Tod durch Schütteln:55-Jähriger wehrt sich gegen falschen Tatvorwurf

Seit Jahren kämpft ein Mann vor Gericht gegen den Vorwurf, seinen Onkel totgeschüttelt zu haben. Noch heute werde er deswegen beschimpft. Doch mit seinem Anliegen kommt er zu spät.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Seit Jahren kämpft ein Mann, der fälschlich in den Verdacht geraten war, in den Vorweihnachtstagen 2009 seinen Onkel zu Tode geschüttelt zu haben, um eine Entschädigung. Aufgrund des zu Unrecht erhobenen Tatvorwurfs, den die Staatsanwaltschaft in München als Pressemitteilung veröffentlicht hatte, werde er noch heute von anderen Leuten verdächtigt, beschimpft oder mit anonymen Briefen belästigt, sagt er. Mit seiner Klage gegen den Freistaat vor dem Landgericht München I ist er nun aber gescheitert.

Der Familienvater hatte zwei Tage vor Heiligabend 2009 die Polizei gerufen: Sein Onkel, mit dem man zusammenwohne, liege leblos im Bett - er halte es aber nicht für einen natürlichen Tod. Arglos berichtete er den Kriminalbeamten, dass er mit dem Onkel wegen einer Heizungserneuerung derzeit Streit habe. Zudem sagte er, bei dieser Gelegenheit 400 Euro aus dessen Schlafzimmer genommen zu haben. Die Polizisten verdächtigten ihn schon nach kurzer Ermittlungszeit, der Mörder zu sein und sperrten ihn im Zellentrakt des Polizeipräsidiums in der Ettstraße ein.

"Extrem seltene Rarität"

Bei der Obduktion war nämlich festgestellt worden, dass der 89-Jährige an einer Hirnblutung gestorben ist. Da aber keine äußeren Verletzungen auf Schläge oder einen Sturz hindeuteten, spekulierte der Gerichtsmediziner über einen, wie es im Obduktionsbefund heißt, "seltenen Entstehungsmechanismus - zum Beispiel ein heftiges Schütteln des Kopfes". Erst als ein renommierter Münchner Professor für Forensische Medizin später dem Staatsanwalt telefonisch erklärte, dass solch ein Schütteltrauma bei einem erwachsenen Menschen eine "extrem seltene Rarität" und das Obduktionsergebnis des Kollegen zweifelhaft sei, kam der Neffe am Abend vor Silvester wieder auf freien Fuß.

Seither liegt der heute 55-Jährige mit den Justizbehörden im Clinch. Zumal die Ermittlungen gegen ihn erst sieben Monate später eingestellt worden waren. Umfragen von Polizisten hätten erst in der Nachbarschaft die Mordvorwürfe verbreitet. Später sei die Staatsanwaltschaft mit einer Verlautbarung an die Presse gegangen: Durch diese Erklärung sei er diskreditiert und in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt worden, weil er damit auch überörtlich zu identifizieren gewesen sei.

25 Euro für jeden Tag hinter Gittern

Der Mann wirft den Ermittlungsbehörden zudem vor, den Inhalt des beschlagnahmten Testaments des Onkels an eine Münchner Tageszeitung weitergegeben zu haben, die den letzten Willen dann auch abgedruckt habe. Lediglich eine Haftentschädigung hatte der Mann erhalten: 25 Euro für jeden Tag hinter Gittern - in diesem Fall 150 Euro.

Vor Gericht verlangte er nun weitere 22 000 Euro. Die Beamten hätten überhaupt nicht nach entlastenden Tatsachen gesucht. Selbst das Verfahren wegen Diebstahls gegen ihn sei fälschlich wegen Geringfügigkeit eingestellt worden - dabei habe er gar nicht stehlen können, was ihm als Alleinerbe des Onkels ohnehin gehöre.

Die 15. Kammer hat die Klage aus formellen Gründen abgewiesen: Der Kläger habe seine Ansprüche zu spät geltend gemacht, sie seien bereits verjährt - nicht zuletzt, weil er in der Klageschrift die falsche Vertretungsbehörde angegeben und auf entsprechende Hinweise zu spät reagiert habe. Die verzögerte Zustellung an die richtige Behörde habe er allein zu vertreten. Vermutlich wird der Mann Berufung einlegen.

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