Trotz lebenslanger Haft:Mörder darf in seine Heimat

Nach nur acht Jahren Haftverbüßung wird Ilan T. noch in diesem Monat in sein Heimatland Israel überstellt. Eine Premiere für das Justizministerium.

Alexander Krug

Es war einer der spektakulärsten, längsten und aufwendigsten Prozesse der Münchner Justizgeschichte, ausgelöst durch einen Mord im südamerikanischen Andenstaat Peru: Am 7. Januar 1997 wurde die 34-jährige Ursula Glück auf dem Weg zur legendären Inka-Stadt Machu Pichu in ihrem Zelt erschossen. Ins Visier der Ermittler geriet bald ihr mitreisender Ehemann Ilan T., den die Biologin zwei Jahre zuvor trotz Bedenken ihrer Familie geheiratet hatte.

Die Mordermittler fanden heraus, dass der gebürtige Israeli vor der gemeinsamen Urlaubsreise fünf hochdotierte Lebensversicherungen auf seine Frau abgeschlossen hatte. Im April 1999 wurde Ilan T. festgenommen, im Januar 2001 begann am Münchner Schwurgericht der Prozess.

Der gelernte Flugzeugmechaniker bestritt die Tat von Anfang an. Nach seiner Version wurde das Paar im Zelt von Räubern überfallen, einer schoss seiner Frau in den Kopf. Die Indizien sprachen jedoch gegen ihn: Am 22. Januar 2002 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt, außerdem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Ilan T. setzte einige Hebel in Bewegung

Nach deutschem Recht ist damit eine vorzeitige Entlassung nach mindestens 15 Jahren Haft ausgeschlossen. Doch der heute 37-Jährige setzte offenbar in seiner Heimat viele Hebel in Bewegung: Der israelische Botschafter wurde mehrmals vorstellig, sowohl beim Bundes- als auch beim Bayerischen Justizministerium.

Letzteres lehnte eine Überstellung wiederholt ab. Laut Auskunft der Behörde stellte dann aber Justizministerin Beate Merk im Sommer 2005 in einem Gespräch dem israelischen Botschafter einen positiven Bescheid für Ende 2006 in Aussicht und bestätigte dies schriftlich.

Grundlage für die Überstellung eines rechtskräftig verurteilten Ausländers in seine Heimat ist das "Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen" von 1983. Nach dieser von vielen Staaten (auch Israel) ratifizierten und mehrfach modifizierten Übereinkunft werden alljährlich einige Dutzend rechtskräftig verurteilte Delinquenten in ihre Heimat ausgeliefert - Tendenz steigend: 2003 waren es laut amtlicher Statistik 127 Personen, 2005 bereits 207.

Die Vertragsparteien verpflichten sich zwar grundsätzlich, die verhängten Strafen untereinander anzuerkennen. Doch es gibt auch viele Ausnahmen, etwa die, dass jede Vertragspartei "im Einklang mit ihrer Verfassung" eine "Begnadigung, eine Amnestie oder eine gnadenweise Abänderung der Sanktion" gewähren kann (Artikel 12).

Was bedeutet dies im konkreten Fall des Ilan T.? Zuständig für Ilan T. ist die Strafvollstreckungsabteilung der Staatsanwaltschaft München I. Und hier beruft man sich auf "feste Zusagen", welche die Israelis dem Justizministerium gegeben hätten.

"Lebenslang hier heißt grundsätzlich auch lebenslang dort", sagt Oberstaatsanwältin Ulrike Marill. Ilan T. könne aber in seiner Heimat einen Antrag auf eine Umwandlung der lebenslangen auf eine befristete Strafe stellen, in Israel bedeute dies 30 Jahre Haft. Bei einem üblichen Straferlass von einem Drittel wäre Ilan T. in diesem Fall frühestens nach 20 Jahren wieder frei. Einen Einfluss auf die tatsächliche Dauer der Strafe, muss Marill einräumen, habe man aber nicht.

Isoliert in deutscher Strafhaft

Das Bayerische Justizministerium verweist darauf, dass es sich bei einer Überstellung grundsätzlich um eine "Ermessensentscheidung" der Justizverwaltung handle. Im Fall von Ilan T. habe der Gedanke der Resozialisierung eine wichtige Rolle gespielt. In deutscher Strafhaft sei er völlig isoliert, sämtliche Angehörige lebten in Israel.

Auch in anderen Fällen sei es im Interesse des Justizministeriums, "die soziale Wiedereingliederung verurteilter Ausländer in ihrer Heimat zu fördern", erklärte Behördensprecher Wilfried Krames auf Anfrage. Der Fall Ilan T. sei daher "kein Einzelfall", sondern entspreche der gängigen Praxis.

So oder so scheint man aber den Fall T. auch nach seiner Auslieferung genauer beobachten zu wollen. Immerhin ist es der erste bekannte Fall einer Überstellung eines Israelis. "Wir haben da keinerlei Erfahrungen", sagt Oberstaatsanwältin Marill. Das Justizministerium stellt auch klar, dass es "negative Auswirkungen" auf weitere Überstellungsanfragen habe, wenn Israel seine Zusagen nicht einhalte. "Davon", sagt Sprecher Krames, "gehen wir aber nicht aus".

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