Ü30-Party in München:Ein Flirt auf alle Fälle

Lesezeit: 3 min

"Gammelfleisch" auf der Tanzfläche? sueddeutsche.de war eine Nacht lang auf einer Ü30-Party dabei - und hat dabei interessante Beobachtungen gemacht.

Lisa Sonnabend

Um ein Haar wäre Stefan nicht reingekommen. Zu jung - und das mit 32! Doch der Türsteher hat glücklicherweise nicht nach dem Ausweis gefragt und so lehnt der Ingenieur nun im Münchner Club "Schlachthof" an der Wand und nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche.

Ü33-Party im Schlachthof: Kein jugendliches Imponiergehabe. (Foto: Foto: sonn)

Stefan ist das erste Mal auf einer Ü33-Party, Ü30-Erfahrung besitzt er dagegen schon einige. "Bei Ü30 Partys muss man nicht darauf achten, ob man die richtige Kleidung an hat wie bei vielen anderen Clubs in München", sagt Stefan, der an diesem Abend Jeans, Karohemd und eine rahmenlose Brille trägt.

Auf der Ü33-Party fühlt sich Stefan wohl. Er ist alleine gekommen, weil er morgen frei hat, aber leider keiner seiner Freunde. Stefan hat schon getanzt, zwei Bier getrunken und war zum Rauchen draußen. Kennengelernt hat er an diesem Abend noch niemanden, aber der Abend ist ja noch jung. Es ist 23 Uhr.

Wie jeden Montag haben im Schlachthof nur Menschen über 33 Jahren Zutritt, wie jeden Montag ist es ziemlich voll. Grüppchen stehen am Rand und unterhalten sich, auf der Tanzfläche wird bereits heftig getanzt. Ein Pärchen knutscht in der Ecke. Das Schwarzlicht lässt helle Kleidungsstücke leuchten - und davon gibt es an diesem Abend viele. Man könnte fast den Eindruck bekommen, weiße Jeans wären wieder in Mode. Und Karohemden, die in die Hose gesteckt werden.

Am Eingang bekommen die Gäste, von denen die meisten "Disco" statt "Club" sagen, einen Stempel. Im Inneren gibt es nicht mehr Sitzmöglichkeiten als in einem normalen Club. Doch statt Gin Tonic oder Wodka Bull wird im Schlachthof vor allem Weißbier, Sekt und Wasser getrunken. Die Gäste prosten sich zu. Gerade dröhnt Destiny's Childs "Independent Woman" aus den Boxen.

DJ James, der eigentlich aus New York stammt und vor allem auf Hochzeiten und Firmenfeiern auflegt, steht leicht erhöht auf einer Bühne. Von dort hat er einen guten Blick auf die Menge. "Tanzen ist eine verlernte Kunst", sagt er. "Ältere Menschen tanzen mehr und besser als jüngere." Deswegen legt DJ James gerne auf Ü30-Partys auf.

Hagen, 45 Jahre alt, sagt: "Das ist Musik, mit der man Erinnerungen an früher, an Jugendfreunde und Bekanntschaften verbindet." Er ist gemeinsam mit seinem Kollegen Stefan hier. Der blickt sich um und sagt: "Eigentlich müsste die Veranstaltung Ü45-Party heißen."

Oder Gammelfleischparty? Diese nicht gerade charmante Bezeichnung für Ü30-Partys hat es gar zum "Jugendwort des Jahres 2008" gebracht. Auch darüber, warum eine Ü30-Party ausgerechnet in einem Club, der Schlachthof heißt, stattfindet, werden im Münchner Nachtleben gelegentlich Witze gerissen.

Die meisten Gäste haben die 33 tatsächlich schon lange hinter sich. Viele haben graue Haare und Bauchansatz, nicht mehr alle Falten lassen sich überschminken. Der Älteste an diesem Abend ist 65. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis in München der erste Ü50-Club eröffnet. Eine Ü60-Party wird dann sicher auch nicht lange auf sich warten lassen.

Doch warum ziehen es die Gäste überhaupt vor, mit ihren Altersgenossen zu feiern und nicht mit Jüngeren? Warum ist hier für sie ein ungezwungeneres Tanzen möglich? Ingenieur Stefan sagt, ihn nerve das Imponiergehabe und die Angeberei jüngerer Partygänger. Angelika meint: "Mir gefällt es hier, weil alle genauso verrückt sind wie ich."

Es ist 0.00 Uhr. Angelika schaut ein wenig missmutig drein. Die 46-Jährige muss morgen um 6.30 Uhr aufstehen und zur Arbeit gehen. Ihr Partner liegt daheim im Bett und schläft. Sie steht mit zwei Freundinnen auf der Tanzfläche. Zwei Männer versuchen die Aufmerksamkeit der drei Frauen zu gewinnen, doch Angelika winkt ab. "Natürlich wird hier viel geflirtet", sagt sie später und nimmt einen Schluck Cola. "Die Männer sind aber fast alle sehr anständig und charmant hier." Angelika kommt jeden Montag hierher. Sie kennt inzwischen so viele Stammgäste, dass sie den Schlachthof ihr zweites Wohnzimmer nennt.

Michael dagegen ist das erste Mal hier. Er spricht eine Frau an, verwickelt sie in ein Gespräch über südamerikanische Rhythmen und reißt sie sogleich mit auf die Tanzfläche. Doch sie kommen schnell aus dem Takt.

Ü33-Party im Schlachthof, Zenettistraße 9, München, jeden Montag ab 21 Uhr.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ü30-Party in München
:Ein Flirt auf alle Fälle

"Gammelfleisch" auf der Tanzfläche? sueddeutsche.de war eine Nacht lang auf einer Ü30-Party dabei - und hat dabei interessante Beobachtungen gemacht.

Lisa Sonnabend

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: