Trudering:Luxus in Sprechblasen

Mit seinem Kunstprojekt "Promises / Versprechen" will Maximilian Erbacher die Immobilienbranche entlarven, die Menschen mit leeren Slogans unter Erfolgsdruck setzt. In vier Stadtbezirken stellt er seine Schilder auf

Von Laura Zwerger, Trudering

Sonderbar und unpassend erscheint einem das große Schild zunächst: "Before the last are taken book your space in the sky", steht da in Großbuchstaben schwarz auf weiß: "Buchen Sie ihren Platz im Himmel, bevor die letzten weg sind." Der Künstler und Bildhauer Maximilian Erbacher hat den Schriftzug am Truchthari-Anger in Kirchtrudering auf ein großes Baustellenschild gedruckt, um damit auf ein Problem aufmerksam zu machen: "In München zu wohnen, kann man sich so nicht mehr leisten", sagt der 45-Jährige. "Luxus bedeutet hier schon die Frage, wer überhaupt Zugang zu Wohnraum in der Stadt hat." Er selbst ist momentan auf Wohnungssuche in München, voraussichtlich wird er jedoch erst einmal in Rosenheim bleiben müssen - die Preise seien zu hoch für sein Künstler-Einkommen.

Die Idee zu dem Kunstprojekt "Promises /Versprechen", bei dem er im Münchner Raum in jeder der vier Himmelsrichtungen solche sogenannten Groß-Displays aus Holz aufstellt, hatte Erbacher bereits 2014 während seines Aufenthalts in der südindischen Stadt Bangalore. Dort lockten riesige Banner der Immobilienfirmen die ländliche Bevölkerung mit Versprechen von Luxus und Eleganz in die Stadt - die meist leeren Beteuerungen und die hohen Mietpreise trieben viele Menschen jedoch auf längere Sicht in den Ruin.

Durch solchen Schein von Luxus herrsche ein enormer Druck, erfolgreich zu sein und genügend Geld zu verdienen, so Erbacher. Die Situation in Bangalore schien dem Künstler auch mit München vergleichbar zu sein. "München hat einen ähnlichen Druck", sagt er. "Wenn man durchrechnet, was man im Monat hier an Miete und sonstigem braucht, dann bleibt nicht mehr viel übrig."

Daher möchte Erbacher nun auf diese Problematik aufmerksam machen, und um dabei so nahe wie möglich an der Realität zu bleiben, schreibt er ausschließlich originale Immobilienslogans auf seine Schilder. Er hat sie über die Jahre gesammelt und ohne die üblichen Bilder, Firmenlogos oder Kontaktinformationen abgedruckt - so bleiben letztlich nur die leeren Versprechen der Firmen übrig.

Trudering: Original-Werbesprüche ohne Foto und Firmen-Logo druckt Maximilian Erbacher auf seine Schilder.

Original-Werbesprüche ohne Foto und Firmen-Logo druckt Maximilian Erbacher auf seine Schilder.

(Foto: Claus Schunk)

Neben dem Schild in Trudering steht seit diesem Montag ein weiteres an der Wolfratshauser Straße Ecke Noelstraße in Obersendling. Darauf prangt: "Dive into the experience - reserved for the chosen few", also etwa "Tauchen Sie ein in das Erlebnis - reserviert für die wenigen Auserwählten". Der Künstler ergänzt: "Das Schild steht dabei stadteinwärts blickend." Für Betrachter, die Richtung Zentrum unterwegs sind, werde auf diese Weise die Aussage mit dem Luxus, in der Innenstadt zu leben, in Verbindung gesetzt. Alle Sprüche belässt Erbacher in englischer Sprache. Sie sollen den originalen Immobilien-Jargon, wie man ihn weltweit finden kann, widerspiegeln.

Sein Kunstprojekt "Promises/Versprechen" wird vom Kulturreferat München gefördert, denn es ist eines der sechs ausgewählten Projekte der diesjährigen Reihe von Kunst im öffentlichen Raum. Das Kulturreferat hat unter dem Motto "München - dezentral" aus 90 Bewerbern sechs Künstler ausgewählt, die sich mit Quartieren und Stadtvierteln fern der Innenstadt auseinandersetzen sollen. Daher beschäftigt sich Erbacher neben seinen Kunstschildern auch mit der Gestaltung der jeweiligen Stadtviertel, in denen er seine Banner aufgestellt hat. Einmal pro Quartier führt der Künstler interessierte Münchner durch das Gebiet und zeigt bei einer Stadtteilwanderung die verschiedenen Gesichter und Phasen urbaner Entwicklung.

Zum Auftakt lud Erbacher im Mai zu einem Spaziergang in Trudering ein. Etwa 20 Teilnehmer starteten vom Familienzentrum aus zu einem Marsch vorbei an Neubausiedlungen, Obstwiesen und dem alten Flughafengelände - bis hin zu Erbachers Schild. "Die Verbindung von Installation und Stadtteilwanderung führt dazu, dass man den Stadtteil ganz anders kennenlernt", erklärt Kerstin Möller vom Kulturreferat. Sie hat die Planung des Projekts von Anfang an begleitet und lobt an der Umsetzung besonders den interaktiven Aspekt.

Trudering: Spaziergänge zu Erbachers Kunstwerken bilden den interaktiven Teil des Projekts.

Spaziergänge zu Erbachers Kunstwerken bilden den interaktiven Teil des Projekts.

(Foto: Claus Schunk)

Der menschliche Einfluss steht für Erbacher bei seiner Arbeit im Vordergrund, besonders Neubaugebiete faszinieren den Künstler: Laufe man durch solch Gegenden, dann sei man nicht weit davon entfernt zu glauben, "man wäre Teil derjenigen 3D-Simulation der Zukunft, wie sie auf großformatigen Bautafeln dargestellt wird", so Erbacher. Kritisch hinterfragt er die Namen der Wohnanlagen - wie "Alpenglühen" oder "Sternenhimmel" - und die damit einhergehenden Assoziationen.

Nach der Auftaktwanderung in Trudering wird Maximilian Erbacher auch in Obersendling, Aubing und Am Hart Führungen hin zu seinen Kunstwerken anbieten. Dabei soll die Führung mit Geschichten von Anwohnern angereichert werden und sowohl einen Blick in die Vergangenheit bieten als auch einen in die Zukunft.

Die nächste Führung zum Kunstprojekt "Promises / Versprechen", diesmal in Obersendling, findet am Sonntag, 12. Juni, von 14 Uhr an statt. Treffpunkt ist die Konditorei Schmidhofer, Boschetsrieder Straße 118.

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