TU in Garching:Katalysezentrum ohne Boden

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Das Katalysezentrum der Technischen Universität in Garching ist immer noch eine Baustelle. (Foto: Florian Peljak)

Eigentlich sollte das Katalysezentrum in Garching schon 2012 eröffnen, doch dann häuften sich die Probleme - sogar der fertig verlegte Estrich musste wieder herausgerissen werden. Und das ist nicht das einzige Schwierigkeit, mit der die Chemiker und Physiker der TU zu kämpfen haben.

Von Sebastian Krass

Vor gut einem Jahr kündigte Wolfgang Herrmann der chemischen Fakultät einen Besuch von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) für die erste Jahreshälfte 2013 an. Anlass sollte die ursprünglich schon für 2012 anvisierte Eröffnung des größten Bauprojekts der Technischen Universität (TU) sein, deren Präsident Herrmann ist. Schließlich bezahlt der Bund die Hälfte der geplanten Baukosten von 57 Millionen Euro für das Katalysezentrum, von dem insbesondere die Chemiker und Physiker profitieren sollen. Dass es anders kam, liegt nicht nur daran, dass Schavan inzwischen keine Ministerin mehr ist.

Es liegt auch daran, dass es bis heute kein Katalysezentrum zu eröffnen gab. Beim Bau ist einiges schiefgelaufen, die Behebung der Probleme dauert bis heute an. Und die TU leidet unter dem wissenschaftlichen Flurschaden.

"Ich bin wirklich kein Kind von Traurigkeit, aber selten war ich so gut aufgelegt wie heute", sagte TU-Präsident Herrmann im Sommer 2009, als der Grundstein gelegt wurde. Heute sagt er: "Wir hecheln auf dieses Gebäude hin." Es ist für Herrmann auch deshalb ein Herzensanliegen, weil er selbst aus der Katalyseforschung kommt. Weil Katalysatoren dazu beitragen, in der chemischen Produktion Energie und Rohstoffe zu sparen, sei dieser Bereich "grüne Chemie", betont er.

Mit dem Plan, ein Zentrum für die Erforschung von Katalysatoren zu schaffen, hat die TU nicht nur den Freistaat überzeugt, sondern auch den Wissenschaftsrat, der dem Projekt bundesweite Relevanz attestierte und damit die Förderung aus Berlin ermöglichte. "Es soll das thematisch umfassendste Institut zur Katalyse in Europa werden", sagt Herrmann.

Der Neubau hat 6000 Quadratmeter Laborfläche, er soll 330 bis 340 Mitarbeiter aufnehmen. Die Labore sind fertig eingerichtet und betriebsbereit. Doch vor einem Jahr stellte sich heraus, dass bei den Böden Baufehler passiert waren. Nach einem Gutachten war klar: Die Mängel sind so gravierend, dass in sämtlichen Fluren des Gebäudes, mehr als 1500 Quadratmeter, der Estrich wieder herausgerissen werden musste, samt darin verlegten Heizungsrohren. Damit Dreck und Staub keinen Schaden an der Technik anrichten, mussten die Labore zuerst aufwendig abgedichtet werden. Die Neu-Verlegung des Estrichs läuft noch.

"Es ist selbst für einen Laien unbegreiflich, wie so etwas passieren kann", sagt Herrmann. Gero Hoffmann, beim Staatlichen Bauamt für TU-Gebäude verantwortlich, sagt, dass die extern beauftragte Bauleitung "früher drauf hätte kommen können, dass da etwas schief läuft".

Entsalzungsanlage schlug leck

Im Juli tauchte das nächste Problem auf. Eine betriebsbereite, aber ungenutzte Entsalzungsanlage schlug leck. Salzhaltiges Wasser versickerte im Boden. In der Chemie-Fakultät kursierte das Gerücht, tragende Elemente im Untergrund könnten korrodieren und statische Probleme auslösen. Auch im Gespräch mit dem Bauamt sollen solche Befürchtungen immer wieder aufgebracht worden sein, obwohl sie aus dessen Sicht längst per Gutachten widerlegt sind. Offiziell sagt nun auch die TU, es sei kein großes Problem. Man müsse nur auf zusätzlichen etwa 100 Quadratmetern den Boden erneuern.

Das dritte Problem ist die äußere Gestaltung des Katalysezentrums. "Wir hatten den Ehrgeiz, erstmals im Hausbau mit Carbon-Composit-Platten zu arbeiten, wie sie sonst in Autos und Flugzeugen verwendet werden", erzählt TU-Präsident Herrmann. "Das wäre elegant gewesen." Und eine Prestigesache für eine Technische Universität. Das Bauamt ließ sich auf die Idee ein. Doch "die Brandschutztests waren nicht wirklich gut", sagt Gero Hoffmann.

Ein potenziell brennbares Material an der Fassade eines Laborgebäudes, in dem es per se eine gewisse Brand- und Explosionsgefahr gibt? Undenkbar. Im Sommer wurde der Vertrag mit dem Carbon-Lieferanten aufgelöst. Nun wird es eine Aluminiumfassade. "Aber auch die wollen wir architektonisch anmutig haben", sagt Herrmann.

Und wer ist nun für das ganze Chaos auf der Baustelle verantwortlich? Die TU sagt, sie könne nichts dafür. Auch das Bauamt sieht sich nicht in der Verantwortung. Man habe den Auftrag komplett an Externe vergeben, das sei üblich so, erklärt Gero Hoffmann. Der Freistaat werde versuchen, entstandene Zusatzkosten von den beauftragten Firmen zurückzuholen. Insgesamt bewege sich das Projekt aber nach wie vor im geplanten Kostenrahmen.

Der wissenschaftliche Schaden, den die TU davonträgt, ist nicht zu beziffern. Forschungsprojekte hängen fest, und auch bei der Personalsuche tun sich die TU-Chemiker schwer. Zum Beispiel beim Lehrstuhl für Anorganische Chemie, den bisher Wolfgang Herrmann innehatte, nun aber mit 65 Jahren aufgeben muss - auch wenn er als Uni-Präsident weiter wirkt. Zum Nachfolger hatte er eines seiner wissenschaftlichen Ziehkinder erkoren: Reiner Anwander, Professor an der Uni Tübingen. Doch der habe wegen der nach wie vor fehlenden Infrastruktur abgesagt, bestätigt Herrmann, wenn man ihn danach fragt. Den Ärger will er sich nicht anmerken lassen. "Es gibt auf der ganzen Welt exzellente Leute", schiebt er hinterher.

Derzeit plant die TU, im Frühjahr 2014 das Katalysezentrum zu beziehen. Im Sommer dann soll es die offizielle Eröffnung geben, mit einem Besuch von Johanna Wanka (CDU), Annette Schavans Nachfolgerin als Bundesbildungsministerin. "Wir werden ihr bei der Terminplanung einen Zeitraum von einer Woche anbieten", kündigt Herrmann an, "dann bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als zu kommen."

Gelöst wären die Probleme der TU-Chemiker damit aber nicht. Denn ihr in die Jahre gekommenes Stammgebäude, das direkt an das Katalysezentrum angrenzt, ist zwar für mehr als 20 Millionen Euro saniert worden. "Aber fertig ist es damit nicht", sagt Gero Hoffmann vom Bauamt. Es fehle eine neue Fassade, "die alte wird immer undichter".

© SZ vom 31.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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