Tourismus:Die andere Art der Herberge

Friends und Family Rooms, Frühstück in der Bäckerei, asiatisches Street Food: Mit dem "Vienna House R.evo" soll eine neue Linie entstehen, die sich vom konventionellen Hotel-Typus unterscheidet. Der Baubeginn in Neuperlach ist für Ende dieses Jahres geplant

Von Franz Kotteder

München bekommt ein weiteres Großhotel mit rund 600 Zimmern. Die Wiener Gruppe Vienna House, die bereits 34 Hotels in neun Ländern betreibt, will in Neuperlach noch in diesem Jahr mit dem Bau beginnen. Das "Vienna House R.evo" ist der Prototyp einer neuen Hotellinie, die neben normalen Zimmern auch komplett ausgestattete Studios anbietet sowie sogenannte Friends und Family Rooms, also vielseitig nutzbaren Gruppenräumen im weitesten Sinne. In den R.evo-Hotels soll man für eine Nacht, mehrere Monate oder auch nur für einen halben Arbeitstag einchecken können. Ein Einkaufsservice steht ebenso zur Verfügung wie E-Bikes und Carsharing.

Die Vienna-House-Gruppe ist in München bisher mit dem vergleichsweise konventionellen Business-Hotel Angelo am Leuchtenbergring vertreten. Das neue Münchner Haus soll laut Rupert Simoner, dem Vorstandsvorsitzenden von Vienna House, eine andere, moderne Art von Hotel werden: "Vienna House R.evo ist, wie die Menschen heute sind: mobil, unkompliziert, neugierig und aufgeschlossen." Man wolle hochwertiges Design, "technische Infrastruktur, urbanen Lifestyle und zentrale Lage miteinander verbinden".

Was die zentrale Lage angeht, stellt man sich München in Wien offenbar wesentlich größer vor, als es ist. Denn Neuperlach liegt in Wirklichkeit nun mal am östlichen Rand der Stadt und nicht in der Mitte. Immerhin: Mit der U-Bahn ist man auch in einer Viertelstunde am Hauptbahnhof. Allem Anschein nach rechnet man aber sowieso mehr mit Geschäftsreisenden und Messebesuchern als mit normalen Städte-Touristen. Denn die "Workspaces", also die Arbeitsbereiche, sind den Hotelplanern wichtig. Sie sollen sowohl von internen als auch externen Gästen genutzt werden können und sind mit allen notwendigen technischen Anlagen ausgestattet. Und viele Dienstleistungen lassen sich im R.evo in erster Linie über eine App auf dem Smartphone buchen: So kann man den Wäschetrockner ebenso wie die Trainingseinheit im Fitnessstudio oder den Tisch im Restaurant mit dem Handy buchen.

Die klassischen Bereiche eines Hotels wie Lobby, Rezeption, Wäsche- und Zimmerservice sowie Bar und Restaurants wird es ebenso geben, zum Teil aber anders als gewohnt. So kann man sich das Frühstück in einer Bäckerei oder in einer Art Wohnküche servieren lassen, im Restaurant setzt man auf Pop-up-Lösungen, es gibt dann zum Beispiel asiatisches Street Food oder österreichische Knödelvariationen an einzelnen Stationen.

Ende des Jahres ist Baubeginn auf dem Grundstück an der Carl-Wery-Straße, mit der Fertigstellung und Eröffnung rechnet Vienna House für Ende 2021. Das Unternehmen, das zum großen thailändischen Konzern BTS Group gehört, hat mit seinem neuen Hotelkonzept jedenfalls Großes vor. Nach München will man weitere Häuser in Budapest, Hamburg, Wien, Glasgow und Bangkok eröffnen. Pro Jahr sind mindestens drei neue Hotels geplant, heißt es aus der Wiener Zentrale.

Das Bauvorhaben in Neuperlach ist derzeit eines der größten auf dem Münchner Hotelmarkt. Ähnlich groß sind nur noch der Umbau des Oktavian-Turms auf der anderen Seite der Stadtgrenze in Unterföhring mit 597 sogenannten Serviced Appartments und das neue N2-Hotel an der Moosacher Straße mit 465 Zimmern. Beide Objekte werden von dem Projektentwickler Grundkontor errichtet und sollen noch in diesem Jahr eröffnet werden.

München ist sowieso einer der wachstumsstärksten Märkte in Deutschland, was Hotels angeht. Dies wird auch in einer neuen, am Donnerstag erschienenen Analyse der Beratungsgesellschaft Christie & Co. wieder bestätigt. Seit 2013 ist die Zahl der Übernachtungen in der Stadt um 24,7 Prozent gestiegen. Die Zahl der Hotels und Pensionen hat im gleichen Zeitraum um 1,5 Prozent pro Jahr zugenommen, die Zahl der Betten um jährlich 3,2 Prozent. Etwa die Hälfte der Gäste kommt nach wie vor aus dem Ausland, vor allem aus den USA, den Staaten rund um den Persischen Golf, aus England, Italien und der Schweiz.

Auch wenn München die Position des Marktführers in Deutschland mittlerweile an Berlin abgeben musste, so Christie & Co. in der Studie, die Aussichten bleiben dennoch gut, was die Nachfrage angeht. Leichte Einbrüche bei den Erlösen pro Zimmer (4,2 Prozent weniger) und bei der durchschnittlichen Zimmerrate (123 Euro, 3,8 Prozent weniger als 2017) sind auf fehlende Großmessen wie die Bauma zurückzuführen, heißt es. Die Auslastung sei mit 76 Prozent immer noch gut, und das Wachstum hält weiter an: Sowohl in diesem Jahr als auch 2019 werden jeweils 2000 neue Betten hinzukommen.

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