Topvisagist Horst Kirchberger:Ins Gesicht geschrieben

Topmodels wie Naomi Campell oder Linda Evangelista vertrauen ihm ihr Gesicht an: Horst Kirchberger. Der Münchner ist einer der gefragtesten Visagisten der Modebranche.

Christina Warta

Horst Kirchberger überlegt nicht eine Sekunde, mit welchem Farbton er beginnt. Mit einem festen Pinsel tupft er in die beige-braune Farbe. Dann trägt er den Grundton auf: mit kurzen, festen und schnellen Pinselstrichen. Ein prüfender Blick auf sein Werk, dann greift Kirchberger zu einem dunkelbrauen Stift. Diesmal sind es nur ein paar zarte Striche, wieder dauert alles nur wenige Sekunden. Der Mann weiß, was er will, und er weiß, wie er es erreicht. "Ich male halt gerne", sagt er und lacht wie ein kleiner Bub. Dabei verehren ihn nicht wenige als wahren Meister seines Fachs: einer ganz speziellen Form der Malerei. Seine Kunstwerke zaubert er auf eine ebenso schwierige wie faszinierende Oberfläche: das menschliche Gesicht.

Topvisagist Horst Kirchberger: Der Münchner hat sie alle schon geschminkt: Claudia Schiffer, Nadja Auermann, Naomi Campbell, Cindy Crawford, Linda Evangelista.

Der Münchner hat sie alle schon geschminkt: Claudia Schiffer, Nadja Auermann, Naomi Campbell, Cindy Crawford, Linda Evangelista.

(Foto: Robert Haas)

Kirchberger ist Visagist und als solcher einer der gefragtesten in der Modebranche. Der Münchner hat sie alle schon geschminkt: Claudia Schiffer, Nadja Auermann, Naomi Campbell, Cindy Crawford, Linda Evangelista. Er hat mit Karl Lagerfeld zusammengearbeitet und dem Fotografen Helmut Newton. Auf unzähligen Titelseiten von VogueHarper's Bazaar und anderen Hochglanzmagazinen der vergangenen Jahrzehnte sind die Models von ihm gestylt.

Horst Kirchberger trägt ein weiß-blau gestreiftes Hemd und eine helle Hose, von der er mit einem Radiergummi einen grauen Strich wegradiert. Er wirkt weder exzentrisch noch glamourös, eher ernst und zurückhaltend. So, als könne er auch in einer Bank arbeiten oder Versicherungen verkaufen.

Der 58-Jährige ist ein Meister des Details und der Nuance - und dabei selbst völlig unprätentiös. "Es geht darum, die Person, die vor einem sitzt, zu idealisieren", sagt er. Auf Kirchbergers Schminktisch in seinem Kosmetikstudio in der Briennerstraße reihen sich unter einem großen Spiegel Pudertöpfchen akkurat aneinander: Grundierungen, Rouge und Lidschatten, Becher mit Augenbrauenstiften, Lippenstifte in den allen Schattierungen sowie Pinselchen für jede Gesichtspartie - seine Werkzeuge.

Mit ihnen verwandelt er eine blasse Frau mit müden Augen in eine strahlende Schönheit. "Es ist unglaublich, was man mit Farbe alles machen kann", sagt er. Ein paar Tupfer an der Stirn und unter den Augen, eine Linie über der Augenbraue, ein entschlossener Strich zum Mundwinkel hin - die tatsächlichen Veränderungen im Gesicht sind minimal. Der Gesamteindruck aber verblüffend: Die Frau sieht einfach besser aus.

Kirchberger ist im Bayerischen Wald aufgewachsen. Er war zwölf Jahre alt, als er beschloss, Maskenbildner zu werden. Im Fernsehen hatte er einen Bericht darüber gesehen, "und ich bin mit Scheuklappen auf dieses Ziel zugegangen", erzählt er. Die Familie zieht nach Erding, Kirchberger besucht das Gymnasium. Doch es dauert ihm zu lange: Er bricht ein Jahr vor dem Abitur die Schule ab und beginnt eine Friseurlehre - nur so wird man zur Ausbildung als Maskenbildner zugelassen. Die macht Kirchberger beim Bayerischen Fernsehen.

Doch als Kirchberger die Ausbildung beendet hat, ist keine Stelle frei. Erstmals zweifelt der junge Mann an seiner Berufswahl. Doch da ruft ein Fotograf an: Es gehe um eine BH-Werbung, das Modell brauche ein Make-up, ob Kirchberger Zeit habe? Er hat. Seine Arbeit wird geschätzt, man empfiehlt ihn weiter. "Ich war zwei Tage hier, zwei Tage da", sagt er, "immer mit meinem Schminkkoffer." Er arbeitet für den Stern, reist nach Alaska oder auf die Bahamas.

Nur eine Frau lässt sich nicht von ihm schminken

"Plötzlich war Deutschland zu klein", erzählt er. Kirchberger zieht nach Paris, wohin sonst. Hier schminkt er während der Modenschauen Top-Models im Akkord: für Kenzo, Ungaro, Valentino, Lagerfeld und natürlich Chanel. Die Arbeit hinter den Kulissen der Modewelt ist Stress pur, doch Kirchberger ist jung und sein Können gefragt. Anfang der achtziger Jahre zieht er weiter nach New York. Auch hier reißen sich Magazine und Fotografen um ihn, trotzdem fühlt er sich nicht wohl. "Nach einem Jahr bin ich wieder weg." Das Laute, Aufschneiderische der damals von Drogen extrem aufgepeitschten Modebranche, das sei nichts für ihn gewesen, trotz des vielen Geldes.

1983, eben nach Deutschland zurückgekommen, fällt er in ein mentales Loch. "Ich hatte das Gefühl, nur Illusionen zu produzieren." Kirchberger verkauft seine schicken Autos, behält nur seine Wohnung und ein Fahrrad. Zwei Jahre lang arbeitet er nur einen Tag pro Woche, studiert stattdessen Malerei. "Das Kunststudium hat mich wieder aufgerichtet", sagt er heute, "es hat die Art meiner Beobachtung und meine Ästhetik verändert."

Trotz seines Rückzugs fragen bald Kosmetikfirmen bei Kirchberger um Rat, für die er Mitarbeiter schult und Farben entwickelt. Er eröffnet ein kleines Make-up-Studio und arbeitet für den Filmproduzenten Bernd Eichinger: Für die Verfilmung der "Unendlichen Geschichte" entwickeln die beiden den zarten, durchscheinenden Look der Kindlichen Kaiserin. "Solche Herausforderungen sind die Highlights in meinem Beruf."

Heute ist Kirchberger ein Unternehmer mit einem 500 Quadratmeter großen Studio und zwölf Mitarbeitern, hat seine eigene Produktlinie entwickelt. "Rein seelisch fühle ich mich aber als Maler", sagt er. Die Zeiten, als er von Metropole zu Metropole eilte, um Models für Modeaufnahmen zu schminken, sind vorbei. Denn die Branche hat sich verändert. "Manchmal erkennt man die Fotos nicht mehr, an denen man mitgearbeitet hat - so stark sind sie digital bearbeitet", sagt er über Modemagazine.

Der Visagist liebt klassische Musik und arbeitet deshalb gerne für die Cover-Aufnahmen für CDs. Und wenn Operndiva Anna Netrebko ihn anruft, "dann komme ich gerne für ein paar Tage mit auf Tour", sagt er. Erst kürzlich wieder hat er die Prominenz für die Bambi-Verleihung schön gemacht, und natürlich werden auch in seinem Studio in München nicht wenige Reiche und Berühmte geschminkt. So mancher fliegt eigens dafür aus Moskau oder New York ein.

Und doch sind es heute die ganz normalen Frauen, die seinen Ehrgeiz anfachen - jene, die zu Kirchberger kommen, um sich seinen Rat zu holen. "Besonders die schwierigen Fälle reizen mich", sagt er. Bei einer Schminkberatung erklärt er seiner Kundin ihr Gesicht und zeigt ihr dann, was sie tun und lassen sollte. "Man muss auch mal was weglassen", sagt er. Gerade die Kosmetikindustrie empfehle häufig Produkte, die kaum einer wirklich brauche. "Und, ganz ehrlich: Es gibt viele Gesichter, die ohne Rouge besser aussehen als mit", sagt er.

Sein Studio, in dem Kirchberger hauptsächlich arbeitet, ist eine Welt der Frauen, bevölkert von seinen Mitarbeiterinnen, seinen Kundinnen. Demnächst steigt ein weiterer Mann ein: sein mittlerweile erwachsener Sohn, der sich um Organisatorisches kümmern wird. Horst Kirchberger selbst dagegen wird weiter vor allem am Schminktisch stehen. "Ich bin nur an vorderster Front gut", sagt er.

Übrigens: Eine Frau gibt es, die sich von Kirchberger nicht schminken lässt - und die er auch gar nicht schminken will. "Sie weiß selbst, was am besten aussieht", sagt er und lacht. Es ist seine eigene Frau.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: