150 Jahre TU München:Wissenschaftlich exzellent - und mit der Wirtschaft verbandelt

Wahrzeichen der Technischen Universität München: Der Oskar-von-Miller-Turm in Garching ist ein meteorologischer Messturm.

Wahrzeichen des Campus Garching: Der Oskar-von-Miller-Turm ist ein meteorologischer Messturm.

(Foto: Florian Peljak)
  • Die Technische Universität München feiert heuer 150-jähriges Bestehen.
  • Ihr jetziger Präsident, Wolfgang Herrmann, gestaltete die TUM maßgeblich.
  • Mit seinem Konzept der "unternehmerischen Universität" wurde die TU bei beiden Exzellenzinitiativen des Bundes und der Länder ausgezeichnet.
  • Ihre Nähe zur Wirtschaft brachte der TU auch Kritik ein.

Von Jakob Wetzel

Von der Spitze dieses Turmes aus betrachtet ist alles noch immer überschaubar. Zwei Häuserblocks belegt die Technische Universität (TU) hier, zwischen Luisen- und Arcisstraße in der Münchner Innenstadt, dazu ein knappes Dutzend kleinerer Gebäude. Viel kleiner war sie auch vor einem Jahrhundert nicht, als ihr Uhrenturm an der Gabelsbergerstraße noch neu war.

Heute ist dieser Turm das Wahrzeichen der Universität. Und wer hinaufsteigt, kann für einen Moment fast vergessen, dass aus der kleinen bayerischen Schule für Ingenieure und Architekten von einst eine der größten deutschen Universitäten und ein global präsentes Wissenschaftsunternehmen geworden ist.

Die TU feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen, und zum Jubiläum hat sie ihr Wahrzeichen nun restaurieren lassen. "Das war immer schon mein Traum", sagt TU-Präsident Wolfgang Herrmann. Der Uhrenturm gehörte zur ersten Erweiterung der Universität durch Friedrich von Thiersch, und er erinnere ihn daran, dass die Universität einmal ganz klein angefangen habe, sagt Herrmann.

Doch er steht nicht nur für das Vergangene, sondern auch dafür, wohin die TU steuert. Denn im Inneren hat sie einen holzvertäfelten Saal eingerichtet, das "Tschira-Forum". Herrmann will hier Gäste bewirten und künftige Stifter umwerben. Und wie der Name schon verrät, hat die 1,6 Millionen Euro teure Restaurierung nicht die TU bezahlt, sondern die Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira.

Es ist typisch für Herrmanns TU: Kaum eine deutsche Universität versteht sich so gut darauf wie sie, Geld von Firmen einzuwerben. Ihre Nähe zur Wirtschaft hat ihr zuletzt auch Kritik eingetragen: Erst in diesem Jahr etwa schloss sie einen Vertrag mit der Stiftung von Lidl-Gründer Dieter Schwarz, die ganze 20 Professuren für Betriebswirtschaft bis zur Emeritierung der Lehrstuhlinhaber finanziert - eine derart große Stiftung gab es in Deutschland bislang nicht. Alles laufe korrekt, Lehre und Forschung blieben unabhängig, versprach Herrmann. Kritiker warnten dennoch vor einem Dammbruch.

Die Kritik traf Herrmann auch persönlich, denn die Nähe zur Wirtschaft schreibt er selber groß. Herrmann will die TU international an die Spitze führen, und das geht nur mit Geld. In den knapp 23 Jahren seiner Amtszeit suchte er daher den Kontakt zu Firmen und ließ das Fundraising professionalisieren. Mit seinem Konzept der "unternehmerischen Universität" wurde die TU bei beiden Exzellenzinitiativen des Bundes und der Länder ausgezeichnet.

Herrmann hat der TU zahlreiche weitere Impulse verliehen; tatsächlich hat er die Universität geprägt wie keiner seiner Vorgänger. Unter ihm war die TU Vorreiterin bei der Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge, sie expandierte ins Ausland und führte Eignungsprüfungen für Studienbewerber ein.

Zuletzt öffnete Herrmann die Universität mit einem "Munich Center for Technology in Society" und einer neuen Fakultät für Politologie für die Sozialwissenschaften. Doch bei allem Reformeifer des langjährigen Präsidenten: Die Wirtschaftsnähe der TU reicht weiter zurück. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Universität.

Ludwig II. gründete die TUM

Gegründet wurde sie 1868 von Bayerns Märchenkönig Ludwig II. Dessen Königreich wurde damals gerade durch die Eisenbahn erschlossen, und weil man fürchtete, in der Industriellen Revolution womöglich technisch abgehängt zu werden, ruhten die Hoffnungen auf der "Polytechnischen Schule" oder "Technischen Hochschule" (TH), wie sie von 1877 an hieß; erst seit 1970 heißt sie "Technische Universität".

An der Arcisstraße in München sollten Ingenieure ausgebildet werden, die mit der Technik ebenso wie mit den Naturwissenschaften vertraut waren, um letztlich die Wirtschaft zu stärken. Die Aufsicht über die Schule lag beim Handelsministerium. Ziel der Polytechnischen Schule sei es, der "gewerblichen und industriellen Welt den zündenden Funken der Wissenschaft zu bringen", so habe es Karl Max von Bauernfeind formuliert, der erste Rektor, sagt Herrmann. Dieses Selbstverständnis pflege die TU bis heute: "Die Nähe zur Wirtschaft liegt in unseren Genen."

Heute zählt die TU knapp 41 000 Studenten und 544 Professoren; sie ist der engen Innenstadt lange schon entwachsen. Sie sitzt heute nicht nur in München, sondern auch in Garching, Weihenstephan, Straubing und in Singapur sowie künftig auch in Heilbronn. Schon jetzt studieren mehr als die Hälfte der TU-Studenten außerhalb Münchens. Und sobald der bereits beschlossene Umzug der Fakultät für Elektrotechnik nach Garching vollzogen ist, wird die Stadt im Norden Münchens mit dann etwa 20 000 Studenten größter Einzelstandort der TU München sein.

Angefangen hat es hingegen mit nur etwa 350 Lernenden, allesamt Männer, und zwei Dutzend Hochschullehrern. Unterrichtet wurde ausschließlich an der Arcisstraße. Doch dort versammelten sich nicht nur rasch renommierte Wissenschaftler, - bis heute zählt die TU 17 Nobelpreisträger zu ihren Professoren und Alumni - sondern diese erkannten auch früh die Gelegenheit, mit ihrer Forschung Geld zu verdienen. Den Anfang machte 1879 der Kältetechnik-Pionier Carl von Linde: Der Linde-Konzern mit seinem Milliardenumsatz sei letztlich die erste Ausgründung der TU, sagt Herrmann stolz.

Umgekehrt hat ihre Wirtschaftsnähe die TU auch kompromittiert. So wurde die Universität etwa 1943 zum "Kriegsmusterbetrieb" ernannt. Damit zeichneten die Nazis Betriebe aus, die sich für die Rüstungsproduktion einsetzten. Und tatsächlich stellte die damalige TH ihre Forschungskapazitäten umso mehr in den Dienst des Militärs, je weniger der Lehrbetrieb aufrechterhalten werden konnte. Und sie profitierte nachhaltig davon, dass die Nazis gezielt die Luftfahrt- und die Elektrotechnik förderten, und zwar besonders im Großraum München. Nach 1945 hatte der Zweite Weltkrieg der TH einen gehörigen Standortvorteil verschafft.

Wie geht es nun weiter? Man wolle eine "moderne technische Universität sein, im internationalen Vergleich, weil alles andere ja ein Schmarrn ist", sagt TU-Präsident Herrmann. Dazu gehöre auch ein enger Kontakt zur Wirtschaft, aber auch, die eigenen Denkgewohnheiten immer wieder in Frage zu stellen. Die Technikgläubigkeit etwa, mit der er selbst noch aufgewachsen sei, die sei "nicht mehr zeitgemäß". Man müsse sich auch den Risiken der Technik stellen. Auch deshalb sei es so wichtig, sich als TU den Geistes- und Sozialwissenschaften zu öffnen.

Herrmanns Amtszeit endet 2019, seine Pläne aber reichen weiter. In Garching sind neue Forschungszentren der TU und von Firmen geplant. Am 18. April, an Herrmanns 70. Geburtstag, beginnt dort auch der Bau des ersten Teilstücks der neuen Fakultät für Elektrotechnik. Die müsse rasch komplett fertig werden, sagt Herrmann. Man verhandle mit dem Ministerium gerade darüber, ob die TU mit einem privaten Bauträger selber bauen könnte, um Zeit und Geld zu sparen.

Und in Garching soll außerdem ein neuer Turm entstehen. Bei später einmal rund 20 000 Studenten und 5000 Mitarbeitern brauche man ein Besucherzentrum, sagt Herrmann. Ein Turm im Norden des Campus könne die Lösung sein, vielleicht zehn Stockwerke hoch. Studierende würden bereits Architektur-Skizzen anfertigen.

Dort könne es ein Zentrum geben mit Ausstellungen über neue Entwicklungen, kein Museum, mehr ein "Science Center". Oben könne die Verwaltung Büros beziehen. Und in der Mitte könne man Räume schaffen, in denen sich Absolventen treffen und ins Gespräch kommen könnten, sagt der Präsident, viele haben ja einflussreiche Posten in der Wirtschaft. Für den Turmbau zu Garching könnten die Alumni dann gerne auch etwas Geld beisteuern.

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