Trans*-Tagung in München:Im falschen Körper

Der 24-jährige Kai-Moritz Gerstenberger ist transsexuell. Ein Gespräch über den langen Weg des Outings, die Probleme von jungen Transsexuellen und die Reaktionen der Eltern.

Lisa Sonnabend

Vom 14. bis 16. Mai findet in München die Trans*-Tagung statt, bei der sich Transsexuelle aus ganz Deutschland treffen. Kai-Moritz Gerstenberger, 24, hält dort einen Workshop zum Thema junge Transleute. Bei Diversity, dem Dachverband der LesBiSchwulen und trans* Jugendgruppen Münchens, der ein eigenes Jugendzentrum (JUZ) unterhält, betreut er außerdem die Jugendgruppe GTB (Girls*Trans*Boys) - für Mädchen und Jungs, die sich nicht oder nur teilweise mit ihrem angeborenen Geschlecht identifizieren können.

Transtagung München

Kai Moritz Gerstenberger: Mit 20 Jahren war er sich sicher, transsexuell zu sein.

(Foto: Foto: sonn)

sueddeutsche.de: Sie leiten eine Gruppe für junge Transsexuelle. Was sind deren größten Probleme?

Kai-Moritz Gerstenberger: Die Lage ist besser als noch vor ein paar Jahren, weil es mehr Aufklärung gibt. Aber gerade auf dem Land wissen einfach viele Jugendliche gar nicht, dass Transsexualität überhaupt existiert.

sueddeutsche.de: Das macht den Wunsch, sich zu "outen", wahrscheinlich nicht gerade leichter...

Gerstenberger: Genau, das Coming-Out bei Transsexuellen dauert meist deutlich länger als zum Beispiel bei Lesben oder Schwulen. Jeder weiß ja, dass es Homosexualität gibt. Und so checkt man natürlich schnell, wenn man sich in jemandem vom gleichen Geschlecht verliebt, dass man lesbisch oder schwul ist. Bis man jedoch merkt, dass man im falschen Körper ist, dauert es häufig deutlich länger.

sueddeutsche.de: Wie haben Sie gemerkt, dass Sie im falschen Körper sind?

Gerstenberger: Bei mir war es von Kindheit an immer ein bisschen komisch. Wenn ich für einen Jungen gehalten wurde, fand ich es ganz toll. Mit 15 oder 16 Jahren habe ich erstmals explizit etwas von dem Thema gehört. Von da an habe ich mich immer wieder damit beschäftigt - aber auch immer wieder versucht, es zu verdrängen. Erst mit 20 Jahren war ich mir dann ziemlich sicher und bin das erste Mal zu einem Therapeuten gegangen.

sueddeutsche.de: Was waren die nächsten Schritte?

Gerstenberger: Ich habe mich an eine Selbsthilfegruppe hier in München gewandt und mich mit ein paar Leuten getroffen, denen es ähnlich ging. Nach einem knappen Jahr Therapie habe ich dann mit Hormonen angefangen. Nach eineinhalb Jahren Therapie habe ich die Brust-OP gemacht. Dann habe ich meinen Vornamen geändert. Dafür braucht man zwei Gutachten von einem Psychologen oder Therapeuten.

sueddeutsche.de: Warum haben Sie Kai gewählt?

Gerstenberger: Der Name war einfach irgendwann da. Ich fand damals gut, dass Kai ein nicht ganz eindeutiger Name ist. Es gibt ja auch ein paar Mädchen, die Kai heißen. Außerdem ist er angenehm kurz.

sueddeutsche.de: Und mit zweitem Vornamen heißen Sie Moritz...

Gerstenberger: Den haben meine Eltern ausgesucht. Sie haben mir ja schließlich meinen ersten Namen gegeben, da wollte ich auch, dass sie meinen zweiten auswählen.

sueddeutsche.de: Mit der Namensänderung ist das Outing nicht mehr vermeidbar...

Gerstenberger: Im Studium habe ich es zwei Freunden erzählt und gesagt: 'Tragt es hinaus in die Welt.' Bei StudiVZ und anderen Communities im Internet habe ich einfach meinen Namen geändert - und so ging das Outing ziemlich schnell. Weil ich mich nur bei wenigen persönlich geoutet habe, kamen auch relativ wenige Fragen.

Lesen Sie weiter, wie die Eltern von Gerstenberger reagiert haben.

"Es gibt keine Eltern, die vor Freude in die Luft springen"

sueddeutsche.de: Sie haben einen Nebenjob. War das Outing im Arbeitsumfeld schwieriger?

Gerstenberger: Ich habe mich irgendwann mit meiner Chefin zusammengesetzt und ihr das erklärt. Sie fand es zwar ungewöhnlich, hat es aber total locker aufgenommen. Da hatte ich schon Glück.

sueddeutsche.de: Dann waren die Reaktionen alle positiv?

Gerstenberger: Ich hatte keine einzige wirklich negative Reaktion. Natürlich waren meine Eltern nicht begeistert, aber es war nicht so extrem überraschend für sie. Meine Mutter hat mich irgendwann von sich aus auf das Thema angesprochen, weil ich ein Buch über Transsexualität las. Sie hat dann direkt gefragt, ob es mich betrifft.

sueddeutsche.de: Nicht alle Eltern reagieren wahrscheinlich so verständnisvoll?

Gerstenberger: Es gibt keine Eltern, die vor Freude in die Luft springen. Die meisten Eltern haben erst einmal ein Problem damit. Aber das ist auch ganz berechtigt - denn auch wir brauchen ja erst einmal ein paar Jahre, bis wir es schaffen, dass wir uns klar werden.

sueddeutsche.de: Manche machen sicherlich schlechtere Erfahrungen als Sie...

Gerstenberger: Ja, leider. Manche Eltern verstoßen ihr Kind und wollen nichts mehr von ihm wissen. Es gibt auch Eltern, die die Sache komplett ignorieren. Ein Freund von mir lebt seit Jahren mit Hormonen und hat inzwischen Bart und alles. Doch seine Eltern reden ihn immer noch mit seinem alten Namen und weiblichen Pronomen an.

sueddeutsche.de: Was könnte da helfen? Mehr Öffentlichkeit?

Gerstenberger: Ich persönlich finde es gut, wenn das Thema bekannter wird. Dann muss ich mich nicht ständig erklären. Für diejenigen, die das Ganze hinter sich haben und dann ungeoutet leben wollen, ist es natürlich schwieriger. Denn je mehr Leute über das Thema Bescheid wissen, desto größer ist die Gefahr, dass man entdeckt wird.

München hat ein relativ breites Angebot für Transsexuelle. Es gibt zwei Selbsthilfegruppen - beim Verein Transmann und bei VIVA TS. Die Gruppe GTB (Girls*Trans*Boys) trifft sich jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat in den Räumen von Diversity, Blumenstraße 11. Sie versteht sich in erster Linie als Freizeitangebot. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen spielen beispielsweise gemeinsam Billard oder trinken Cocktails. Vorträge gibt es keine, um den Selbsthilfegruppen der Stadt keine Konkurrenz zu machen. Aber wenn jemand eine Frage hat, wird diese natürlich beantwortet. Mehr Informationen gibt es unter www.diversity-muenchen.de. Zur Homepage der Transtagung geht es hier.

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