Überstunden:Vollbepackt wie zu Weihnachten

Briefzentrum der Deutschen Post in München, 2013

Im Briefzentrum an der Arnulfstraße ist während des Streiks viel liegen geblieben - die Post ist zuversichtlich, die Rückstände bald zu verteilen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Nach dem Ende des vierwöchigen Streiks bei der Post setzen die Zusteller ihren Ehrgeiz daran, die liegen gebliebenen Briefe und Pakete möglichst schnell auszuliefern. Einige Tage wird es noch dauern, bis sie verteilt sind

Von Stephan Handel

Kann schon sein, dass der Postmann zweimal klingelt - aber zweimal am Tag seine Tour fahren, das wird kein Briefträger tun. Und so kann es nach Auskunft der Deutschen Post nach der Einigung im Tarifstreit und dem Ende des vierwöchigen Streiks schon noch ein paar Tage dauern, bis alle liegen gebliebenen Briefe und Pakete ihre Adressaten erreicht haben. "Alle arbeiten mit Hochdruck daran, zum Normalbetrieb zurückzukehren", sagt Post-Sprecher Dieter Nawrath. Allerdings sind dem Unternehmen und seinen Zustellern Grenzen gesetzt: In den Körben seines gelben Radls kann ein Briefträger eben nur eine bestimmte Anzahl Sendungen transportieren. Nach der ersten Runde ein zweites Mal loszufahren, das ginge aus Arbeitszeit-Gründen nicht: "Auch ein Briefzusteller hat mal Feierabend", sagt Nawrath.

Sowieso ist das ja stets die Auswirkung eines Streiks: dass Arbeit liegen bleibt, die nach dem Ende des Arbeitskampfes nachgeholt werden muss. So viel sei das aber insgesamt gar nicht, meint der Post-Sprecher: "80 Prozent aller Sendungen sind trotz des Streiks zugestellt worden." Das sei allerdings eine Durchschnittszahl - manche Bezirke hätten vom Streik so gut wie gar nichts gemerkt, weil sie von Beamten bedient werden. In anderen mit hoher Streikbeteiligung, etwa in Nürnberg, liege der Anteil nicht zugestellter Sendungen höher. Auch sei versucht worden, während des Streiks ein rollierendes System zu installieren, dass also ein nicht streikender Zusteller im Wechsel jeweils andere Bezirke versorgt - das habe aber, gibt Nawrath zu, "nicht immer funktioniert".

Die Zustellung jetzt zu beschleunigen, zum Beispiel durch Aushilfen, sei kaum möglich, sagt der Sprecher: Ein Briefträger müsse ja nicht nur ortskundig sein, was mehr heißt, als nur die Straßen zu kennen: Wo sind die Briefkästen, wie kommt er zur Tür rein, wer wohnt wo? Das weiß ein Zusteller in seinem Bezirk, ein Neuling bräuchte Einarbeitungszeit und wäre deshalb anfangs deutlich langsamer - auch, weil die Touren genau vorgeschrieben sind, um "Wegezeiten zu minimieren", wie Nawrath sagt. Zudem braucht der Postmann auch noch Sachkunde, bei Einschreiben, bei Nachnahmen, bei amtlichen Zustellungen - da sei es nicht möglich, einfach fünf Leute vom Studenten-Schnelldienst zu holen und ihnen einen Stadtplan in die Hand zu drücken.

Wie viel Post in München und Umgebung liegen geblieben ist in den vergangenen vier Wochen, kann Nawrath nicht sagen - die Landeshauptstadt sei aber, was die Streikbeteiligung angeht, durchschnittlich gewesen. Spezielle Lager für nicht zugestellte Briefe habe es nicht gegeben. Die Zusteller setzten nun ihren eigenen Ehrgeiz daran, die Rückstände aufzuarbeiten und "ihre Kunden zu bedienen" - indem sie zum Beispiel mehr aufladen, womöglich Zwischendepots anlegen oder auch "die eine oder andere Überstunde" einlegen. Dramatisch sieht der Sprecher die Situation allerdings nicht: "Für uns ist das wie Weihnachten, wo es ja auch viel mehr Post als normalerweise gibt."

Auf einen Tag festlegen, an dem alle Streikfolgen beseitigt sind, will er sich nicht: "Einen Stichtag zu nennen, trau ich mich nicht." Zudem verweist er darauf, dass die Zustellung eines Briefes binnen einem Tag ein Bemühen sei, keine Verpflichtung: "Es gibt kein Laufzeit-Versprechen und schon gar keine Haftung." Zudem sei es ja so, dass nicht nur die alte Post ausgetragen werden müsse, sondern dass jeden Tag das normale Kontingent an neuen Sendungen dazukomme.

Ein Gutes allerdings sieht Postsprecher Nawrath dann doch an der jetzigen Situation: Es komme, bei gleicher Post-Menge für einen Zusteller, jetzt häufiger vor, dass für einen Adressaten nicht nur zwei Briefe dabei sind, sondern acht oder zehn - das beschleunigt natürlich die Arbeit , weil sozusagen mit einem Handgriff eine Menge erledigt ist - weil der Postmann nicht acht- oder zehnmal, ja nicht einmal zweimal klingeln muss, sondern nur noch einmal.

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