Tram-Neubaustrecke:Erst der Wall, dann die Trasse

Tram-Neubaustrecke: Eine Betonröhre nach der anderen treiben die Arbeiter derzeit mit dem Bohrpfahlgerät in die Erde. Nach und nach entsteht so die geplante Stützmauer.

Eine Betonröhre nach der anderen treiben die Arbeiter derzeit mit dem Bohrpfahlgerät in die Erde. Nach und nach entsteht so die geplante Stützmauer.

(Foto: Michael Artur Koenig)

Die MVG verlängert die Tram bis zum Bahnhof Berg am Laim. Doch der Bau ist kompliziert: Zunächst müssen die Arbeiter die S-Bahn-Linie abstützen, bevor sie im kommenden Jahr die Gleise verlegen können.

Von Marco Völklein, Berg am Laim

So ein Bohrpfahlgerät sieht schon beeindruckend aus. Aus der Ferne betrachtet, also zum Beispiel von der S-Bahn-Station Berg am Laim aus. Wie auch aus der Nähe, wenn man direkt daran vorbeifährt an der Truderinger Straße. Ein riesiger Kran bringt eine gut fünf Meter lange Bohrschnecke in Position, Arbeiter bugsieren lange Röhren durch die Luft. Im Münchner Osten, direkt an den Gleisen der Deutschen Bahn zwischen den Bahnhöfen Berg am Laim und Leuchtenbergring, entsteht derzeit die neue Trambahntrasse nach Steinhausen. Genauer: Zunächst einmal errichten die Arbeiter eine Stützmauer entlang der bestehenden S-Bahn-Strecke. Erst in einem zweiten Schritt, der voraussichtlich Anfang 2015 beginnt, entsteht dann die eigentliche Trambahntrasse.

Begonnen hatte alles Anfang Juni. Damals rückten zahlreiche Lastwagen an und kippten Unmengen von Sand auf einen Teil der Truderinger Straße. Ein Bagger verteilte das Ganze großzügig auf der Fahrbahn und schaufelte es zu einem gigantischen Haufen auf. Eine große Walze schließlich verdichtete den Sand. Nach und nach entstand so ein Wall, der nach einigen Tagen bereits eine stattliche Höhe von gut drei Meter erreicht hatte - und das auf einer Länge von 200 Metern. Mittlerweile sind die Arbeiter beim nächsten Schritt angekommen - mit dem riesigen Bohrpfahlgerät errichten sie nun nach und nach die Stützmauer entlang der S-Bahn.

Haufenweise Beton

Der Wall war nötig, damit die Arbeiter das Bohrpfahlgerät optimal an die Böschung zur S-Bahn heranmanövrieren konnten. Dort thront das Gerät mittlerweile - und setzt nun einen Bohrpfahl nach dem anderen in den Boden. Dazu treiben die Arbeiter zunächst mit einer Bohrschnecke ein etwa fünf Meter tiefes Loch ins Erdreich; gleichzeitig wird ein Stahlrohr mit nach unten geführt. Anschließend wird die Bohrschnecke wieder herausgezogen, zurück bleibt das Stahlrohr. In dieses kippen die Arbeiter haufenweise Beton, dazu kommen Stahlarmierungen. Zieht man dann das Rohr heraus, bleibt ein Betonpfahl stehen, der tief im Boden verankert ist.

Anschließend beginnen die Arbeiter direkt daneben wieder mit der Prozedur: Bohrloch und Stahlrohr in den Boden treiben, Beton reingießen, aushärten lassen, Stahlrohr entfernen. Fertig. Nach und nach entsteht so eine Mauer, die sich aus vielen einzelnen, dicht an dicht stehenden Betonpfählen zusammensetzt. Die Mauer wiederum ist nötig, um den Bahndamm der S-Bahn abzusichern.

Denn damit die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) die neue Strecke von der Einsteinstraße bis zum S-Bahnhof in Berg am Laim verlängern kann, muss sie die neuen Tramgleise an einer etwa 200 Meter langen Engstelle in der Truderinger Straße relativ nahe an die bestehenden S-Bahn-Gleise heranführen. Ohne die Stützmauer könnte die MVG aber nicht die Tramtrasse quasi in die bestehenden Böschung hineinbetonieren.

Neue Strecke soll Ende 2015 in Betrieb gehen

Sobald die Mauer steht, rücken erneut Bagger und Lastwagen an - und tragen dann den Sandwall nach und nach wieder ab. Das wird wohl erst gegen Ende des Jahres der Fall sein. Erst dann können die Arbeiter mit dem Bau der eigentlichen Tramtrasse beginnen. Laut MVG laufen die Arbeiten derzeit voll nach Plan. Dieser ist dennoch ehrgeizig: Geht es nach MVG-Chef Herbert König, so will er gemeinsam mit OB Dieter Reiter (SPD) die neue Strecke zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 in Betrieb nehmen.

Planspiele

Die Tramstrecke nach Berg am Laim ist die derzeit einzige Neubaumaßnahme der MVG. Alle anderen größeren Tramprojekte werden noch geplant oder liegen auf Eis: So wird die Tramstrecke durch den Englischen Garten seit Jahren vom Freistaat und der CSU blockiert. Unklar ist zudem, wie es mit der geplanten Straßenbahn durch die Fürstenrieder Straße weitergeht: Die CSU lehnt sie ab, die SPD ist dafür. In ihrer Koalitionsvereinbarung haben beide Parteien einen Formelkompromiss gefunden, der offen lässt, ob das Projekt realisiert wird. Oder eben doch nicht. Im Herbst könnte eine (Vor-)Entscheidung dazu fallen. In weiter Ferne ist zudem noch die geplante Tramverlängerung von Pasing nach Freiham - zumal die im Rathaus ebenfalls äußerst umstritten ist. mvö

Über die neue Trasse soll vor allem das Neubaugebiet rund um den Vogelweideplatz besser an den öffentlichen Nahverkehr angebunden werden. Dort soll in den kommenden Jahren ein Ensemble aus mehreren Büro-Hochhäusern entstehen. Die Mehrzahl der Beschäftigten soll, trotz der günstigen Lage für Fahrzeuge direkt an der Passauer Autobahn, möglichst mit Bus und Bahn zur Arbeit pendeln.

Zuvor allerdings muss die Regierung von Oberbayern noch den Bau der Trasse genehmigen. Bislang nämlich liegt der MVG nur eine Vorabgenehmigung des Eisenbahnbundesamts (EBA) für die Errichtung der Stützmauer vor. Den Bau der eigentlichen Trambahnstrecke muss die Bezirksregierung erst noch absegnen. Doch einer solchen Genehmigung steht offenbar kaum etwas Schwerwiegendes im Weg: Mögliche Gegner der Trambahnverlängerung vom Max-Weber-Platz nach Steinhausen hatten bis zum 15. Juli die Gelegenheit, ihre Einwendungen bei der Bezirksregierung anzumelden. Nach Auskunft einer Sprecherin gingen bis dahin lediglich drei Einwendungen ein.

Ein Kritiker sieht nach Auskunft der Sprecherin Probleme bei "einer möglichen künftigen Gleislagenanpassung der S-Bahn-Linie S 8". Ein Anwohner macht "hinsichtlich der Ausführungen im schalltechnischen Gutachten Erläuterungsbedarf" geltend. Und ein Dritter hofft, dass die MVG sich die Option für eine Verlängerung der Trasse in Richtung Daglfing/Zamdorf offen hält. Diese Bitte hatte auch der Bezirksausschuss formuliert. Und die Planer der MVG haben grundsätzlich eine solche Erweiterung vorgesehen. Nun werden die Fachleute der Regierung über die Einwendungen entscheiden - und gegebenenfalls die Baugenehmigung, den Planfeststellungsbeschluss, erlassen. Die MVG jedenfalls erwartet, auch angesichts der wenigen Einwendungen, "eine rechtzeitige Genehmigung", wie ein Sprecher sagt.

Anschließend können die Baufirmen dann mit dem Bau der Gleistrasse, der neuen Haltestellen und der Wendeschleife an der Ecke Hultschiner Straße/Zamilastraße loslegen. Tatsächlich müssen die Arbeiter an die bestehende Tramtrasse in der Einsteinstraße nur etwa 1,3 Kilometer neues Gleis anstückeln, um die Straßenbahnen künftig bis zum S-Bahnhof Berg am Laim führen zu können. Dafür sind Baukosten von etwa 18 Millionen Euro veranschlagt.

Die MVG will dann vom Max-Weber-Platz aus die Linie 25 nach Berg am Laim verlängern. Dagegen allerdings regt sich Widerstand bei Fahrgastverbänden und Stadtteilpolitikern. Der Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr (AAN) zum Beispiel würde gerne das Tramnetz komplett umstrukturieren - und künftig die Linie 20 vom Westfriedhof kommend durch die Maximilianstraße und die Einsteinstraße bis zur Hultschiner Straße führen. Die MVG allerdings lehnt das aus Kostengründen ab.

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