Überlastete Behörde:Hilfsprogramm für das Wohnungsamt

Immer mehr Obdachlose müssen in Notunterkünften untergebracht werden - für die Mitarbeiter des Münchner Wohnungsamts bedeutet das jede Menge Arbeit. Doch die Behörde ist völlig überlastet.

Sven Loerzer

Das Münchner Wohnungsamt will mit einem umfassenden Programm verhindern, dass sich die Lage weiter zuspitzt. Momentan sind 3100 Wohnungslose in Notunterkünften untergebracht - der Bedarf wächst weiter rasant, die Mitarbeiter sind völlig überlastet. Etwa 1,2 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr dürfte es kosten, 20 neue Stellen zu schaffen.

Überlastete Behörde: Das Münchner Wohnungsamt ist völlig überlastet.

Das Münchner Wohnungsamt ist völlig überlastet.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Stadtrat soll im September über das Konzept entscheiden, das der SZ im Entwurf vorliegt. Vor allem die unter Überlastung leidenden Mitarbeiter der Zentralen Wohnungslosenhilfe (ZEW) sollen Verstärkung erhalten, um ihre schwierigen Aufgaben besser bewältigen zu können.

Allein in den letzten drei Jahren hat die Stadt die Anzahl der Bettplätze für Wohnungslose in den Pensionen um 500 auf mehr als 2100 aufstocken müssen. Zusammen mit weiteren Notquartieren verfügt die Stadt nun über etwas mehr als 3100 Plätze. Die Kapazität sei schon jetzt höher als bei der letzten großen Unterbringungskrise in den Jahren 2003 und 2004, erklärt Bernd Schreyer vom Wohnungsamt. Dennoch rechnet er bis Ende des Jahres mit einem zusätzlichen Bedarf von bis zu 400 Plätzen. Monatlich muss die ZEW mehr als 270 Haushalte in Notquartiere einweisen, gut 50 mehr als im letzten Jahr.

Der anhaltende Zuzug von Arbeitskräften, aber auch die EU-Finanzkrise mit der Umschichtung von Kapital in Immobilien treiben die Mietpreise in München nach oben. Gleichzeitig geht die Anzahl der Sozialwohnungen zurück, bis 2015 fallen weitere 7000 Wohnungen aus der Sozialbindung.

Immer mehr Menschen bleiben immer länger in den Notunterkünften, weil sie auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt aufgrund der hohen Nachfrage kaum mehr vermittelbar sind. Durch den Nachzug von Familienangehörigen anerkannter Flüchtlinge vor allem aus Somalia und Irak ist die Anzahl der Großfamilien in den Unterkünften stark gestiegen. Die Stadt hat eigens einen Projektträger damit beauftragt, der für diesen Personenkreis dauerhafte Wohnungen finden soll.

Vor allem der starke Zuzug aus EU-Ländern, besonders aus Bulgarien, Polen und Rumänien, führt oft in die Wohnungslosigkeit, weil die Menschen kaum Chancen haben, ihren Lebensunterhalt und die Mieten zu finanzieren. Schlechte Deutschkenntnisse und mangelnde berufliche Qualifikationen eröffnen kaum Möglichkeiten, Arbeit zu finden.

Seit Juli 2011 bringt die Stadt nur noch Personen unter, die mindestens sechs Monate in München gemeldet sind. Ansonsten verweist die Stadt auf die Zuständigkeit der Herkunftsgemeinde für eine Unterbringung. Bei EU-Bürgern geht die Stadt seit September 2011 davon aus, dass sie noch Wohnraum in ihrem Heimatland haben, also nicht wohnungslos sind. Fast 500 Personen ist daher bereits die Notunterbringung versagt worden.

Ein besonderes Problem besteht auch darin, dass mehr als die Hälfte der Wohnungslosen, die Sozialwohnungsangebote erhalten, die Wohnung gar nicht ansehen (34 Prozent) oder ablehnen (20 Prozent). So bleiben etwa 650 Haushalte mit insgesamt etwa 1100 Personen länger in der Notunterbringung als nötig, was der Stadt Kosten in Höhe von elf Millionen Euro jährlich verursacht.

Im Wohnungsamt gibt es deshalb Überlegungen, etwa 20 zusätzliche Stellen zu schaffen und einen freien Träger einzubinden, um die wohnungslosen Haushalte stärker zu beraten, zu begleiten und zu unterstützen. Auch ist daran gedacht, bei mangelnder Mitwirkung, etwa wenn die Betroffenen angebotene Wohnungen gar nicht ansehen, die Unterbringung zu beenden.

Der Deutsche Städtetag hat bereits an das Bundesinnenministerium appelliert, die Probleme der Armutswanderung auf europäischer Ebene zu lösen. Die Folgen "der prekären Situation sind schon jetzt in vielen Städten sichtbar". Die Zuwanderer führten ein Leben auf niedrigstem Niveau, verschärft durch mangelnde Kenntnis des deutschen Gesellschaftssystems. "Das Gefährdungspotenzial für den sozialen Frieden in den Städten ist enorm."

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