Umfrage:Streifen und Ringe

Einheimische und Touristen erzählen, was sie vom Tarifsystem halten

Von Sofie Czilwik

Erst am Schalter die richtige Karte

Umfrage: undefined
(Foto: Alessandra Schellnegger)

João Monteiro steht ratlos vor einem großen Regions-Fahrplan im Münchner Hauptbahnhof. Wie kommt er jetzt am schnellsten zum Flughafen? U-Bahn, S-Bahn oder doch die Tram? Und vor allem: Welches Ticket braucht er dafür? Drei Tage hat der Portugiese in München auf einem Kongress verbracht, am Wochenende hat er sich jeweils ohne Probleme ein Tagesticket gezogen, weil er in der Innenstadt unterwegs war. Aber der Flughafen ist weit weg. "It's highly complicated", höchstkompliziert, sagt der 42-Jährige. In Portugal fahre er nie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, doch eine Fahrkarte zu bekommen, sei dort sicher viel einfacher als hier in München. Hier funktioniert der Nahverkehr zwar gut, doch das passende Ticket zu finden, das ist für Nicht-Eingeweihte schwer. João Monteiro will sich schon ein Ticket für knapp 17 Euro am Automaten kaufen, doch glücklicherweise akzeptiert der Automat seine Kreditkarte nicht. Denn als er am Schalter sein Ticket bei einem MVG-Mitarbeiter kauft, zahlt er den regulären Preis: 11,60 Euro.

Bahn- und Flugtickets reichen aus

Umfrage: undefined
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Probleme mit dem Fahrkartenkauf hat Julia Blinn in München bisher noch nicht gehabt. "Alles wunderbar", fasst die 59-Jährige ihre Erfahrungen zusammen. Das liegt vielleicht aber auch daran, dass sie erstens nur äußerst selten München besucht. Etwa einmal im Jahr kommt sie in die bayerische Hauptstadt. Unannehmlichkeiten an den MVG-Automaten erspart sich die gelernte Altenpflegerin zweitens aber auch dadurch, dass sie sich schon frühzeitig um ihre Tickets kümmert. Gerade ist Julia Blinn mit ihrem Rollkoffer aus dem ICE gestiegen, für die Fahrt mit der U-Bahn zum Hotel kann sie ihr Ticket der Deutschen Bahn nutzen. Und wenn sie dann am nächsten Tag in die S-Bahn zum Flughafen einsteigt, ist diese Fahrt in ihrem Flugticket bereits enthalten. Unklarheiten beim Ticketziehen vermeidet man also möglicherweise am besten dadurch, dass man seine Fahrkarte erst gar nicht am Automaten, sondern schon vorher kauft. Für Julia Blinn bedeutet das einen entspannten Start in ihren Urlaub auf der griechischen Insel Kreta.

Zu undurchsichtig - auch für Einheimische

Umfrage: undefined
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Jörg Ufer fällt zum Münchner Tarifsystem nur ein Wort ein: "idiotisch". Es sei derart kompliziert, kein Mensch könne das durchblicken, sagt der 81-Jährige. Er selbst habe zwar ein Seniorenticket und müsse sich eigentlich um nichts kümmern. Und trotzdem ärgert er sich über die MVG. Sein Ticket gilt erst ab 9 Uhr. Einen Arzttermin vor 10 Uhr in der Stadt auszumachen, sei für ihn dadurch fast unmöglich. Denn die Strecke von der Seniorenresidenz in Solln, wo der Rentner seit einigen Jahren wohnt, ist lang und umständlich. Es gibt keine direkte Verbindung ins Zentrum. Teilweise warte er 20 Minuten auf seinen Anschluss, sagt Ufer, ziemlich beschwerlich für einen Senior, der nicht so lange stehen kann. Er habe zwar auch noch sein Auto, das fahre er aber nur in absoluten Ausnahmefällen. Eigentlich würde er auch gerne weiterhelfen, wenn ihn jemand beim Fahrkartenkauf um Hilfe bittet. Aber er muss passen, zu undurchsichtig. Trotzdem freut er sich, wenn ihn jemand anspricht, vor allem Ausländer: "So kann ich wenigstens meine Sprachkenntnisse vorführen."

Nützlicher Tipp vom Schwarzfahrer

Umfrage: undefined
(Foto: Alessandra Schellnegger)

In München hat Keaton Lawrence gerade erfolgreich seine Abschlussarbeit präsentiert, am MVG-Fahrkartenautomaten wäre der studierte Ingenieur aber beinahe verzweifelt. Doch nach einer Woche in der Stadt hat der 22-jährige US-Amerikaner aus Indiana schließlich verstanden, welche Fahrkarte für welche Strecke die richtige für ihn ist. Dass Fahrgäste ihre Tickets in der Regel aber auch stempeln lassen müssen, das hat Lawrence nur zufällig von einem Freund erfahren, der schlechte Erfahrungen bei einer Kontrolle gemacht hatte. Als der einmal die U-Bahn mit gekaufter, allerdings ungestempelter Fahrkarte betrat, wurde er prompt des Schwarzfahrens überführt. 60 Euro hat ihn diese Unwissenheit gekostet. Zum Glück für Keaton Lawrence, denn der weiß deshalb jetzt, dass die blauen Kästen, die da demonstrativ an den Eingängen zu den U- und S-Bahnen aufgestellt sind, nicht nur den Fahrgastfluss aufhalten sollen, sondern auch eine sehr wichtige Funktion haben: Man muss dort sein Ticket vor Fahrtantritt entwerten.

Problemlos mit der MVG-App

Umfrage: undefined
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Emma hat eigentlich ein Schülerticket, doch die ganze Strecke kann sie damit von ihrem Zuhause im Süden von München bis zum Flughafen im Münchner Norden nicht fahren. Deshalb fährt die 13-jährige Schülerin einen Teil der Strecke heute auf dem Ticket ihrer Mutter mit. Diese kauft die Fahrkarte bequem über die MVG-App auf ihrem Smartphone und lässt sich das Geld über ihre Kreditkarte abbuchen. Das Ticket wird ihr per Mail zugeschickt, die sie ebenfalls auf ihrem Handy abrufen kann. "Mit der App habe ich durchweg positive Erfahrungen gemacht", sagt Emmas Mutter. Wenn sie vom Flughafen in die Stadt fährt, beobachtet sie manchmal, welche Schwierigkeiten die Touristen bei Kontrollen haben und beispielsweise nicht wissen, dass sie ihre Fahrkarte stempeln müssen, damit sie gültig ist. Solche Probleme haben die beiden nicht. Ihre digitale Karte ist nach dem Kauf gleich entwertet. Und über die App werden sie immer in Echtzeit über alle Änderungen und Verspätungen auf den Strecken informiert. Solange der Akku hält, geht das auch meistens gut.

Spanische Variante

Umfrage: undefined
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der öffentliche Nahverkehr in Costa Rica ist lang nicht so zuverlässig wie in München, dafür aber nicht so kompliziert. Eigentlich dachten Daliana Hegg (35) und Raúl Rojas (41), sie hätten das System hier in München schon ganz gut durchschaut: eine Kurzstrecken-Karte für vier Stationen oder eine Einzelfahrkarte für längere Strecken in der Zone Eins. Dass sie die Tickets allerdings noch stempeln müssen, damit sie gültig sind, das erfahren die Touristen erst von der SZ. Obwohl doch auf der Fahrkarte steht: "Bitte hier entwerten", aber eben nur auf Deutsch. "Man könnte das ja zum Beispiel hier vorne drauf schreiben", sagt Daliana Hegg und zeigt auf die Frontseite des Fahrkartenautomaten. Platz genug gibt es. Und dann am besten auf Deutsch, Englisch, Spanisch und in allen anderen Sprachen, die in München häufig gesprochen werden. Für ihren Besuch in Dachau erstehen die beiden ein Ticket für die Regionalbahn am Automaten der Deutschen Bahn. Dort können sie es direkt auf Spanisch kaufen. Und entwertet ist es auch schon.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: