Umstrittene Extremismusklausel:Freiraum oder rechtsfreier Raum

Die CSU will die umstrittene Extremismusklausel auch auf München anwenden - und hat vor allem das linksalternative "Kafe Marat" im Visier. Heftiger Streit im Stadtrat ist programmiert.

Dominik Hutter

Das beliebteste Beispiel ist immer das "Kafe Marat" - jener linksalternative Treffpunkt in der Thalkirchner Straße, den die CSU seit vielen Jahren kritisch beäugt. Auch der Verfassungsschutz hat sich schon mit dem Szene-Etablissement im ehemaligen Tröpferlbad befasst, er kam zu dem Urteil, dass dort "Teile des linksextremistischen Spektrums Münchens regelmäßig Vorträge, Diskussionsrunden oder Mobilisierungsveranstaltungen" organisieren.

Bürgerhaus Isarvorstadt im ehemaligen Tröpferlbad, 2011

Im ehemaligen Tröpferlbad gehen viele ein und aus - allein der Verein "Zeit, Schlacht und Raum" verzeichnet 14 Gruppierungen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zudem seien bei Durchsuchungsaktionen der Polizei ein Ordner mit "Anleitungen zum Bau von unkonventionellen Brand- und Sprengvorrichtungen sowie etwa 150 nicht zertifizierte Böller " entdeckt worden.

Für die Rathaus-CSU steht daher fest: Dem "Kafe Marat" müssen Mietvertrag gekündigt, Fördergelder gekürzt sowie die Gaststättenkonzession entzogen werden. Das Thema wird voraussichtlich in den nächsten Wochen den Münchner Stadtrat beschäftigen, und es wird dort Streit geben. Denn das "Marat" ist für die CSU eben nur ein Beispiel - die Fraktion will, dass künftig sämtliche Empfänger städtischer Fördergelder ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablegen müssen. Die Stadt dürfe Extremismus nicht noch alimentieren, warnt Fraktionsvize Hans Podiuk.

Ein Vorbild für den CSU-Vorstoß gibt es bereits: die heftig umstrittene Extremismusklausel auf Bundesebene, die Familienministerin Kristina Schröder (CDU) zu Jahresbeginn eingeführt hat. Sie gilt für Initiativen, die sich gegen Extremismus engagieren und dafür staatliche Mittel beziehen - sie ist auch als "Bespitzelungsklausel" berüchtigt, da sie die Initiativen zudem dazu verdonnert, auch für die Unbedenklichkeit ihrer Mieter oder Referenten zu garantieren. SPD und Grüne lehnen die Extremismusklausel auf Bundesebene ab - und genau so werden sich aller Voraussicht nach auch Rot und Grün im Münchner Stadtrat positionieren.

"Diese Klausel wendet in Deutschland ohnehin niemand an", erklärt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. Zwar habe man noch nicht alles ausdiskutiert, die Tendenz der SPD sei aber klar: "Nicht einführen." Notwendig sei sie ohnehin nicht, da städtische Mietverträge ohnehin Anti-Extremismus-Klauseln beinhalteten. Beim "Kafe Marat" warnt Reissl vor Aktionismus: "Ein bisschen Freiraum muss es auch in Einrichtungen der Stadt geben dürfen."

Freiraum oder rechtsfreier Raum

Auch Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker plädiert dafür, den Ball flach zu halten. In den Räumlichkeiten an der Thalkirchner Straße, die der Verein "Zeit, Schlacht und Raum" von der Stadt angemietet habe, träfen sich 14 Gruppierungen - da könnten die Verantwortlichen des Trägervereins nicht über jedes Detail Bescheid wissen. Was die CSU da seit Jahren veranstalte, sei der "Versuch, ein Linksextremismusproblem zu konstruieren".

Zwar ist auch Benker explizit der Ansicht, "dass bei der Förderung genau hingeguckt wird". Aber die Klientel des "Kafe Marat" müsse sich irgendwo treffen können.

Mit der Extremismusklausel sollten Zuschussnehmer offenbar zu Denunzianten umerzogen werden. Die Grünen haben das Thema bereits auf ihrer jüngsten Stadtversammlung diskutiert - und sich einstimmig für die Ablehnung der Klausel ausgesprochen. Sie sei "nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern erschwert auch die tägliche Arbeit der vielen Träger, die sich gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus engagieren", erklärt Parteichefin Katharina Schulze.

Auch der Verein "Zeit, Schlacht und Raum" weist den Vorwurf antidemokratischer Gesinnung zurück. Bisher seien alle eingeleiteten Ermittlungsverfahren wieder eingestellt worden. Eine Stadt wie München brauche Freiräume wie das "Kafe Marat". Der Verein ist auch Mitunterzeichner eines offenen Briefes zahlreicher sozialer und kultureller Initiativen, die Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) eindringlich zur Ablehnung des CSU-Antrags auffordern. Eine kritische Haltung auch gegenüber dem Staat und seinen Organen gehöre zum Wesen einer lebendigen Demokratie.

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