Familiendrama in Trudering:Die Suche nach dem Warum

Familiendrama in Trudering: Kerzen vor der Haustür in Trudering erinnern an die Opfer.

Kerzen vor der Haustür in Trudering erinnern an die Opfer.

(Foto: Robert Haas)
  • Ein Familienvater tötet in Trudering seine beiden Töchter und danach sich selbst.
  • Am Tag nach der Tat sind Ermittler und Psychologen auf der Suche nach Erklärungen.
  • Kriseninterventionsteams kümmern sich um die Mutter und die Freunde der Kinder.

Von Bernd Kastner und Susi Wimmer

Was über die Tat bekannt ist

Am Tag danach steht diese eine Frage über allem: Warum? Warum tötet ein Vater seine beiden Töchter, ehe er sich selbst das Leben nimmt? Antworten auf diese Tat in Trudering gibt es bisher allenfalls bruchstückhaft. Ein offizielles Ermittlungsverfahren leitet die Polizei nicht ein, wenn der Täter selbst tot ist. Zurück bleiben geschockte Angehörige, entsetzte Nachbarn und auch die Frage, ob die Tat hätte verhindert werden können.

Am vergangenen Montag wartete eine Mutter vergeblich auf die Ankunft ihrer Töchter aus der Schule. Die Mädchen, neun und elf Jahre alt, hatten das Wochenende bei ihrem Vater verbracht. Das Paar hatte sich vor gut zwei Jahren scheiden lassen. Die Frau lebte im Olympiadorf, der 50-Jährige in Kirchtrudering.

Da die Mutter ihre Töchter auch nicht via Handy erreichen konnte, alarmierte sie die Polizei. Beamte fanden die Kinder tot in der Wohnung des Vaters, er selbst hatte sich das Leben genommen. Über die Todesursachen schweigt die Polizei. In einem Abschiedsbrief nannte der Mann die Trennung und die Sorgerechtsstreitigkeiten als Grund für sein Handeln. Offenbar hatte vor Kurzem auch ein Familiengericht einen Bescheid zugestellt, wie in Zukunft das Umgangsrecht zu regeln sei.

Wie ein Polizeipsychologe den Fall bewertet

"Erweiterter Suizid" - diesen Fachbegriff hält Peter Schmalzl in diesem Fall für "problematisch". Schmalzl ist Leiter des Zentralen Psychologischen Dienstes bei der bayerischen Polizei und nennt solche Taten "Tötung oder Mord mit anschließendem Suizid". Der Verlauf früherer Fälle habe gezeigt, dass es für solche Taten keine einzelnen Auslöser gebe, "das sind keine Affekthandlungen".

Vielmehr seien die Täter von narzisstischer Selbstbezogenheit, oft befeuert von Hass, Wut, Rache und Verzweiflung. "Es muss viel zusammenkommen, um an so eine Lösung zu denken", sagt Schmalzl. Fast immer seien Trennungen oder ein Verlust ausschlaggebend, sowie die Unfähigkeit loszulassen. In einem schleichenden Prozess durchlaufe der Täter Grübel- und Planungsphasen.

Es gebe Warnzeichen, sagt Schmalzl. Meist fallen Sätze wie: "Wirst schon sehen, wo das endet." Oder: "Ich bring euch alle um." Der Betreffende ziehe sich zurück, verabschiede sich oft schleichend von der Welt, werde interessenlos. Unmittelbar vor der Tat sei oft eine Gelöstheit zu beobachten, "denn man hat eine Entscheidung getroffen". Vielleicht auch in diesem Fall. Nach SZ-Informationen hat der Vater am Wochenende noch eine Gartenparty gefeiert.

Welche Arbeit die Kriseninterventionsteams machen

Für die Mutter der getöteten Töchter ist all dies ein Albtraum. Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams (KIT) des Arbeiter-Samariter-Bundes kümmern sich um die Frau. "Es ist zunächst wichtig, dass wir gut vorbereitet sind", sagt KIT-Chef Peter Zehentner. Was genau ist passiert, waren sie sofort tot, kann ich sie sehen, sind Sie sicher, dass das mein Kind ist? - "diese Fragen müssen wir anfangs beantworten können".

Es gebe Menschen, die beim Empfang einer Todesnachricht zusammenbrechen, andere würden funktional reagieren. Das KIT vermittle den Betroffenen, dass jede Reaktion auf diese unnormale Situation normal sei. Man versuche dann, Hilfe aufzuzeigen und die Menschen wieder handlungsfähig zu machen. "Solche Erlebnisse sind Wendepunkte, keine Endpunkte", sagt Zehentner. Das Leben gehe weiter, "aber anders".

Welche Betreuung die Mitschüler bekommen

Zu den mittelbaren Opfern einer solchen Tat gehören immer auch die Mitschüler der getöteten Kinder. Hans-Joachim Röthlein koordiniert in Oberbayern 26 Schulpsychologen des KIBBS, des Krisen-Interventions- und Bewältigungsteams Bayerischer Schulpsychologen. Sie werden auf Wunsch einer Schule aktiv, auch nach tödlichen Unfällen. Zunächst kümmern sie sich um die Lehrer. Sie gelte es, auf die schwierige Aufgabe vorzubereiten, mit ihren Schülern über das Unfassbare zu sprechen.

Viele Kinder, erklärt Röthlein, entwickelten Ängste und fragten sich, ob so eine Tat auch in der eigenen Familie geschehen könne. Es gelte jene Schüler zu identifizieren, die aufgrund ihrer Familiengeschichte besonders verwundbar seien, weil sie vielleicht schon einen Angehörigen durch Tod verloren haben. Die Erfahrung lehre, sagt Röthlein, dass es für Mitschüler sehr wertvoll sei, sich vom toten Freund zu verabschieden. Oft helfe ein Raum der Stille in der Schule, an dem sie ihren Sorgen und Hoffnungen Ausdruck verleihen.

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