Tourismus:Immer mehr Hotels in München - aber nicht genügend Gäste

Tourismus: Immer mehr Hotels bauen Unternehmer in München. Und ausgerechnet jetzt übernachten hier nicht so viele Gäste wie sonst.

Immer mehr Hotels bauen Unternehmer in München. Und ausgerechnet jetzt übernachten hier nicht so viele Gäste wie sonst.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • In München gibt es derzeit 69 000 Hotelbetten, pro Jahr kommen etwa 3500 hinzu.
  • Die Nachfrage hält allerdings nicht mehr mit dem Wachstum mit.
  • Selbst der Hotel- und Gaststättenverband kritisiert die Entwicklung.

Von Pia Ratzesberger

Die Kohlstraße überqueren oft Herren mit Rollkoffern, aus dem Europäischen Patentamt hinaus, hinein in ein kleines Hotel, an dessen Fenstern schwere Gardinen hängen und im Foyer noch Teppich liegt. Hotel Admiral. 33 Zimmer. An der Rezeption Susanna Wörle, sie führt das Haus. Sie seien gut ausgelastet, sagt sie, doch es werde schwerer, Zimmer zu einem Preis zu vermieten, zu dem sie verdient.

Immer mehr Hotels bauen Unternehmer in München, Tausende Betten. Und ausgerechnet jetzt übernachten hier nicht so viele Gäste wie sonst. Die Hoteliers werben also mit Preisen, bei denen längst nicht alle mithalten können, die Zimmer müssen voll werden. In einem Jahr kommen in München 3500 neue Betten hinzu.

Am Stiglmaierplatz hat vor Kurzem ein neues Hotel eröffnet, am Marienplatz in Pasing ist eines geplant, in der Parkstadt Schwabing, auch im früheren Kartoffelsilo von Pfanni beim Ostbahnhof - und das ist nur eine Auswahl. In München konkurrieren 417 Hotelbetriebe. Dem Konzern Accor gehören mehr als 30 Hotels in der Stadt, zu Accor gehören Sofitel, Novotel, Ibis, die Mercure Hotels, unter anderem. Der Konzern Intercontinental besitzt sechs Holiday Inn Hotels in München, Motel One bald acht Häuser, und einer, der all diese Bauten mit Argwohn sieht, ist Conrad Mayer vom Hotel- und Gaststättenverband.

Jemand, der Hotels vertritt, freue sich über mehr Hotels, könnte man meinen. Doch Mayer sagt: "Das Bettenwachstum ist zu extrem." In den Wochen, in denen wenige Gäste in der Stadt sind, unterbieten sich die Häuser. Doppelzimmer, die sonst 190 Euro kosten, sind plötzlich für 80 Euro zu haben. Zimmer, die sonst 80 Euro kosten, für weniger als 60 Euro. In den Osterferien etwa, als keine Geschäftsleute am Flughafen landeten und Läden an Feiertagen geschlossen blieben, seien "die Täler sehr tief gewesen", sagt Mayer. Immer tiefere Täler. Immer höhere Berge.

Wenn im Herbst die Wiesn beginnt oder im Frühjahr Messen wie die Bauma, versuchen Hoteliers reinzuholen, was zuvor in der Kasse fehlt. Im Hotel Admiral, gegenüber dem Europäischen Patentamt, vermietet Susanna Wörle ein Doppelzimmer mit Frühstück im Schnitt für um die 200 Euro. Der Preis aber geht manchmal um 30 bis 40 Prozent nach oben (Wiesn). Und dann wieder runter (nach der Wiesn). Wenn Wörle am Ende des Jahres abrechnet, muss sich das ausgleichen.

1100 mehr Betten als sonst

München ist eine Stadt, in die immer mehr Menschen ziehen und in der immer mehr Konzerne immer mehr Hotels bauen, selbst am Stadtrand feilschen Investoren um jede noch so kleine Fläche. Die statistischen Ämter erfassen nicht die Zahl der Zimmer, sondern nur die der Betten. Kamen sonst im Schnitt in jedem Jahr um die 2400 Betten hinzu, waren es im vergangenen Jahr 3500. 1100 mehr als sonst. In den kommenden Jahren müssten also fünf Prozent mehr Gäste in der Stadt übernachten, damit all diese Betten nicht leer blieben, heißt es aus dem Wirtschaftsreferat der Stadt, Fachbereich Tourismus. Bisher aber lag das jährliche Wachstum meistens bei um die zwei Prozent. Und gerade 2016 stagnierten die Zahlen ohnehin.

Terror in Brüssel, Terror in Nizza und dann noch der Amoklauf in München, Bilder von schwer bewaffneten Polizisten am Marienplatz schreckten Gäste ab, die Zahl der Übernachtungen von Reisenden aus dem Ausland sank um vier Prozent. Nur weil die Touristen aus dem eigenen Land trotzdem nach München reisten, sind die Übernachtungszahlen insgesamt nicht eingebrochen, das hätte die Hoteliers geschockt. Sie sind daran gewöhnt, dass Jahr für Jahr immer noch mehr Gäste kommen, lange mussten sie sich um ihre Buchungen nicht sorgen.

Viele Konzerne setzen auf den McDonald's-Effekt

Doch selbst im Bayerischen Hof ist das nun anders, in dem Palast am Promenadeplatz. Es sei bedauerlich, dass die Nachfrage nach Hotelbetten nicht parallel zum Angebot wachse, heißt es dort aus der Geschäftsführung, die "Preissensibilität" sei deshalb momentan besonders hoch, die Preise also schwankten besonders stark. Der Bayerische Hof hat 340 Zimmer, davon 65 Suiten, die Junior Site Deluxe kostet bis zu 1400 Euro die Nacht. Und trotzdem ist man hier genauso besorgt wie im Hotel Admiral mit seinen 33 Zimmern.

Dort stehen im Erdgeschoss Polstermöbel in Olivgrün und Blutrot, Vasen auf den Beistelltischen, Ölgemälde an den Wänden. Die Gäste sollen sehen, dass dies keines der Hotels ist, in denen die Räume ohnehin stets gleich aussehen, ob in Singapur oder Paris. Konzerne nämlich setzen auf diesen McDonald's-Effekt: Kennt der Gast von zu Hause, erkennt er in der Fremde wieder. Geht er hin.

Wörle aber setzt auf das Gegenteil, ihr Hotel trotzt den Low- Budget-Hotels, mit noch mehr Stoff und noch mehr Porzellan. Sie spürt auch jetzt, neun Monate nach dem Amoklauf, dass manchen Touristen München nicht mehr als sicher gilt, es reisen weniger Leute mit dem Flugzeug an. "Aber alles, was mit dem Auto kommt, steigt." Ein Doppelzimmer für 60 Euro mit Frühstück anzubieten, das lohne sich für sie nicht, für den Preis brauche sie das erst gar nicht hergeben, sagt Wörle. Conrad Mayer vom Hotel- und Gaststättenverband sagt: Die Stadt solle bei den Baugenehmigungen für Hotels in Zukunft genauer hinschauen.

69 000 Betten sind es jetzt in München. Im Hamburg sind es 59 000 Betten. Hamburg ist größer als München.

Fragt man bei der Stadt nach, heißt es dort, mit den Partnern aus der Tourismuswirtschaft, also auch Hoteliers, habe man sich auf ein Wachstum geeinigt, das für die Münchner "verträglich" bleibe. Der Stadtrat habe das verabschiedet, man wolle die Gastfreundschaft der Münchner nicht durch höhere und noch höhere Touristenzahlen gefährden. "Vor diesem Hintergrund in den Münchner Hotelmarkt zu investieren, ist eine unternehmerische Entscheidung", heißt es. Die wolle man nicht beeinflussen. Und könne man auch nicht.

In dem neuen Hotel in Pasing soll es 100 Betten geben, im Fasangarten soll schon im Mai ein weiteres eröffnen: 146 Zimmer.

69 000 Betten

haben die Hotels und Beherbergungsbetriebe in München. Das ist viel im Vergleich zu anderen Städten; das größere Hamburg zum Beispiel zählt 59 000. Und die Zahl der Hotelbetten in München wächst beständig, im vergangenen Jahr sogar um etwa fünf Prozent. Die Stadt hat sich mit der Tourismuswirtschaft darauf geeinigt, dass das Wachstum "verträglich" bleiben solle. Wer wie viel in den Hotelmarkt investiere, wolle und könne man aber nicht beeinflussen, heißt es aus dem Tourismusamt. Um Kunden konkurrieren in München mehr als 400 Betriebe. Das größte Hotel ist im Übrigen das Westin Grand im Arabellapark. Es hat nach eigenen Angaben 627 Zimmer.

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