U-Bahn München:Trotz Gleisstürze: Stadtwerke lehnen Warnsensoren ab

Mann stirbt nach Sturz aus U-Bahn

Immer wieder passiert es, dass Menschen auf die Gleise stürzen. Dann werden auch immer wieder Stimmen laut, die ein Warnsystem für die U-Bahn fordern.

(Foto: dpa)
  • Immer wieder stürzen Menschen in München auf U-Bahn-Gleise.
  • Für solche Fälle gibt Warnsysteme, doch nach einjährigem Testbetrieb haben die Stadtwerke festgestellt, dass diese den Verkehr zu sehr aufhalten würden.
  • Sie sind deshalb in ebenso weiter Ferne wie Bahnsteigtüren, die frühestens 2030 in München eingesetzt werden könnten.

Von Martin Bernstein

Plötzlich lag der Mann im Gleisbett der U-Bahnstation Fröttmaning. Fast erblindet habe er den glänzenden Stromabnehmer auf der anderen Seite der Gleise für den Sicherheitsstreifen gehalten, so erinnerte sich der 52-Jährige noch Jahre später an den Gleissturz. In letzter Sekunde konnte er sich retten. Seinen weißen Stock hat er seitdem immer in der Hand, wenn er unterwegs ist. In der Münchner U-Bahn wird er ihn auf jeden Fall auch in den nächsten Jahren brauchen. Denn technische Vorkehrungen, die Gleisstürze verhindern oder U-Bahn-Fahrer bei solchen automatisch warnen, sind in München derzeit offenbar nicht realisierbar.

Immer wieder stürzen Menschen auf die Gleise der U-Bahn. Manche sind betrunken, manche alt, blind oder gehbehindert. Und manchmal werden sie auch geschubst wie ein 59-Jähriger Ende April am Westfriedhof von einer wohl verwirrten Frau. Eine Notbremsung rettete dem Mann das Leben. Andere haben weniger Glück und werden vom Zug erfasst und schwer verletzt oder getötet.

Dann beginnt regelmäßig die Diskussion darüber, warum in München nicht möglich sein soll, was es anderswo gibt - elektronische Systeme, die den Gleisbereich scannen und U-Bahn-Fahrer automatisch warnen. Oder Sperren auf dem Bahnsteig, deren Türen sich erst öffnen, wenn die U-Bahn eingefahren ist. Am Dienstag präsentieren die Stadtwerke im Stadtrat das Ergebnis eines Testbetriebs. Ihr Fazit: Bisher gibt es kein System, das funktionieren würde, ohne den U-Bahn-Verkehr massiv zu beeinträchtigen. Und Bahnsteigschranken gingen nur, wenn Züge mit einheitlichen Türabständen eingesetzt werden. Das werde in München frühestens im Jahr 2030 der Fall sein.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), eine Tochter der Stadtwerke, hat ein Jahr lang am Rotkreuzplatz und in der Station Studentenstadt drei Systeme getestet: Radar- und Videosensoren sowie Laserscanner. Die Erfahrungen waren nicht ermutigend. "Jedes der drei getesteten Systeme erzeugte auch nach mehreren technischen Optimierungen einerseits Fehlauslösungen, andererseits wurden Ereignisse teilweise nicht detektiert", bilanzieren die Stadtwerke. Besonders schlecht waren die Resultate im Winter auf oberirdischen Bahnhöfen.

Die Aufsichtsbehörde bei der Regierung von Oberbayern ordnete daraufhin an, alle Einrichtungen wieder abzubauen. Lediglich Radarüberwachung an der unterirdischen Station Rotkreuzplatz wäre unter bestimmten Voraussetzungen möglich gewesen. Einen "massiven Sicherheitsgewinn" konnten die Experten nicht erkennen. Die Radarüberwachung von 215 Bahnsteigkanten würde laut Stadtwerke mehr als 60 Millionen Euro kosten, wäre zudem nicht flächendeckend möglich und würde wegen der vielen Fehlalarme einen zuverlässigen U-Bahn-Betrieb unmöglich machen.

Weil es bislang auch kein in Deutschland zugelassenes und für München geeignetes Bahnsteigtürensystem gibt, sind die MVG-Fahrgäste im Fall des Falles also weiterhin auf Schutzengel angewiesen. So wie ein betrunkener 55-Jähriger, der am Mittwoch am U-Bahnhof St.-Quirin-Platz ins Gleis geklettert und dort gestürzt war. Zwei Studenten retteten den Mann. Und brachten sich damit selbst in Lebensgefahr.

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