Unglück im Englischen Garten:Tödlicher Sommerspaß im Eisbach

Frühling im Englischen Garten in München, 2014

Im Sommer ist der Eisbach im Englischen Garten beliebter Badeplatz

(Foto: Robert Haas)

Vier Mädchen wollen gemeinsam ins Wasser springen. Was die Freundinnen nicht wissen: Eine kann nicht schwimmen.

Von Thomas Schmidt

Es sollte ein harmloser Spaß werden, ein kleiner Kälteschock an einem heißen Tag: Vier Freundinnen nehmen sich an der Hand, gemeinsam wollen sie in den Eisbach im Englischen Garten eintauchen. Zwei bleiben am Ufer stehen, zwei springen. Was die Mädchen nicht wissen: Eine von ihnen kann nicht schwimmen. Die 15-jährige Internats-Schülerin aus München springt trotzdem. Eine Stunde später finden Helfer ihre Leiche.

Inzwischen hat die Polizei weitgehend rekonstruiert, wie es zu dem schrecklichen Unglück am Montag gekommen ist. Die 15-jährige Schülerin eines Mädchen-Internats ist mit ihren Freundinnen unterwegs, sie gehen in den Englischen Garten und legen sich auf eine Wiese gegenüber dem Haus der Kunst. Kurz vor 18 Uhr kommen sie dann auf die Idee, sich im Wasser abzukühlen. Nicht weit von der Stelle entfernt, wo sich die Surfer auf die Welle stürzen, 100 oder 150 Meter vielleicht, stellen sich die Mädchen direkt vor dem Eisbach zu viert in einer Reihe auf. Sie halten sich an den Händen und wollen gleichzeitig ins Wasser springen. Doch im letzten Moment lassen zwei der Freundinnen plötzlich los. Die beiden äußeren Mädchen bleiben stehen, die zwei in der Mitte springen.

Obwohl der Fluss an dieser Stelle nicht sehr tief ist, taucht die 15-jährige Nichtschwimmerin offenbar sofort unter. Die Strömung reißt sie mit und drückt sie unter Wasser. Ihre Freundinnen bemerken sofort, dass etwas nicht stimmt. Zuerst suchen sie verzweifelt nach ihr, dann, nur fünf Minuten später, setzen sie einen Notruf ab. Polizei und Feuerwehr rücken aus, 130 Einsatzkräfte suchen nach dem Mädchen. Auch die Besatzung eines Polizeihubschraubers hält nach ihr Ausschau. Trotz des schnellen und massiven Einsatzes dauert es eine Stunde, bis das Mädchen endlich gefunden wird. Kurz nach 19 Uhr bergen Einsatzkräfte die Schülerin am Tivoli-Wehr. Sie ist tot. Die Strömung hat sie mehr als zwei Kilometer weit mitgerissen.

Noch in der Nacht kümmert sich ein Kriseninterventionsteam um die geschockten Freundinnen. Am Tag darauf informieren die Helfer dann die Schulleitung und die Lehrer des Internats, wie Christian Bönisch, Geschäftsführer beim Arbeiter-Samariter-Bund, berichtet. "Wir sind in die Klassen gegangen, haben den Schülerinnen erklärt, was passiert ist, damit sie nicht auf Gerüchte angewiesen sind." Bei so einem "unfassbaren Ereignis" reagiere jeder Mensch anders. Manche seien wie vernebelt, taub und stumm, andere könnten nicht mehr aufhören zu schreien. "Wir helfen dabei, die Kinder und Jugendlichen zu stabilisieren", erklärt Bönisch. "Wir ermutigen sie, ihre Trauer zuzulassen, egal in welcher Form sie kommt." Die Mitschülerinnen und Freundinnen der 15-Jährigen müssen wohl erst noch begreifen, was geschehen ist.

Offiziell ist das Baden im Eisbach verboten, doch das Verbot wird nicht durchgesetzt, die Behörden dulden de facto das Schwimmen. An heißen Tagen im Sommer erfrischen sich dort jeden Tag Dutzende oder sogar Hunderte Menschen. Ob man eine striktere Durchsetzung des Badeverbots nun in Betracht ziehe? Eine Sprecherin der staatlichen Schlösser- und Seenverwaltung sagt, man werde das Ende der Ermittlungen abwarten, bevor man sich dazu äußere. Aber man weise bereits jetzt mit mehreren Schildern darauf hin, dass das Baden im Eisbach verboten sei. Und lebensgefährlich.

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