Umweltschutz:Grüne fordern Straßensperrungen wegen Luftverschmutzung

Feinstaub, Umweltzone, München

Auch die vielbefahrene Landshuter Alle zählt zur Umweltzone in München, die Belastung mit Stickstoffoxid ist trotzdem hoch.

(Foto: dpa)
  • Die Parteien im Stadtrat wollen der Luftverschmutzung mit verschiedenen Maßnahmen entgegentreten - von Abwarten und Nichtstun bis hin zu gezielten Straßensperrungen.
  • Eine Mehrheit des Stadtrats favorisiert eine Verschärfung der bestehenden Umweltzone.

Von Dominik Hutter

Natürlich könnte man auch gar nichts machen. Richard Progl von der Bayernpartei schlägt das vor. Die Luft sei in den vergangenen Jahrzehnten sauberer geworden, der Grenzwert ohnehin unrealistisch hoch - da reiche es doch angesichts des technologischen Fortschritts aus, ein paar Jahre auf bessere Motoren zu warten. Die vielen Panikmacher täten ja so, "als lägen Leichenberge in der Landshuter Allee", sagte Progl - eine Bemerkung, die nicht jeder im Großen Sitzungssaal des Rathauses als wirklich passend empfand.

Auf der entgegengesetzten Seite des Aktivitätenspektrums stehen die Grünen, die der Stadtspitze Tatenlosigkeit vorwerfen und notfalls auch einzelne stark belastete Straßen rigoros sperren wollen. Was allerdings laut CSU-Umweltsprecher Sebastian Schall zur Folge haben könnte, dass die gut ausgebaute Landshuter Allee verwaist daliegen würde, während in den umliegenden Anwohnerstraßen die motorisierte Hölle los sei. Das dürfte auch nicht jedem gefallen.

Was soll man nur tun in der Dauerdebatte um Stickstoffdioxid und den bösen Dieselmotor? Wie ratlos das Rathaus in dieser Frage ist, lässt sich am besten aus der Beschlussvorlage von Umweltreferentin Stephanie Jacobs ablesen, die an diesem Mittwoch im Stadtrat diskutiert wurde. Fakt ist: München kann den Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid nicht einhalten, nicht annähernd. Und es gibt einen rechtskräftigen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Vorbereitung von Dieselfahrverboten vorschreibt. Für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht diese für zulässig erklärt.

Die Entscheidung wird in den nächsten Monaten erwartet. Nur: Dieselfahrverbote in einzeln ausgewählten Straßen hält Jacobs in der Praxis nicht für umsetzbar. Bliebe also eine Verschärfung der bestehenden Umweltzone, die auch die Mehrheit des Stadtrats klar favorisiert. Dazu aber braucht es neue Schadstoffplaketten, die nur der Bund einführen kann. Eine entsprechende Initiative ist nicht in Sicht. Welche Möglichkeiten bleiben der Kommune da noch?

Jacobs schlägt vor, sozusagen vorauseilend ein neues Konzept für die Umweltzone auszuarbeiten. Falls der Bund doch noch in die Pötte kommt mit der Plakette. Den Grünen reicht das jedoch nicht aus. Man könne jetzt nicht vier Jahre untätig bleiben, schimpfte Grünen-Umweltsprecherin Sabine Krieger mit Bezug auf die Berliner Sondierungen, in denen das Thema offenbar keine Rolle gespielt hat. Die Stadt müsse auf alle Möglichkeiten vorbereitet sein - also auch auf die Sperrung einzelner Straßen.

Zudem wollen die Grünen gleich festzurren, in welche Richtung sich die Umweltzone entwickeln soll: eine Zufahrt solle nur für Dieselautos mit Euro-6-Norm möglich sein, es müsse Ausnahme- und Übergangsregelungen für Anwohner, Gewerbebetriebe, Krankenwagen und noch ein paar Gruppen mehr geben. Was alles jedoch der Bund festlegen müsse, sagte Jacobs.

Grüne, Rosa Liste, ÖDP und Linke blieben mit diesen Änderungswünschen denn auch allein. Die rot-schwarze Mehrheit schloss sich lieber Jacobs an, die die rigorosen Einzelsperrungen gar nicht mehr weiterverfolgen will und stattdessen auf die Umweltzone setzt. Mit der Ablehnung des grünen Änderungsantrags fiel noch ein weiterer Punkt unter den Tisch: ein offizielles Nein zur gerade fertiggestellten Fortschreibung des Luftreinhalteplans, in dem keine Dieselfahrverbote vorkommen. Womit der Freistaat offen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ignoriert. Ein "bewusster Rechtsbruch", urteilt Grünen-Fraktionschef Florian Roth. Stattdessen enthalte das Papier jede Menge heiße Luft, messbare Fortschritte seien so nicht zu erzielen.

Zumal sich auch an anderer Front nichts tue, wie die Grünen kritisieren. Bei der Verkehrswende nämlich, die der Stadtrat vor einem Jahr beschlossen hat und damit einem Bürgerentscheid zuvorkam. Bis 2025 sollen demnach mindestens 80 Prozent aller Wege emissionsfrei zurückgelegt werden, also zu Fuß, per Fahrrad oder mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Passiert aber sei nichts, ärgern sich die Grünen, die damals zu den Unterstützern des Bürgerbegehrens zählten. In einer Fragestunde bemühten sich die städtischen Referenten, diesem Eindruck entgegenzuwirken: Förderprogramm Elektromobilität, die jüngste Offensive für den Öffentlichen Nahverkehr mit vielen U-Bahn-Projekten, Elektroautos im städtischen Fuhrpark, Busspuren, Radwege. Und höhere Parkgebühren in einigen Pilotgebieten.

Das "Bündnis für saubere Luft", der damalige Initiator, wirft der Stadt dennoch Verrat am Versprechen von vor einem Jahr vor. Es gebe keinerlei Anzeichen für eine Verkehrswende in München, so die Umweltschützer. Im Zeugnis-Jargon bedeute das: Versetzung gefährdet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: