Turmstüberl:In der Tschüss-freien Zone

Der gebürtige Münchner ist selten geworden in der Innenstadt. Doch hoch oben im Isartor trifft man ihn noch - zwischen bayerischem Trödel, Hausmannskost und Petra Perle. Ein Besuch im Turmstüberl.

Anna Fischhaber

Auf dem Marienplatz knipsen Japaner das Glockenspiel, im Hofbräuhaus trinken Italiener bayerisches Bier und im Tal beschleunigen amerikanische Fastfood-Ketten den Ausverkauf der Stadt. Der gebürtige Münchner ist selten geworden in der Innenstadt. Doch hoch oben, im südlichen Flankenturm des Isartors, hat sich das Turmstüberl als Zufluchtsort für "Hiesige" etabliert. Es ist Trödelmarkt und Café, Kitsch und Kunst und eine ziemlich seltsame Mischung aus bayerischem Nippes, Hausmannskost und Petra Perle.

Turmstüberl: Aus den Lautsprechern schallen Schlager der zwanziger Jahre: Das Turmstüberl ist ein ganz eigener Ort in München.

Aus den Lautsprechern schallen Schlager der zwanziger Jahre: Das Turmstüberl ist ein ganz eigener Ort in München.

(Foto: Foto: af)

Wer einen Blick auf diesen Münchner Mikrokosmos werfen will, muss zunächst (kostenpflichtig) das Karl Valentin Musäum durchqueren. Vorbei am berühmten Wolperdinger und dem Nagel, an dem der Komiker den Beruf des Schreiners hängte, führt eine enge Wendeltreppe hinauf. 250 Kalorien verliert man angeblich auf diesen 79 Stufen. Genug also, um den Aufenthalt im Café bei einem Stück schwarzer Sünde (Schokoladenkuchen) oder Mutterkuchen (von einer echten Mutter gebacken) zu genießen.

Neben Kuchen werden den Gästen im Turmstüberl täglich einige ausgewählte Gerichte nach Hausfrauenart serviert. "Heute frische Gmiassubbn" steht dann etwa auf der Schiefertafel über der Ausgabe. Zu Trinken gibt es neben Augustiner, Wein und Kaffee auch allerlei bayerische Schnapserl wie Bär- oder Blutwurz. Coca Cola sucht man dagegen vergeblich. Das Turmstüberl ist ein bayerisches Lokal - bis zum Wasser aus bayerischer Bergquelle.

Doch der 58 Quadratmeter große, kreisrunde Raum lässt einem wenig Chancen, sich auf Essen und Trinken zu konzentrieren. Kaum ein Zentimeter, an dem nicht irgendetwas hängt - wie der Käfig mit dem Plastikfisch oder das alte Nudelholz. Über 400 Exponate beherbergt das Turmstüberl heute und ist damit selbst ein kleines Museum über dem eigentlichen Musäum.

Vom stattlichen Lohnkutschers Krenkl ("Wer ko, der ko") bis zum Nachbau des Schloss Neuschwansteins ist die Ausstellung ganz im Geiste des bayerischen Don Quichotte Valentin gahlten, der gerne die eine oder andere Ansicht auf den Kopf stellte. Kein Wunder also, dass selbst die Uhr am Isartor verkehrt herum geht.

"Vorsicht bissige Wirtin!"

Auch das Schild an der Eingangstür des Turmstüberls passt zu dieser Art von Humor: "Weiberwirtschaft. Vorsicht bissige Wirtin", wird hier gewarnt. Doch zu ernst sollte man das nicht nehmen. Petra Perle, multikreative Powerfrau, Schauspielerin, Politkerin, Schmuckdesignerin und selbst ein echtes Münchner Original, ist seit nunmehr fünf Jahren die gute Seele des kleinen Cafés.

Für ihr Turmstüberl stöbert sie immer wieder neuen Krimskrams auf, der der Kneipe seine individuelle Note gibt. Von der Speisekarte grüßt ihr Foto und auch ihren bayerischen Gedichten begegnet man überall im Lokal. Ob die Sprachakrobat Valentin wohl gefallen hätten? Lieber wäre er vielleicht auf einen der Gesangsabende gekommen, die die Wirtin regelmäßig veranstaltet, um die alten Traditionen des Volkssängerlokals zu pflegen.

Tagsüber schallen aus den Lautsprechern Schlager der zwanziger Jahre. Die alten Möbel stammen aus dem Café Größenwahn, in dem sich bis zum Ersten Weltkrieg die Münchner Bohème traf. Wer sich heute im Turmstüberl niederlässt, kann also sicher sein, dass auf denselben Holzstühlen mit dem mintgrünen Samtbezug auch schon Ringelnatz, Wedekind oder die Mühsams saßen.

Heute treffen sich hier neben Münchner Künstlern auch alte Damen beim Kaffeeklatsch und junge Burschen in Tracht. Wenn sich doch einmal ein Tourist hierher traut, wird er von Wirtin Perle freundlich mit "Griasdi, Fremder" begrüßt. Und damit auch die Verabschiedung reibungsfrei verläuft, erklärt ein rotes Verbotsschild das Stüberl zur "Tschüss-freien Zone".

Turmstüberl, Tal 50, 80331 München, Tel: 089/293762. Öffnungszeiten: Täglich außer Mittwoch und Donnerstag, 11.01 Uhr bis 17.29 Uhr, Freitag bis 21 Uhr.

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