Tödlicher Messerstich gegen eigenen Sohn:"Oh Gott, was hab' ich getan!"

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Jahrelang opfert sich eine Mutter für ihre Kinder auf, dann rastet sie bei einem Streit aus - und ersticht ihren Sohn. Nun ist am Münchner Schwurgericht das Urteil gefallen: Die 39-Jährige muss für fast sieben Jahre in Haft.

Christian Rost

Ihr Geständnis am ersten Prozesstag kam unter Tränen, und auch danach wurde die 39-jährige Angeklagte immer wieder von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt, während die Umstände des Todes ihres Sohnes beleuchtet wurden. Das Urteil nahm Irene N. an diesem Donnerstag nun teilnahmslos und in sich zusammengesunken auf.

Das Münchner Schwurgericht verurteilte sie wegen Totschlags an ihrem Sohn zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft. Der Vorsitzende Richter Michael Höhne machte der Frau Mut: "Ihr Leben ist mit diesem Urteil nicht vorbei. In absehbarer Zeit werden Sie sich um ihre beiden Töchter kümmern können, die Sie noch brauchen."

Die acht und 17 Jahre alten Mädchen sind der Frau geblieben. Ihr Sohn starb am 12. Dezember 2010 nach einem Streit durch ihre Hand.

Mit den Worten "Schlampe" und "Hure" hatte er seine Mutter beleidigt und - wie so oft in den Monaten zuvor - keine Grenzen mehr in seiner Respektlosigkeit gekannt. Die beiden waren an jenem Abend wegen Lappalien aneinandergeraten. Der junge Mann, der sich nicht um einen Ausbildungsplatz bemühte, die Wochenenden durchfeierte und zuletzt mit seiner schwangeren Freundin bei der Mutter eingezogen war, ärgerte sich über seine Schwestern, die in seinem Zimmer fernsahen. Dazu war er genervt von Malerarbeiten in der Harlachinger Wohnung, an denen er sich eigentlich hätte beteiligen sollen.

Ein Wort gab das andere, bis die Mutter auf die Messer in der Küchenschublade deutete und schrie: "Dann bring mich halt um, dann ist mein Scheißleben wenigstens zu Ende." Es war aber die Frau selbst, die dann nach einem 25 Zentimeter langen Messer griff. Mit der Waffe in der Hand versuchte sie, ihren Sohn zur Wohnungstür zu drängen. Seine schwangere Freundin hatte sie Minuten zuvor an die Luft gesetzt.

Als Irene N. ihren Sohn schubste, verletzte sie ihn leicht mit dem Messer an der Schulter. Seine folgende Aufforderung, sie solle doch richtig zustechen, war dann offenbar zu viel für die Frau. "Schnell und mit voller Wucht", so der Vorsitzende, habe sie in dieser "emotionalen Extremsituation" dem Sohn das Messer in die Brust gerammt. Der Stich traf das Herz, die Mutter rief: "Oh Gott, was hab' ich getan." Rettungsversuche der Freundin halfen nichts mehr.

Der 18-Jährige starb noch am Tatort. Die Mutter macht sich schwerste Vorwürfe seit der Tat, sie äußerte auch im Prozessverlauf mehrmals, dass sie nicht mehr leben wolle. "Fast zwei Jahrzehnte hat sich die Angeklagte aufopferungsvoll um ihre Kinder, insbesondere um ihren Sohn, gekümmert, bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit", fasste Höhne die Vorgeschichte dieses Falles zusammen. Die Alleinerziehende, die selbst keine Elternliebe erfahren hatte, nahm sogar eigens Urlaub, um auf der Wiesn als Toilettenfrau arbeiten zu können.

Mit dem verdienten Geld erfüllte sie Wünsche ihrer Kinder. Die übertriebene Liebe zum Sohn, dem sie keinerlei Grenzen setzte, ließ ihn rücksichtslos werden. Die Streitereien mit ihm, ihre Arbeit als Küchenhilfe in einem Altenheim und die ständige Sorge um die Kinder führten Irene N. an "die Grenze ihrer körperlichen und psychischen Belastbarkeit", stellte der Vorsitzende fest. Wegen der besonderen Tatumstände ging die Kammer von einem minderschweren Fall aus. Die Verteidigung hatte viereinhalb, die Anklage neun Jahre Haft gefordert.

© SZ vom 30.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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