Transidentität:Vorsatz für 2017: Frau werden

Transidentität: Ihr offizieller Vorname lautet noch immer Heinz. Doch seit eineinhalb Jahren tritt Josefine Durner durchgängig als Frau auf.

Ihr offizieller Vorname lautet noch immer Heinz. Doch seit eineinhalb Jahren tritt Josefine Durner durchgängig als Frau auf.

(Foto: Catherina Hess)

Josefine Durner fühlt sich als Frau, auch wenn sie offiziell immer noch Heinz Josef heißt. Nun will sie eine Hormonbehandlung beginnen - und eine schwere psychische Krise endgültig überwinden.

Von Franziska Gerlach

Josefine Durners Vorsatz fürs neue Jahr ist nicht abzunehmen, sondern zuzunehmen. Ihre Hüften und ihr Po sollen langsam runder werden, das wünscht sie sich von Herzen. Dass die Hormone wirken. Ihre Blutwerte sind gut, nur ein Test steht noch aus, dann kann sie mit der Hormonbehandlung beginnen, die sie auch äußerlich ihrem Wunschgeschlecht angleichen wird: dem einer Frau. "Ich freu mich, wenn die Muskeln weggehen", sagt Josefine Durner.

Weil: "Ich hab' endsviele Muskeln." Stimmt schon: Durner ist tatsächlich gut gebaut. Und sie ist intelligent. Sie weiß, dass sie mit der Einnahme der Hormone ein Stück weit auch die Kontrolle über ihren Körper abgeben wird, dass die Hormone sie als Mann zeugungsunfähig machen werden. Ein Testosteron-Blocker wird das Wachstum ihrer Körperhaare verringern, die Östrogene können dann ihre Wirkung entfalten, die Haut wird dünner, die Gesichtszüge werden weicher.

Ein Hingucker ist Durner aber auch so mit ihren schlanken Beinen in der engen, schwarzen Hose, ihre Haare hat sie rot gefärbt, am rechten Handgelenk trägt sie den Stempel eines Münchner Clubs. Er ist ein wenig verwaschen und auf den ersten Blick so schwer zu lesen, wie Durner selbst. Die Transsexualität ist nur ein Aspekt in der Geschichte eines Lebens, das es in den vergangenen zwei Jahren nicht gut mit ihr meinte: Ihr Unternehmen musste Insolvenz anmelden, sie verlor ihren Anspruch auf Grundsicherung, finanziell ging es ihr irgendwann so schlecht, dass sie Hunger litt. Sie hatte Panikattacken, Angstzustände. Eine schwere psychische Krise. Anfang 2015 weist sie sich selbst in die Psychiatrie nach Haar ein, auch, weil sie schlichtweg nichts zu beißen hatte.

Der Zettel, auf dem sie ihre Ziele für das Jahr 2017 formuliert hat, listet die Hormonbehandlung nur als eines von vielen auf: Sie will den Autismus, an dem sie vermutlich leidet, diagnostizieren lassen, eine neue Geschäftsidee spukt ihr durch den Kopf, und auch bei der Linkspartei will sie sich engagieren. Vor allem aber möchte sie ihren Weg zum körperlichen Aussehen einer Frau weiter verfolgen, ihre Transition. Sie möchte sich ihren Ausschnitt dann nicht mehr mit Kondomen, in die sie Wasser gefüllt hat, auspolstern, sondern medizinische Brustprothesen anziehen, mit richtigen Nippeln. Auch die passende Größe hat sie sich bereits ausgesucht: eine gute Handvoll.

Schon jetzt drücken sich zarte Knospen durch ihr eng anliegendes T-Shirt, sie sind das Relikt der Hormonpflaster, die sie sich selbst in den vergangenen Monaten aufgeklebt hat. Sie lächelt, wenn sie von dem leichten Ziehen spricht. Denn das Ziehen signalisiert ihr, dass sich ihre Brüste verändern und weiter sprießen werden. Es entsteht Milchdrüsengewebe, und auch für erotische Berührungen wird sie empfindsamer werden. Wie ein Mädchen, das in die Pubertät kommt. Seit eineinhalb Jahren tritt sie durchgängig als Frau auf, seither nennt sie sich auch Josefine, auch wenn sie offiziell noch immer Heinz Josef Gerhard Durner heißt.

"Ich wollte einen guten, männlichen Mann abgeben"

Als solcher ist sie vor 43 Jahren auf die Welt gekommen. Doch in Heinz Durner rumort das Unbehagen mit dem Männlichen schon viele Jahre. Er konnte es nur lange Zeit nicht benennen. Aber er spürte, dass ihn das weibliche Vermögen zur Empathie fasziniert. Das Zarte. Die ersten Barthaare waren dagegen ein Schock. Sein Körper und er, so richtig gut kamen die beiden bislang nicht miteinander aus. Und obwohl Durner mit seinen ebenmäßigen, markanten Gesichtszügen zweifelsohne ein attraktiver Mann war, rissen sich die Frauen nicht unbedingt um ihn. Die hätten es stark und rau gewollt, sagt Durner. Aber auch Durner heiratet, bekommt drei Kinder. Funktionierte, jahrelang. 2008 trennte sich das Paar. "Ich wollte einen guten, männlichen Mann abgeben", sagt Durner. "Das ist mir aber nie gelungen."

Heinz Josef Durner studierte Maschinenbau und führte wohl das, was man als bürgerliches Leben bezeichnen würde. Etwas, womit Josefine Durner wenig anfangen kann. Sie verbindet Bürgerlichkeit mit ihrer Familie, und die wieder um verbindet sie mit Erwartungshaltungen und Unterwürfigkeit. Auch Ablehnung habe sie in der Vergangenheit oft erfahren, sagt sie. Wer immer welchen Anteil an den Konflikten hatte, klar ist: Josefine Durner hat viel gelitten. Und sie vermisst ihre Kinder, wünscht sich Kontakt zu ihnen. Nach zwei Gerichtsverhandlungen hat sie sowohl das Sorge- als auch das Umgangsrecht freiwillig an ihre Ex-Frau abgetreten. Will sie ihren Kindern schreiben, muss sie diese Briefe zuerst einem Anwalt vorlegen. Zu Weihnachten hat sie ein Päckchen von ihrer jüngsten Tochter bekommen. Ein Foto hat die heute Neunjährige auf die Postkarte geklebt und ein kleines Blechherz gebastelt. Ein Lebenszeichen, immerhin.

Zu viel Schminke? Nicht doch

Der Gedanke, dass ihre Kinder sich für sie schämen könnten, belastet Durner. Ihre ersten Versuche, auch äußerlich eine Frau zu sein, sind vorsichtig, mal trägt sie Nagellack, mal ein weibliches Parfum oder einfach nur figurbetonte, aber geschlechtsneutrale Kleider. Im Frühjahr 2015 geht sie das erste Mal in einem schlichten Baumwollkleid durch München. "Nach kurzer Zeit war es eine Überwindung, als Mann rauszugehen." Sie spricht leise, mit einem sanften Säuseln in der Stimme, ihre Kaffeetasse hebt sie mit einer eleganten Handbewegung an. Josefine Durner takelt sich mittlerweile augenscheinlich gerne auf. Die Lippen hat sie erdbeerrot angemalt, auf der glatt rasierten Wange prangt ein Schönheitsfleck über einer Schicht kräftigen Rouges. Zu viel? Nicht doch. Das sei wie bei den Schminkversuchen eines Teenagers, sagt Durner. Die Freude am eigenen Geschlecht ist groß, und alles will ausprobiert werden. "Das ist wie bei einem Nutellabrot", sagt sie, "das schmeckt auch am besten, wenn ganz viel Nutella drauf ist."

Eines Tages möchte Durner durch eine Operation auch ihre Genitalien denen einer Frau angleichen lassen. Die Frage danach bejaht sie jedenfalls ohne Zögern. Dennoch tastet sie sich langsam an ihr Wunschgeschlecht heran, auch, weil so eine Transition teuer ist. Ein paar hübsche Slips will sie sich zulegen, wie sie erzählt. Mittels Nadelepilation möchte sie sich die Barthaare entfernen lassen. Im Sommer einen Bikini tragen. Kleine Schritte, wenn auch wichtige. Bis heute fällt es Durner schwer, den Alltag zu meistern. Schon das Klingeln eines Telefons kann sie in Panik versetzen. Zugleich dudelt in ihrer Wohnung der Fernseher gegen die Einsamkeit an. Die Erinnerung an den Fall ins Bodenlose sitzt tief. Erst im geschützten Raum der Station für Borderline-Störungen in Haar hat sich Durner getraut, die Sehnsucht nach dem Weiblichen anzuerkennen. Und so zu leben, wie es sich stimmig für sie anfühlt - als Frau.

Peu à peu geht es seitdem aufwärts, auch dank ihres früheren Kontrabass-Lehrers, der ihr als Freund zur Seite steht. An manchen Tagen ist sie lieber zu Hause, an anderen ist sie in ihrem Viertel unterwegs, der Gegend um die Sonnenstraße. Sie mag das Pimpernel und die Favorit-Bar. Und den türkischen Friseur, bei dem sie sich die Augenbrauen machen lässt. In einem Schuhgeschäft an der Herzogspitalstraße hat sie sich ihr erstes Paar High Heels gekauft. Mit richtig hohen Absätzen. Weil nur die einer Trägerin diese besondere Haltung verleihen. "Die richten auf", sagt sie. Den Rücken gerade, das Haupt würdevoll erhoben. So möchte Josefine Durner durch das Jahr 2017 gehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: