Überlegungen im Rathaus:Ein Meiler nur für den Winter

Heizkraftwerk München Nord in Unterföhring, 2013

Das Heizkraftwerk München-Nord in Unterföhring betreiben die Stadtwerke. Dort wird in zwei Blöcken Müll verbrannt, im dritten Kohle.

(Foto: Florian Peljak)

Im Heizkraftwerk Nord wird noch immer Kohle verfeuert. Die ÖDP will das rasch beenden - auf deren Druck hin werben die Grünen nun für ein neues Ausstiegsszenario: Laufen soll der Block nur noch dann, wenn Fernwärme gebraucht wird

Von Dominik Hutter

Es ist der Horror der grünen Partei: Plötzlich als Verfechterin der Steinkohle dazustehen, während andere den Ausstieg predigen. Diese Interpretation wäre zwar in jeglicher Hinsicht falsch, wie die Stadträte Dominik Krause und Sabine Krieger versichern. Nur: Im Eifer des politischen Gefechts sind vereinfachte Darstellungen attraktiv. Und diese Gefahr sieht die Öko-Partei, falls die ÖDP genug Stimmen für ihr Anti-Kohle-Bürgerbegehren zusammenbekommt. 27 500 sind es derzeit, etwa 33 000 nennen die Organisatoren als Minimum. Käme es zu einem Bürgerentscheid, fänden sich die Grünen auf der Seite derer wieder, die eine Stilllegung des Kohleblocks im Heizkraftwerk Nord im Jahr 2022 für verfrüht halten. Das kommt nicht gut an bei Umweltschützern.

Im Rathaus gibt es deshalb Überlegungen, der ÖDP-Forderung notfalls ein Ratsbegehren mit einer anderen Variante des Kohleausstiegs entgegenzustellen. Dessen Inhalt: Von etwa 2018/19 an wird das Kraftwerk gedrosselt, zwischen 2027 und 2029 ganz stillgelegt. Dieser Zeitplan hätte den Vorteil, dass man ohne eine ökologisch bedenkliche Übergangslösung auskäme, sagt Krause. Die Geothermie, davon sind die Stadtwerke als Betreiber des Kraftwerks überzeugt, lässt sich niemals so schnell ausbauen, dass die Wärmeleistung der Kohle bis 2022 entbehrlich ist - denn im Kraftwerk Nord wird nicht nur Strom, sondern auch Fernwärme produziert. Würde man trotzdem den Block abschalten, müssten kleine Gasheizwerke den Ausfall kompensieren. Erst wenn die Erdwärme komplett ausgebaut ist, könnten diese provisorischen Anlagen wieder vom Netz. Ein Unding, finden die Grünen.

Wartet der Stadtrat hingegen mit der Stilllegung, bis alle Geothermieanlagen fertig sind, könnte auf die teuren und immer noch mit fossiler Energie betriebenen Mini-Heizwerke verzichtet werden. In der Zwischenzeit wollen die Grünen zumindest weniger Kohle verbrennen als bislang üblich - derzeit verbraucht der Meiler im Norden etwa 800 000 Tonnen Steinkohle pro Jahr. Die Pläne dafür stammen von den Stadtwerken selbst, die gemeinsam mit dem Öko-Institut eine Kohleminderungsstrategie ausgearbeitet haben. Laut dem Konzept, das am Dienstag kommender Woche dem Stadtrat vorgestellt wird, könnte der Kohleverbrauch von 2020 an schrittweise auf etwa 400 000 bis 500 000 Tonnen pro Jahr heruntergefahren werden. 2030 soll die Anlage dann ganz dichtgemacht werden. Dies könnte in den letzten Betriebsjahren 3 bis 3,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen. Allerdings müssten die Stadtwerke auf Gewinne zwischen 48 und 59 Millionen Euro verzichten.

Die Grünen hätten es gerne noch einen Tick ehrgeiziger: Ein paar Jahre schneller könnte es schon gehen - beim Einstieg in den gedrosselten Betrieb wie auch später bei der Abschaltung. Für die Stadtwerke wäre das einige Millionen teurer. Die Grünen finden aber, dass ein solches Opfer drin sein müsste. Zumal die Variante der ÖDP noch deutlich kostspieliger wäre.

Ob auch SPD und CSU mitmachen, ist noch unklar. Ohne die Mehrheitsparteien wäre es unmöglich, ein Ratsbegehren einzuleiten. Ein erstes Gespräch hat es bereits gegeben. Bislang aber geben sich die Fraktionschefs Alexander Reissl (SPD) und Manuel Pretzl (CSU) zugeknöpft. Entschieden sei noch nichts, betont Reissl, das Thema müsse erst noch besprochen werden. Pretzl bezeichnet ein alternatives Kohle-Ratsbegehren lediglich als "Gedankenspiel". Noch sei ja längst nicht klar, ob die ÖDP die Unterschriften überhaupt zusammenbringe. Eigentlich hätten die Initiatoren damit längst fertig sein wollen. Pretzl geht davon aus, dass eigentlich 40 000 Unterschriften nötig wären. Denn durch den Einwohnerzuwachs liege das Quorum, damit es zu einem Entscheid kommt, inzwischen eher bei 36 000 als bei 33 000. Und einen Puffer brauche es erfahrungsgemäß auch noch - falls Leute unterschrieben haben, die gar nicht in München wohnen.

Die Kohleminderungsstrategie kann auch einfach vom Stadtrat beschlossen werden. Dann würden die Stadtwerke immer, wenn keine Fernwärme benötigt wird, das Kraftwerk herunterfahren - die ausgefallene Stromproduktion lässt sich leicht ersetzen. Ohnehin ist die reine Stromerzeugung im Kraftwerk Nord weniger wirtschaftlich als die im Winter praktizierte Kraft-Wärme-Kopplung, bei der die Abwärme der Anlage fürs Heizen der Wohnhäuser verwendet wird.

Die Fernwärme steht bei den Debatten über eine vorzeitige Stilllegung des Kraftwerks Nord stets im Mittelpunkt. Damit in München die Heizungen nicht ausgehen, muss eine sinnvolle Alternative her. Dies könnten die temporären Gasheizwerke sein oder - als von den Stadtwerken klar favorisierte Lösung - der Ausbau der Geothermie. Dazu müssten sie neue Bohrungen vornehmen und neue Anlagen errichten. Das aber dauert seine Zeit, betonen die Experten des Kommunalunternehmens. Frühestens 2030 könne man fertig sein. Dass die Umstellung auf Geothermie so lange dauert, liegt auch an den im Boden verlegten Rohren. Da die Erdwärme nicht so hohe Temperaturen erreicht wie der Kohleblock im Kraftwerk Nord, muss das komplette Fernwärmenetz von Dampf auf Heißwasser umgestellt werden (was allerdings aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin geplant war). Die Rohre im Heißwassernetz haben jedoch einen anderen Durchmesser als das alte Dampfnetz, es muss also gebuddelt werden. Schon dies dauert seine Zeit, so die Stadtwerke. Denn die oft ganze Straßenzüge umfassenden Fernwärme-Baustellen seien den Münchnern nur in kleinen Dosen zuzumuten.

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