Trauerfeier für Leo Kirch in München:Fast ein Staatsakt

Die Mächtigen von einst sind alt geworden. Bei der Trauerfeier für Leo Kirch tröstet Alt-Kanzler Helmut Kohl erst die Witwe - dann versagt ihm selbst die Stimme, als er sagt: "Wenn in Deutschland ein großer Mann geht, ist das Gerede groß."

Christian Mayer

Grauer und kälter kann kein Julitag in München sein, der heftige Regen vor der barocken Jesuitenkirche St. Michael treibt die prominenten Trauergäste an. Keiner will länger als nötig vor dem streng bewachten Seiteneingang verweilen, einige tragen dicke Mäntel. In der Kirche, wo bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Requiems die Reihen gut gefüllt sind, ist das Licht gnädig, vor dem golden glänzenden Hochaltar haben die Sänger Platz genommen.

Trauerfeier fuer Leo Kirch

"Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe deinen Namen gerufen, du bist mein": Die Gedenkkarte für Leo Kirch.

(Foto: dapd)

Rechts neben dem Sarg steht ein großformatiges Foto: Es zeigt Leo Kirch ohne Krawatte, er lächelt heiter mit halb zusammengekniffenen Augen - ein einprägsames Bild, das viele hier lange betrachten.

Es gilt, Abschied zu nehmen von Leo Kirch, dem Filmrechtehändler, Fernsehpionier und Medienunternehmer, der vergangene Woche im Alter von 84 Jahren in München gestorben ist. Schon bald stellt sich ein merkwürdiges Gefühl ein, man wähnt sich auf einmal wieder in den Jahren der Kanzlerschaft von Helmut Kohl, nur dass die Mächtigen aus Politik, Wirtschaft und Medien älter geworden sind: Die ehemaligen Bundesminister Theo Waigel und Michael Glos sitzen in den vorderen Reihen, außerdem Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, Kirchs langjähriger Anwalt Peter Gauweiler, Verleger Hubert Burda, Bayern-Präsident Uli Hoeneß, der Entertainer Harald Schmidt und Monika Hohlmeier, die Tochter von Franz Josef Strauß.

Pünktlich erscheint auch Helmut Kohl, der im Rollstuhl direkt vor den Sarg seines alten Freundes geschoben wird. Der Altkanzler wird begleitet von seiner Frau Maike Richter-Kohl und Kai Diekmann, dem Chefredakteur der Bild-Zeitung, der nicht von seiner Seite weicht.

Dies alles wirkt eher wie ein Staatsakt, weniger wie eine private Trauerfeier: Die Familie des verstorbenen Unternehmers betritt die Kirche von der Altarseite, Kirchs Ehefrau Ruth und sein Sohn Thomas, auch die Enkelkinder bleiben im Hintergrund. Anders als noch im Januar, als an gleicher Stelle die Trauerfeier für den Münchner Filmemacher Bernd Eichinger stattfand, sind diesmal keine Fernsehteams und keine Pressefotografen zugelassen; Kirchs langjährige Vertraute Jan Mojto und Dieter Hahn begrüßen jeden Gast persönlich.

"Er hat nie vergessen, wo er herkam"

Schon vor Jahren habe Kirch darum gebeten, ihn als "einfachen, katholischen Christen" zu beerdigen, sagt Pater Hermann Breulmann. "Er hat nie vergessen, wo er herkam", seine Herkunft aus einer unterfränkischen Winzerfamilie habe ihn geprägt. Breulmann beschwört die Trauergäste, "dem Toten sein Geheimnis zu lassen, ihm den letzten Respekt, die letzte Ehre zu erweisen."

Kirch liebte die Musik, ganz besonders den Komponisten Franz Schubert - und so erklingt nacheinander das Kyrie, das Gloria, das Credo und das Sanctus, gefolgt vom Gruß an die Gottesmutter. Katholischer kann ein Trauergottesdienst kaum sein, eine grandiosere Kulisse ist auch nur schwer vorstellbar. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Jesuitenpater Breulmann den Klassiker "La Strada", mit dem Kirch einst seine Karriere als Filmrechtehändler begann, als urkatholisches Werk interpretiert.

Verbündete mit den gleichen Gegnern

Fast hätte man es nicht mehr für möglich gehalten, dass am Ende tatsächlich Helmut Kohl das Wort ergreift, dem die Getreuen schon vor Beginn des Requiems die Hand geschüttelt hatten, es ist eine seltene Gelegenheit, den Altkanzler zu erleben. Kohl fällt das Sprechen seit seiner Erkrankung hörbar schwer, aber für seinen alten Weggefährten Leo Kirch macht er eine Ausnahme.

Trauerfeier fuer Leo Kirch

Alter Weggefährte: Helmut Kohl hält bei der Trauerfeier für Leo Kirch tief bewegt eine Rede.

(Foto: dapd)

Zunächst tröstet er die Witwe. Dann jedoch holt er weiter aus. "Es ist ja so bei uns in Deutschland: Wenn ein großer Mann dahingeht, ist das Gerede groß." Dieser Satz ist wohl auch als Generalabrechnung mit kritischen Medien gedacht, die den Unternehmer Kirch beim Zusammenbruch seines Imperiums nicht gerade sanft behandelt haben.

Kirch habe "unendlich viel Gutes getan in Wort und in Tat", er sei ein Mann der modernen Technik gewesen, "seiner Zeit weit voraus". Der Altkanzler legt auch offen, wo das Porträtfoto des lächelnden Leo Kirch entstanden ist, das rechts neben dem Sarg steht: Das Bild sei bei seiner eigenen Hochzeit gemacht worden, sagt Kohl tief bewegt. Im Mai 2008 hat der frühere Bundeskanzler im kleinsten Kreis geheiratet, Leo Kirch war sein Trauzeuge, die Söhne wurden per Telegramm benachrichtigt. Nicht wenige in der Kirche wirken in diesem Moment wie erstarrt, etliche weinen.

Jetzt ist es doch noch ein sehr persönlicher Abschied, weil natürlich jeder der alten Vertrauten weiß: Ohne Kohl hätte Kirch nicht diese einzigartige Karriere im deutschen Fernsehen gemacht. Und ohne Kirch wäre Kohl nach der CDU-Spendenaffäre sehr einsam gewesen; der Medienunternehmer organisierte damals eine Spendenaktion für den früheren Parteichef, und so konnte dieser die Strafgelder seiner Partei aus privater Tasche begleichen.

Doch diese Freundschaft muss tiefer gegangen sein, das wird an diesem Freitagmittag klar: Der Mainfranke Kirch und der Pfälzer Kohl waren politische Verbündete mit den gleichen Gegnern, konservativ-katholisch geprägt und bis zur Verschwiegenheit diskret, was private Dinge angeht. "Gott segne unsere Freundschaft, Gott segne diesen Freund", sagt Kohl am Schluss.

Das hätte Leo Kirch hundertprozentig gefallen", sagt der frühere ZDF-Intendant Dieter Stolte nach der Trauerfeier. "Lange Reden hat er nie gemocht, aber dieser Abschied wäre nach seinem Geschmack gewesen."

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