Und jetzt?:Singen, um zu bleiben

Ahmad Shakib Pouya, 2017

Wartet auf ein Bleiberecht: Der Zahnarzt und Musiker Ahmad Shakib Pouya ist 2011 aus Afghanistan geflohen.

(Foto: Johannes Simon)

Ahmad Shakib Pouya, dem Ende des vergangenen Jahres die Abschiebung drohte, hat eine künstlerische Heimat in Deutschland gefunden

Interview von Rita Argauer

Das Konzert am Samstag beim Gärtnerplatzfest beginnt wegen eines Stromausfalls mit mehr als einstündiger Verspätung. Ecco di Lorenzo bittet sein Publikum um Geduld. "Wir sind hier doch nicht auf der Flucht", fügt er an und mit einem Seitenblick auf seinen neuen Mitmusiker Ahmad Shakib Pouya: "Zumindest nicht viele von uns." 2011 war Pouya aus Afghanistan nach Deutschland geflohen und hatte hier in der Künstlerszene Anschluss und Arbeit gefunden. So wirkte der 33-jährige Zahnarzt in diversen Musik- und Theaterprojekten mit. Ende vergangenen Jahres drohte ihm die Abschiebung, der er durch eine freiwillige Ausreise Anfang 2017 entgehen konnte. Als die Schauburg ihm ein Engagement in einer Adaption von Fassbinders "Angst essen Seele auf" anbot, konnte er im März 2017 ein Visum beantragen und zu seiner Frau nach München zurückkehren. An der Seite von Ecco di Lorenzo wartet er nun die Soundcheckprobleme von Keyboards und Percussion ab. Als es dann endlich losgeht, bricht beim Singen etwas aus ihm heraus: Laut und inbrünstig singt er, brüllt beinahe. Pouya hat auch eine künstlerische Heimat in Deutschland gefunden.

SZ: Seit dem 16. März sind Sie nun wieder in München. Das Stück an der Schauburg, das Ihnen das Visum verschafft hat, ist nun aber abgespielt. Wie geht es weiter?

Ahmad Shakib Pouya: Vor drei Wochen gaben wir die letzte Vorstellung und aufgrund des Intendantenwechsels wird das Stück auch nicht in die neue Spielzeit übernommen. Doch der Intendant des Gärtnerplatztheaters Josef E. Köpplinger hat mir vom 15. Juli bis zum 15. Oktober einen Vertrag als Musiker am Gärtnerplatztheater gegeben.

Jetzt stehen aber erst einmal die Theaterferien an. Was machen Sie in dieser Zeit für das Gärtnerplatztheater?

Ich arbeite an einem Konzept, orientalische mit europäischer Musik zu verbinden, und würde dafür auch gerne mit dem Kinderchor des Theaters zusammenarbeiten. Eigentlich hätte ich am Wochenende auch beim Gärtnerplatzfest zusammen mit dem Orchester auftreten sollen. Da das aber alles ein wenig kurzfristig war, bin ich dort dann mit Ecco di Lorenzo aufgetreten. Das sind alles so tolle Musiker und ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, mit einem so tollen Team zusammen zu arbeiten.

Die Arbeitsverträge mit den Theatern sichern zudem Ihren Aufenthalt in Deutschland. Sie sind jedoch eigentlich Zahnarzt. Was müsste geschehen, damit Sie auch in Deutschland in diesem Beruf arbeiten können?

Ja, ich habe einen Arbeitsvertrag gebraucht, damit ich ein Visum beantragen konnte, um wieder hierher zu kommen und auch bleiben zu können. Um jedoch als Zahnarzt zu arbeiten, müssten meine Zeugnisse anerkannt werden. Und ich müsste eventuell auch noch ein bisschen weiterstudieren. Damit mir das erlaubt wird, bräuchte ich allerdings einen anderen Status und ein Bleiberecht, das ich gerade nicht habe.

Vermissen Sie Ihre Arbeit als Zahnarzt?

Ja, natürlich, ich würde gerne wieder in diesem Beruf arbeiten. Doch die Musik und das Theater machen mir auch viel Freude. Eigentlich wollte ich ja auch Musik und Kunst studieren, doch das war in Afghanistan nicht möglich ...

Was passiert im Oktober, wenn Ihr Vertrag mit dem Gärtnerplatztheater ausläuft?

Das ist noch nicht sicher. Jetzt sind wir ja erst am Anfang, die Zusammenarbeit mit dem Theater beginnt gerade erst. Aber ich hoffe natürlich, dass der Vertrag im Oktober verlängert wird.

Zudem arbeiten Sie auch weiterhin bei freien Theaterprojekten mit?

Ich bin bei der "Romeo und Julia"-Aufführung der Sarré-Musikakademie für Jugendliche dabei, die Aufführungen finden in der Alten Kongresshalle statt. Und auch mit dem Verein "Zuflucht Kultur", bei dessen Projekt zu Mozarts Oper "Zaide" ich mitgewirkt habe, planen wir ein weiteres Stück. Ich freue mich immer, wenn ich im künstlerischen Bereich etwas machen kann und bin sehr dankbar, dass ich hier in München von den Theatern und Intendanten so viele Chancen bekomme und dass sie mir so helfen.

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