Unterbringungsverfahren:Schimpfender Nachbar

Weil keine Gefahr mehr droht, muss er nicht in die Psychiatrie

Von Christian Rost

Etwas seltsam war es der 38-jährigen Angestellten schon vorgekommen, als ein Mitbewohner des Hauses im Glockenbachviertel, Kostas P. (Name geändert), mit einer Pistole im Treppenhaus stand und laut vor sich hin schimpfte. Die Frau rief aber nicht die Polizei, weil der 54-Jährige in der Vergangenheit schön öfter mit komischen Aktionen aufgefallen und bislang nichts ernsthaftes passiert war. Als dann aber die Tür der Nachbarwohnung von P. plötzlich brannte, rückten die Einsatzkräfte doch noch an. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei nahm den Diplom-Ingenieur am 13. Juni 2014 fest und brachte ihn ins Isar-Amper-Klinikum nach Haar. Und die Staatsanwaltschaft München I wollte, dass der von ihr als allgemeingefährlich eingeschätzte Patient auch dauerhaft in der Psychiatrie bleibt. Die 12. Strafkammer am Landgericht München I entschied jedoch zu seinen Gunsten.

Ihm wurde vorgeworfen, am 12. Juni 2014 zunächst wütend mit einer Schreckschusspistole der Marke Browning in der Hand gegen die Tür der Nachbarwohnung geklopft zu haben. Dort wohnte vorübergehend ein Paar zur Untermiete, das P. offenbar nicht mochte. Insbesondere die Frau bekam das zu spüren: P. habe sie mehrfach "auf das Übelste beschimpft", sagte die Zeugin. "Hure" und "Schlampe" habe er sie genannt, "er hat offensichtlich ein Problem mit Frauen", meinte die 53-Jährige.

Als das Paar nach dem Klopfen durch den Türspion sah, war P. schon wieder in seiner Wohnung verschwunden. Tags drauf drang dann Brandgeruch in die Wohnung der Untermieter. Jemand hatte vor ihrer Tür eine brennende Tüte mit Hausmüll abgelegt. Durch die Flammen wurden Tür, Rahmen und die Bodenschwelle beschädigt, der Sachschaden belief sich auf 3000 Euro. Die Staatsanwaltschaft nahm sofort P. ins Visier. Tatsächlich fand sich auf Zigarettenkippen in der Mülltüte seine DNA.

Vor Gericht räumte Kostas P. den Vorfall mit der Waffe ein. Er sagte, dass er sich von Lärm im Haus gestört gefühlt habe. P.s direkte Nachbarn lagen aber schon im Bett, als der lärmgeplagte P. sich bei ihnen beschweren wollte.

Die Sache mit der Mülltüte stritt der Beschuldigte rundweg ab. Er habe die Tüte vor seiner Tür abgestellt, um sie später zu entsorgen. Wie sie vor die Tür der Nachbarn gekommen sei, wisse er nicht, sagte der Mann, der an einer HIV-bedingten Hirnerkrankung leidet. Wegen dieser Erkrankung - P. entwickelt wahnhafte Vorstellungen - konnte er vor Gericht ohnehin nicht schuldig gesprochen werden. Die Kammer unter dem Vorsitz von Thomas Hense wies dann auch den Antrag auf Unterbringung des Beschuldigten in der Psychiatrie ab. Für die Entscheidung war ausschlaggebend, dass P. laut einem Sachverständigengutachten mit Medikamenten inzwischen so gut eingestellt ist, dass keine Gefahr mehr von ihm ausgeht. Das Paar aus der Nachbarwohnung ist inzwischen ausgezogen.

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