Tödliche Prügelattacke in München:"Das ist wirklich ein Verlust"

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Seine Zivilcourage musste Dominik B. mit dem Leben bezahlen. In Ergoldsbach, der Heimat des Opfers, herrscht Entsetzen über den Tod des 50-jährigen Geschäftsmannes.

Max Hägler

Gerade haben sie noch die letzte Fürbitte aufgesagt. "Und bete für die Verstorbenen aus unserem Kreis", schallt es am Sonntagmittag durch die Pfarrkirche Sankt Peter und Paul in Ergoldsbach. Von dem einen Menschen aus ihrer Mitte, der am Wochenende dazugekommen ist, wissen sie noch nichts.

"Der Niki, um Gotteswillen": Nicht nur am S-Bahnhof Solln, auch in Dominik B.s Heimatort Ergoldsbach ist man fassungslos. (Foto: Foto: ddp)

Dominik B. kommt aus Ergoldsbach, lebte hier, arbeitete hier. "Ja, lieber Herrgott", ruft die Vorbeterin, als sie hört, dass sie den Mann kennt, von dem im Radio berichtet wird. "Der Niki, um Gotteswillen", sagt sie kopfschüttelnd. Gut gekannt hat sie den Juristen nicht, aber doch ab und an im Ort gesehen und immer wieder von ihm gehört.

Denn Dominik B. war im Management des größten Betriebes, der Erlus Ziegelfabrik. Zuletzt, so meint die entsetzte Frau, habe sie ihn bei einer Beerdigung gesehen, da habe er am Grab eines Mitarbeiters einen Kranz niedergelegt.

"Dominik B. war früher Personalleiter und ist jetzt als Vorstand der Aktiengesellschaft tätig", sagt Dieter Schur, der im Ziegelwerk lange Jahre Betriebsratsvorsitzender war und den Chef gut gekannt hat.

Mehr als 15 Jahre habe man zusammengearbeitet und zwar immer gut, betont Schur - und spricht immer noch in der Gegenwart, so, als ob er es nicht fassen kann, dass B. nicht mehr in die Firma kommen wird, die in Ergoldsbach und im benachbarten Neufahrn das Leben der Menschen prägt. "Sehr tüchtig war er, und er ist immer aufs Personal zugegangen und hat auch gut mit dem Betriebsrat zusammengearbeitet", sagt Schur. "Das ist wirklich ein Verlust für den Betrieb, das reißt eine Lücke bei der Führung."

Schon der Vater von Dominik B. war Mitglied der Geschäftsführung, in der Ergoldsbacher Industriestraße, gleich neben dem Werk, ist ihr Wohnhaus. Sagen wollen die Eltern aber nichts zu dem Tod ihres Kindes, dem einzigen, wie es im Ort heißt. Dominik B. selbst war kinderlos, hat in Ergoldsbach gewohnt und auch in München eine Wohnung gehabt. Auf dem Weg dorthin war er am Wochenende, als er den Streit in der S-Bahn mitbekam und couragiert eingriff.

"Er war ein freundlicher, lebensfroher Mensch", sagt Ludwig Robald, der erste Bürgermeister der kleinen Marktgemeinde, die sich in die Hügel zwischen Regensburg und Landshut drückt. "Sympathisch, weltoffen, zugänglich, eben ein guter Mensch", erinnert sich Robald. Unvorstellbar sei es, dass gerade er so etwas erlitten habe. Immer wenn er ihn erlebt habe, sagt der Bürgermeister, sei Dominik B. ruhig gewesen, habe diplomatisch abgewogen. "Der hat sicher niemanden provoziert, sondern einfach nur Zivilcourage gezeigt - und wurde so tragisch dafür bestraft", sagt Robald.

Ob die Großstadt schuld ist? "Ich frage mich einfach, wo Menschen so viel Aggression hernehmen, dass sie einem anderen so etwas antun." Hilflos sei man da, wenn man so etwas hört. Die Frage nach der Aggression ist es, die die Menschen in Ergoldsbach an diesem Sonntag beschäftigt. Und vor allem die Frage nach den Folgen von Zivilcourage.

Beim Bäcker Preisser, direkt an der Hauptstraße, kommen die Menschen zusammen. Hier habe auch "der Herr B." ab und an Semmeln gekauft, sagen die Damen hinter der Theke. Und sie fragen sich, was man denn künftig machen solle, wenn man einen Streit sieht in der Öffentlichkeit. Man solle doch immer eingreifen, dazwischengehen. "Aber wenn das so endet, ist das natürlich schlimm."

"Wie können Menschen so etwas tun", sagen auch die Damen in der Pfarrkirche. Bei ihrem nächsten Treffen wollen sie Dominik B. in ihre Gebete mitaufnehmen.

© SZ vom 14.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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