Unfall auf dem Gelände der TU in Garching:Polizei ermittelt wegen Körperverletzung

Bei einem missglückten Versuch haben zwei Mitarbeiter der TU Garching eine Gasvergiftung erlitten. Nun prüft die Polizei, ob sie fahrlässig gehandelt haben.

Monika Maier-Albang

Nach dem Gasunfall von Freitagabend in einem Garchinger Labor der Technischen Universität (TU) München hat die Kriminalpolizei die Ermittlungen aufgenommen. Es soll geklärt werden, ob fahrlässig gehandelt wurde. Bei einem Experiment war wie berichtet das hochgiftige Gas Phosgen ausgetreten. Zwei Wissenschaftler erlitten eine Gasvergiftung. Sie befinden sich auf der Intensivstation.

Der Versuchsaufbau in der TU Garching

Der Versuchsaufbau in der TU Garching, bei dem das Gas austrat

(Foto: Foto: ddp)

Die beiden Mitarbeiter der Universität, die bei dem missglückten Versuch das Gas direkt eingeatmet hatten, werden im Universitätsklinikum Rechts der Isar behandelt. Ihr Zustand ist nicht lebensbedrohlich. Doch sie müssen mit Sauerstoff, Kortison und entwässernden Medikamenten behandelt werden.

Nach Angaben von Thomas Zilker, Leiter der toxikologischen Abteilung, hat sich Wasser in ihren Lungen gebildet. Die Mitarbeiter - ein 62-jähriger Wissenschaftler, der seit 30 Jahren an der TU arbeitet, und seine Assistentin - hatten am Freitagabend im Gebäude des Chemie-Departments auf dem Campus ein Experiment durchgeführt. Dabei löste sich ein Schlauch von der Versuchsanlage und das hochgiftige Gas Phosgen trat aus. Eine Studentin, die sich ebenfalls im Raum aufhielt, war weit genug entfernt und ist nicht verletzt. Die Polizei will nun herausfinden, ob fahrlässige Körperverletzung vorliegt.

Die beiden Mitarbeiter brachen nach Angaben von TU-Sprecher Ulrich Marsch ihren Versuch sofort ab, als sie fauligen Geruch, ein Stechen im Hals und Hustenreiz bemerkten - Anzeichen für einen Gasaustritt. Sie bekamen von dem Gas "also wohl nur sehr wenig ab", sagt Marsch. Für eine Vergiftung hat es trotzdem gereicht.

Phosgen ist extrem ätzend; es wurde im Ersten Weltkrieg als Kampfmittel eingesetzt. Höhere Dosen können tödlich sein, wenn ein Lungenödem entsteht. Heute finde Phosgen in Laboren häufig Verwendung. "Es ist als Ausgangsbasis für viele Stoffe sehr beliebt", sagt der TU-Sprecher. Doch wie jede Chlorverbindung sei auch Phosgen "sehr reaktionsfreudig".

Nach dem Unfall hatten die Wissenschaftler sofort die Alarm-Klingel ausgelöst. Die Werksfeuerwehr der TU war nach wenigen Minuten im Chemie-Gebäude. Der Trakt stammt aus den 70-er Jahren, ist der älteste auf dem Campus, sei aber mit Abluftanlagen und Alarmsystemen "aufwendig nachgerüstet worden", sagt Marsch.

50 Rettungsfahrzeuge im Einsatz

Die Kräfte der Werksfeuerwehr evakuierten das Gebäude und lüfteten es. Auch die Münchner Feuerwehr rückte nach Garching aus. Die Münchner hatten 50 Fahrzeuge - Krankentransporter, Notarztwagen und Spezialfahrzeuge mit Atemschutzausrüstung und Messgeräten - nach Garching beordert. "Es war ein Riesenaufgebot, aber die Vorsorge war richtig", sagt Polizeisprecher Dieter Gröbner.

Wegen der Semesterferien hielten sich nur 40 Personen auf dem Campus auf. Sie wurden zunächst in verschiedene Münchner Kliniken zur Beobachtung gebracht. Eine Gefahr für die Anwohner hat nach Angaben der Münchner Polizei zu keinem Zeitpunkt bestanden. Der Gasaustritt habe sich nur auf das Labor beschränkt. Eine Messung der Werksfeuerwehr ergab bereits kurz nach dem Vorfall nur noch minimale Phosgen-Werte.

Das Tückische an Phosgen ist allerdings, dass seine Wirkung mit einer Verzögerung von sechs bis 24 Stunden eintreten kann. Die beiden Betroffenen haben die Aggressivität des Gases offenbar unterschätzt. Gegen ärztlichen Rat hätten der Wissenschaftler und die Assistentin am Samstagvormittag die Klinik verlassen, sagt der TU-Sprecher.

Am Samstagabend bekamen sie Atemnot und einen rauen Hals - ein Alarmsignal. Sie fuhren sofort in die Klinik zurück, wo sie nun versorgt werden. "Mit Phosgen-Vergiftungen haben wir zwar auch wenig Erfahrung", sagt der Toxikologe Zilker, "aber wir sind Spezialisten." Man kenne sich mit ähnlichen Giften aus und könne so auf die richtigen Behandlungsmethoden schließen.

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