Tödliche Schlägerei in Kultfabrik:Angriff oder Verteidigung

Lesezeit: 2 min

  • Der 24-jährige Benjamin P. soll nach einem Besuch der Kultfabrik einen 49-Jährigen so geschlagen haben, dass dieser an den Folgen der Verletzungen starb.
  • Der Angeklagte plädiert auf Notwehr, die Staatsanwaltschaft geht von Körperverletzung mit Todesfolge aus.

Von Christian Rost

Benjamin P. wirkt überhaupt nicht wie ein Schlägertyp. Der schmächtige, junge Mann im dunklen Anzug sitzt am Montag schüchtern auf der Anklagebank vor der zweiten Strafkammer am Landgericht München I und muss sich vom Staatsanwalt vorwerfen lassen, er sei schuld am Tod eines Menschen. Der 24-Jährige soll nach einem Club-Besuch auf dem Areal der Kultfabrik derart heftig auf einen 49-Jährigen eingeschlagen haben, dass der Mann später im Krankenhaus starb. Für die Anklage war das Körperverletzung mit Todesfolge, für P. "Notwehr".

Sowohl der Angeklagte als auch das spätere Opfer Adnan K. ( Name geändert) hatten sich in der Nacht zum 9. Juni 2014 in der Bar "Do Brasil" aufgehalten. Benjamin P. machte sich gegen 7.15 Uhr zu Fuß auf den Heimweg, K. ging ihm hinterher. Beide sollen sich nach Darstellung des Staatsanwalts gegenseitig beleidigt haben. An der Ecke Grafinger Straße/Friedenstraße sei der junge Verkäufer dann stehengeblieben und habe mehrmals mit der Faust auf K. eingeschlagen. Das Opfer sei zu Boden gegangen und mit dem Hinterkopf auf der Straße aufgeprallt.

Tod sei "vorhersehbar" gewesen

Durch die Schläge und den harten Aufprall auf den Hinterkopf habe der Mann einen Schädelbruch und eine traumatische Blutung erlitten, so der Staatsanwalt. K. musste im Klinikum rechts der Isar notoperiert werden. Zwölf Tage später erlitt er eine Oberschenkelvenenthrombose und eine Lungenembolie. Die Ärzte konnten ihn nicht mehr retten. Aus Sicht des Staatsanwalts sei es für Benjamin P. "vorhersehbar" gewesen, dass sein Kontrahent infolge der Faustschläge auf die Straße stürzen und sich schwer verletzen könnte. Deshalb habe der Angeklagte den Tod K.s verursacht.

Benjamin P. will am ersten Prozesstag selbst nichts zu den Vorwürfen sagen, er lässt seinen Anwalt Stefan Waldeck aber die Geschehnisse aus seiner Sicht schildern. Und demnach war nicht P. der Aggressor, sondern K. Er sei dem Mann zuvor nie begegnet, lässt der Angeklagte seinen Verteidiger erklären. "Er ging mir nach und begann aus heiterem Himmel, mich anzuschreien und als ,Arschloch' zu beleidigen." Vermutlich habe K. ihn "verwechselt", so P., jedenfalls habe der Verfolger nicht von ihm abgelassen und ihm schließlich eine Kopfnuss versetzt. "Mit Schlägen" hat sich P. dann gewehrt und dabei nach eigenen Angaben sein gegenüber einmal am Kopf getroffen. Der Kontrahent habe ihm daraufhin einen Schlag auf den Hinterkopf versetzt, wodurch er benommen zu Boden gegangen sei, so. P. weiter, der angibt, sich in diesem Moment an "den Fall Dominik Brunner" erinnert zu haben.

Jedenfalls sei er rasch wieder auf die Beine gekommen und habe K. "einen festen Schlag" versetzt. "Es tut mir leid, dass er gestorben ist", bedauert P. Es sei "außerhalb jeglicher Vorstellungskraft", dass sein Schlag solche Folgen gehabt habe. Der Angeklagte beteuert, er habe sich nur gewehrt - und ahnt wohl, dass das Gericht auch zu einem anderen Schluss kommen könnte. Denn am Ende seiner Erklärung betont der 24-Jährige, dass letztlich Juristen bewerten müssten, ob er nun in Notwehr zugeschlagen habe oder nicht. Was er in den Stunden zuvor beim Feiern im Club erlebt und getrunken hatte, dazu wollte er sich nicht äußern. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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