Ungewöhnliche Begegnung:Herzenssache

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Hat sich nach dem Konzert den Fragen der jungen Flüchtlinge gestellt: Star-Pianist Lang Lang (links). (Foto: Peter Meisel)

Lang Lang, gefeierter Star der Klassik-Szene, trifft junge Flüchtlinge im Gasteig

Von Christian Krügel, München

Für den jungen Mann ist das der eigentliche Höhepunkt des Tages: Er steigt auf die Bühne der Philharmonie im Gasteig, setzt sich an den sündhaft teuren Steinway-Flügel und fängt an zu spielen - Jingle Bells, mit zwei Fingern, unter dem Gelächter von Dutzenden minderjährigen Jugendlichen aus Syrien, Somalia, Eritrea, Afghanistan. Und auch der 33-Jährige aus China, der just in diesem Moment die Bühne betritt, muss herzlich lachen. Er unterscheidet sich rein optisch wenig von den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die an diesem Sonntag in den Gasteig gekommen sind: schwarzes Shirt, coole schwarze Hose, natürlich schwarze Schuhe. Nur sein Schicksal könnte nicht unterschiedlicher sein als das seiner Zuhörer: Lang Lang, gefeierter Star der internationalen Klassik- und Musik-Szene, gewiss einer der besten Pianisten unserer Zeit, trifft junge Flüchtlinge, die in München vorübergehend Heimat gefunden haben.

Es ist eine ungewöhnliche Begegnung mit einer ungewöhnlichen Vorgeschichte. Ende April hatte Lang Lang ein Konzert mit dem BR-Symphonieorchester geben sollen, dann aber sehr kurzfristig eine reizvolle Anfrage aus Mailand erhalten: Er sollte dort bei der Weltausstellung spielen. Die BR-Symphoniker gaben ihn frei, im Gegenzug versprach er, zu einem Solo-Rezital eigens nach München zukommen. Da aber bei weitem nicht alle Abonnenten, die im April auf Lang Lang verzichten mussten, seiner Einladung am Sonntag folgen, hat das Orchester und die Hilfsorganisation Condrobs 550 junge Flüchtlinge ins Konzert eingeladen. Dort lernen sie neben Münchner Konzertbesuchern (von denen einige den jungen Leuten spontan applaudieren), wichtige Werke von Frédéric Chopin und Franz Liszt - und am Ende den chinesischen Star auch persönlich kennen.

Nach dem Konzert stellt er sich den Fragen der jungen Leute: Wie oft er üben müsse (früher fünf bis acht Stunden, heute je nach Terminlage zwei bis vier); wie das Gefühl sei, vor Tausenden Menschen zu spielen ("großartig - vor allem wenn man als kleines Kind in leeren Sälen vor fünf Menschen, die eigene Mutter inklusive, spielen musste"); welche Musik er privat am liebsten höre ("Jazz - das ist eine Art Training für das Gehirn"); was er beim Spielen empfinde (eine Art "persönlicher Multimedia-Browser": Gefühle, Bilder, Emotionen, Geschichten). Lang Lang nimmt die Fragen ernst und nimmt sich Zeit: vielleicht, weil er das als PR-Profi gelernt hat, vielleicht, weil er es als Botschafter der Vereinte Nationen gewohnt ist, vielleicht, weil es ihm ein echtes Anliegen ist. Die Arbeit für die UN gebe ihm die Möglichkeit, Menschen noch mehr zu erreichen und gemeinsam Grenzen zu überwinden. "Musik erreicht alles in uns: das Herz, das Gefühl, den Verstand, die Emotionen", sagt er. Nichts anderes habe daher eine derartige Kraft, Menschen miteinander zu verbinden. An diesem Sonntag ist ihm das überaus gut gelungen.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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