Landkreisbewohner erheblich längere Wege per S-Bahn, so Dauer, der eine Präferenz für den Candidplatz mit seiner U-Bahn-Anbindung durchblicken ließ. In der benachbarten Ludmillastraße sind bereits 120 Mitarbeiter der Stabsstelle Asyl tätig.

Mit einer Grundfläche von 1,3 Hektar böte die städtische Fläche Platz für einen Verwaltungsbau mit städtischen Nebennutzungen, etwa in Form eines Kulturbürgerhauses mit Veranstaltungsräumen und Sitzungssaal für die Stadtteilpolitiker. Die zeigten sich dennoch nicht restlos begeistert. "Ein klares Nein" hielt Dauer beispielsweise Christa Knappik (SPD) entgegen, "wir brauchen die Flächen für soziale Einrichtungen". SPD-Kollege Winfried Schreyer empfiehlt der Behörde ebenfalls, sich nicht im Stadtgebiet zu "zerstückeln" und in Haar, Aschheim, oder Unterföhring umzusehen. Sebastian Weisenburger (Grüne) führte die Überlegung noch einen Schritt weiter und würde den Wegzug vom Mariahilfplatz als Chance sehen, dort ebenfalls städtischen Bedarf unterzubringen. Die Untergiesinger würden ihren Stadtteilvertretern jedenfalls "den Kopf abreißen", wenn am Candidplatz ein Verwaltungsstandort ohne Nutzen für den Stadtteil entstünde, so Weisenburger, der befürchtet, "der Landkreis könnte der Stadt ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann".

Baumgärtner wirft SPD und Grünen hingegen stures, realitätsfernes Verharren auf verlorenem Posten vor. Schließlich habe die Stadt allen Vorstößen für Kindergärten, Schulen und dergleichen, stets die kalte Schulter gezeigt. Eine Kooperation mit dem Landratsamt biete dagegen erstmals seit Langem die Chance auf baldige Verbesserungen am Candidplatz und zugleich die Sicherung hochwertiger, nachhaltiger Arbeitsplätze, so Baumgärtner. Fürsprache fand die Idee auch außerhalb der CSU, etwa bei Christoph Schneider (FDP) oder Günther Görlich (Freie Wähler), der sich gegen "Denkverbote" aussprach und Dauer unverhohlen fragte, "wie viel Geld er denn mitbringen" wolle? Andere Lokalpolitiker entwickelten erst im Verlauf der Debatte eine gewisse Sympathie für die den Stadtrand überschreitende Kooperation. Hatte Brar Braren (Grüne) deren einzigen Charme eingangs noch darin ausgemacht, "dass wir den Candidplatz so endlich vom Tisch bekommen", so konnte er sich später doch Vorteile für die Untergiesinger vorstellen. Er wolle diesen "nichts überstülpen", betonte Dauer und machte zugleich bewusst, wie eng Stadt und Umland inzwischen verzahnt sind - zum Beispiel besuchen mehr Münchner Kinder Schulen im Landkreis als umgekehrt. Auf Baumgärtners Vorschlag hin wird sich der BA vor einer offiziellen Stellungnahme noch mal mit Vertretern des Planungsreferats zum internen Workshop treffen, um Nutzungsideen für die städtischen Flächen am Candidplatz zu diskutieren.

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