Traditionsladen in München:Der Duft der kleinen Welt

Bescherung mit Bügeleisen und Küchenmesser: Seit Jahrzehnten behauptet sich der Haushaltswarenladen Suckfüll gegen alle Moden.

Wolfgang Görl

Alle Achtung, die Japaner! Was schneiden und sägen betrifft, haben sie deutlich die Nase vorn. Eben noch hatte Wolfgang Suckfüll sein Sortiment japanischer Küchenmesser präsentiert, edle und affenscharfe Schneiden aus Damaszenerstahl und nicht zuletzt deshalb ein Renner im Weihnachtsgeschäft, und jetzt führt er japanische Sägen vor, die herkömmlichen Sägen haushoch überlegen seien. "Die Schnittleistung ist sensationell", schwärmt Suckfüll. "Die haben eine wesentlich feinere Führung." Kein Wunder also, dass Frauen diese fernöstlichen Supersäger gerne auf den Gabentisch ihrer Männer legen, und sei es nur, um den Gatten diskret aufzufordern, mal wieder ein Werkzeug in die Hand zu nehmen.

Suckfüll

Seit 1932 besteht die Firma Suckfüll in München.

(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Aber auch Dampfbügeleisen würden als Weihnachtsgeschenk häufig gekauft, und auf die besorgte Frage, ob ein derartiges Präsent, das zur Hausarbeit geradezu auffordere, die beschenkte Dame verärgern könnte, findet Suckfüll eine beruhigende Antwort: Das mag zwar vorkommen, aber längst sei das Bügeleisen auch ein passendes Geschenk für Männer, ja, er kenne welche, die mit so großer Leidenschaft und Virtuosität bügeln, dass sie diese hochdiffizile Arbeit niemals einer Frau anvertrauen würden.

Wie sich die Zeiten geändert haben. Nach dem Krieg, in den späten vierziger Jahren, lagen noch aus Stahlhelmen gefertigte Kochtöpfe in den Regalen der Suckfülls, später dann, in den Fünfzigern, konnten sich die Leute wieder Besseres leisten, da kaufte man Porzellan, wertvolle Gläser und Bestecke, um sie als Zeichen neuen Wohlstands unter den Christbaum zu legen. Wolfgang Suckfülls Mutter Elisabeth, die in der Nachkriegszeit als Lehrling hier angefangen hat, erzählt mit großer Freude von den alten Zeiten, während sie im Fotoalbum blättert, wo auf Schwarz-Weiß-Aufnahmen Männer und Frauen in Arbeitskitteln zu sehen sind, aufgereiht in Reih und Glied wie zum Appell.

Einer der letzten dieser Art

Selbstverständlich sind auch Bilder von Karl Suckfüll dabei, der das "Detailgeschäft für Eisen- und Haushaltswaren" 1932 gemeinsam mit seinem Bruder Stefan gegründet hatte. Seither ist der Laden in der Türkenstraße ein Familienunternehmen, das mittlerweile in der dritten Generation geführt wird. Seit 1994 ist Wolfgang Suckfüll Chef des Hauses, das zu den letzten seiner Art in München gehört. An Samstagen, sagt er, "ist die Hölle los". Da geben sich die Bastler und Heimwerker die Klinke in die Hand, etwa um die Schraubenabteilung der Suckfülls anzusteuern.

Jede erdenkliche Schraube gibt es hier als Einzelstück, wohlsortiert in kleinen grauen Kunststoffschachteln. Eine ganz eigene Welt ist das, eine Welt, in welcher der Laie verloren wäre, hätte er nicht einen der vielen Fachverkäufer im Blaumann zur Seite. Was, bitte, sind Schlaufen und Krampen? Wozu dienen Federringe, Sturmhakenösen oder Senkköpfe? Und braucht man eine Zylinderschraube, um seinen Hut zu befestigen? Um in dieser Welt zu bestehen, bedarf es einer Grundausstattung an Werkzeugen, die Wolfgang Suckfüll individuell zusammenstellt.

Ein paar gute Schraubenzieher gehören dazu, Zangen, Seitenschneider, Hammer, Wasserwaage, die wichtigsten Gabelschlüssel und so weiter. In dieser Sache ist der Firmenchef unerbittlich: "Entweder man nimmt ein gescheites Werkzeug, oder man lässt es bleiben." Sein Vater, Günter Suckfüll, hat 1972 den Laden übernommen und sukzessive vergrößert. Als junger Mann hatte er noch die Zeiten erlebt, als in der Türkenstraße auf wenigen hundert Metern sieben Schreiner ihre Werkstatt hatten sowie etliche Schlosser. "In den fünfziger Jahren machten wir 70 Prozent des Umsatzes mit Handwerkern", erzählt er.

Kunden halten Treue

Überlebenskünstler

Suckfüll

Mitarbeiterin der Firma Suckfüll beim Auffüllen der Regale.

(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Alle sind sie verschwunden, nur die Suckfülls haben sich behauptet. Offenbar hatte Karl Suckfüll, der Gründer der Dynastie, eine gute Nase, als er im Alter von 29 Jahren den Entschluss fasste, sein Glück in München zu versuchen. Suckfüll stammte aus Franken, hatte in Schweinfurt eine Lehre als Eisenhändler absolviert und strebte nun an, sich mit seinem Bruder selbständig zu machen. In einer Annonce entdeckten sie das Eisenwarengeschäft Spring&Sohn in der Türkenstraße, das 1929 pleite gegangen war. Die Brüder übernahmen den Betrieb, Stefan Suckfüll stieg nach einigen Jahren aus. 1937 schien das Geschäft am Ende zu sein.

Die Deutsche Arbeitsfront hatte das Anwesen gekauft, der gesamte Häuserblock sollte abgerissen werden. Die Nazis, erzählt Günter Suckfüll, planten damals, das Areal in einen Aufmarschplatz für ihre Massenveranstaltungen auf dem Königsplatz zu verwandeln. Den Suckfülls hatten sie bereits gekündigt, doch dann brach der Krieg aus und die Pläne waren Makulatur. Teile des Anwesens fielen Bomben zum Opfer, finanziell hielt sich die Firma mit Lieferungen an Schreinereien über Wasser, die für die Wehrmacht Spinde bauten.

Einmal, in der schlechten Zeit nach dem Krieg, hat er einen großen Posten Nägel gekauft und die Ware mit der Auflage feilgeboten, die Kunden müssen Zeitungspapier mitbringen, um es zu Tüten zu falten. Die Menschen standen Schlange, jeder bekam eine Tüte voller Nägel. Solche Aktionen machten Suckfüll populär. Er gehörte nicht zu denen, die ihre Ware für viel Geld an Schwarzhändler verkloppten. Bei Suckfüll bekam man alles, was damals Mangelware war: Töpfe, Ofenrohre, Weckgläser, Werkzeug und Material zur Reparatur zerstörten Inventars.

"Der entscheidende Schritt"

In den folgenden Jahren florierte das Geschäft, und Karl Suckfüll verdiente so gut, dass er 1955 das Haus erwerben konnte. "Das war der entscheidende Schritt", sagt sein Sohn Günter. Jetzt lohnte sich der Umbau und die Modernisierung, vor allem aber war man unabhängig von der Entwicklung der Ladenmieten. Nicht zuletzt deshalb hat das Geschäft überlebt. Müsste er die ortsübliche Miete bezahlen, sagt Wolfgang Suckfüll, wäre er am Ende. Zum Sterben solcher "Gemischtwarenläden", in denen es Teller, Messer, Küchengeräte und Gartenutensilien ebenso gibt wie Werkzeuge, Türbeschläge oder Farben, haben nicht zuletzt die großen Baumärkte beigetragen.

Auch den Suckfülls haben die Megastores mit ihrer schreienden Reklame zu schaffen gemacht, und doch haben ihnen viele Kunden die Treue gehalten. Nicht wenige, sagt Wolfgang Suckfüll, sind wieder reumütig zurückgekehrt: "Viele haben die Schnauze voll von "Geiz ist geil". Die wollen ordentlich behandelt werden." Er hält mit qualifiziertem Personal dagegen, "bei uns bleiben die Mitarbeiter entweder sehr lange oder ganz kurz". Hin und wieder wird der Parkettboden mit einem Spezialöl eingelassen. Ein spezieller Duft erfüllt dann den Laden, und Stammkunden raunen sich zu: "Ah, es riecht nach Suckfüll."

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