Trudering:Kurzes Gras, stumme Tiere

Mithilfe des Städtebauförderprogramms Aktive Zentren ist an der Truderinger Straße eine Grünanlage realisiert worden. Allerdings gehen die Meinungen der Eltern, ob sie für spielende Kinder geeignet ist, ziemlich weit auseinander

Von Helena Ott, Trudering

Am Aussehen der neuen Grünanlage an der Truderinger Straße 321 scheiden sich die Geister: "Für einen Naturerlebnisraum für Kinder, wie er uns versprochen wurde, finde ich es viel zu ordentlich und geradlinig", urteilt die junge Mutter Alexandra Dittmarl. In der Tat erinnert die jüngst vom Baureferat eingeweihte Fläche an den sanft-hügeligen Ausschnitt einer Golfanlage. Auch der Rasen passt ins Bild: sattgrünes, auf gleiche Länge getrimmtes Gras. Die Kinder nutzen sofort die Gelegenheit, um ihre Schuhe loszuwerden und das Gelände barfuß zu erkunden.

Trudering: Die Figuren bleiben, doch die vielseitig einsetzbaren Schaumstoffwürfel stehen leider nur am ersten Tag zum Spielen bereit.

Die Figuren bleiben, doch die vielseitig einsetzbaren Schaumstoffwürfel stehen leider nur am ersten Tag zum Spielen bereit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die bisher namenlose Grünanlage ist das erste Projekt des Städtebauförderprogramms Aktive Zentren, mit dem die Lebensqualität in Trudering aufgewertet werden soll. Michael Menzer findet den Anfang gelungen: "Das ist genau das, was Trudering gebraucht hat, so stellt man sich das vor", freut sich der 33-Jährige, dessen Sohn gerade den Hügel hinunter kugelt. Doch während rund zwanzig Kinder den kleinen "Jägerturm" besteigen und ausgelassen mit den für die Eröffnung ausgelegten Schaumstoffklötzen spielen, gehen einige Eltern hart mit der Gestaltung der Anlage ins Gericht: "Mir fehlen hier die Spielgeräte; ich frag' mich, was meine Kinder hier spielen sollen", äußert die zweifache Mutter Eva Lehmair ihre Enttäuschung über das lange erwartete Ergebnis. Laut dem Planer der Anlage, Matthias Kroitzsch, sind bewusst keine Standardspielgeräte installiert worden, um ein "naturnahes und fantasievolles" Spielen anzuregen. "Wir wollten hier kein abgespultes Spielen - man rutscht dreimal und das war's dann." Deshalb hat Kroitzsch sich entschieden, neben einem Steinkreis zum Sitzen, dem Grashügel, einem kleinen Kletterturm nur noch vier Tierskulpturen - Wildschwein, Igel, Hase und Fuchs - auf dem Gelände zu installieren. "Auch hier war es uns wichtig, nicht auf den üblichen Kitsch zurückzugreifen, sondern etwas Geschmackvolles zu finden." Die ein bis zwei Meter hohen Tiere aus farbigem Beton sind eigens von Künstler Michael von Brentano angefertigt worden. Ein Exemplar kostet laut Planer Kroitzsch mehrere Tausend Euro. Die Eltern wissen auch hier nicht ganz, was ihre Kinder damit anfangen sollen. Zu Unrecht? Haben sie das Spielen selbst vielleicht längst verlernt? Wenn man die vierjährige Sarah Rieger fragt, was ihr am besten "im neuen Garten" gefällt, antwortet sie prompt "die Tiere" und deutet auf den grauen Bären, der eigentlich ein Wildschwein darstellen soll. Was bei den offiziellen Reden der Eröffnung keiner beim Namen nennt, ist, dass der sparsame Einsatz von Spielgeräten nicht primär von einer pädagogischen Idee herrührt, sondern mehr von einem Interessensausgleich: Viele Anwohner - die Anlage ist abgesehen vom Kindergarten am Schmuckerweg umringt von Wohnhäusern - äußerten in den beiden Beteiligungsverfahren 2014 ernste Bedenken über die zukünftige Lautstärke des Kinderspiels auf der benachbarten Anlage. So haben sich Planungs- und Baureferat schließlich dazu entschieden, nur wenig Spielgerät, "das nicht zur Wildheit anregt", in die Anlage zu integrieren.

Trudering: Truderinger Kinder machen sich mit den Skulpturen auf der frisch eröffneten Grünanlage vertraut:

Truderinger Kinder machen sich mit den Skulpturen auf der frisch eröffneten Grünanlage vertraut:

(Foto: Stephan Rumpf)

Ebenfalls war der Grashügel während der Planung schon einmal größer bemessen - auch hier fielen die Interessen der Anwohner nördlich der Anlage ins Gewicht. Sie hatten Angst, dass die Kinder auf dem Hügel oder dem "Jägerturm" ihnen direkt ins Schlafzimmer schauen könnten - das war's dann mit einem Berg, der im Winter auch zum Schlittenfahren brauchbar ist. Skeptisch waren zunächst auch die Bewohner der geförderten Wohnanlage an der Truderinger Straße 323-327: Ulrich Riedel vom Planungsreferat hatte sich vorgestellt, dass deren kleine Gartenstreifen ohne Zaun direkt in die Grünanlage übergehen. Doch die Bewohner winkten ab - ein hüfthoher Gartenzaun musste her. Bisweilen hat er noch nicht einmal ein Tor zur Grünanlage. Doch das könne man noch nachrüsten, erklärt Ulrich Riedel in der Hoffnung, dass das Areal auch zu einer besseren Integration der Bewohner der geförderten Wohnungen beiträgt. Einige von ihnen beobachten die Eröffnung von der anderen Seite des Zauns aus: Afzali Gulam, der vor 20 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland kam, findet das neue Grün "zu 100 Prozent besser als vorher" - früher fand er vor seinem Gartenstreifen eine verwilderte Brachfläche vor.

Der Grünanlage sollen noch weitere Schritte folgen, Trudering attraktiver zu gestalten: "Tempo 50 darf auf der Truderinger Straße auf keinen Fall bleiben", sagt Stadtrat Herbert Danner (Grüne) bestimmt. Doch auch hier gilt es, zuerst zwischen den divergierenden Interessen der Gewerbetreibenden - sie fürchten, dass Autofahrer wegen eines Tempolimits das Zentrum meiden - und den Bewohnern zu moderieren.

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