Tipps für das Krimifestival:Tatort München

Josef Wilfling war 22 Jahre bei der Münchner Mordkommission, sein Roman beruht auf realen Fällen. Peter Probst ist eine Art Pasinger Dan Brown, der Stadtteil wird bei ihm zum Tatort. Mehr als 80 Krimiautoren werden zum zehnten Krimifestival in München erwartet.

der SZ-Redaktion.

Tatort Pasing: Peter Probst ermittelt schwarz

Ein Priesterkandidat bringt sich um. Ein Pfarrer und sein Geliebter kommen ums Leben. In einem Kloster werden Jungen von einem katholischen Geheimorden gefoltert und missbraucht. Der Vatikan hängt auch mit drin, die Kinderschänder-Mönche, Allmächtiger, könnten den nächsten Papst stellen. Alles "Im Namen des Kreuzes"(dtv, 8,95 Euro).

Was Peter Probst in seinem dritten Fall aus der Reihe "Schwarz ermittelt" zwischen zwei Buchdeckel packt, könnte ihm den Ruf eines Dan Brown aus München-Pasing eintragen, jenem Stadtteil, den er als Schauplatz wählt. Wie schon in den beiden Vorgänger-Bänden "Blinde Flecken" (Rechtsradikalismus) und "Personenschaden" (Suizid-Foren, Bahner-Milieu) geht Probst aktuelle Themen zupackend an. Subtile Plots sind seine Sache nicht. Der Drehbuchautor ("Tatort", "Polizeiruf") kommt auch bei der klischeegesättigten Personenzeichnung durch: Schwarz ist ein leicht ausgebrannter Anfangfünfziger, der spät entdeckt, dass er Jude ist. Seine junge Freundin Eva, jüdisches Opfer von Rechtsradikalen aus dem ersten Buch, sitzt im Rollstuhl, kann mit einer Knarre umgehen und assistiert beim Showdown.

Irgendwie würde man Anton Schwarz gerne auf der Leinwand sehen, nur um zu testen, ob's dort besser funktioniert.

Text: Jutta Czeguhn

Buchpremiere am Mittwoch, 14. März, 19.30 Uhr, in der Pasinger Fabrik, Karten unter Telefon 82929079.

Routine: Josef Wilfling und "Unheil"

Eine Frau erdrosselt ihre Mutter. Ein untreuer Mann ermordet seine lästig gewordene Ehefrau. Alle 15 Episoden in Josef Wilflings neuem Roman haben eines gemeinsam: Sie erzählen von unauffälligen Durchschnittstypen, die Bekannte, Freunde oder gar Verwandte töten.

"Unheil" (Heyne, 19,99 Euro) trägt den Kern im Untertitel: "Warum jeder zum Mörder werden kann". Wilfling, 22 Jahre Leiter der Münchner Mordkommission, verwendet, wie schon für den Erstling "Abgründe", reale Fälle. Spannend sind die Geschichten selten - sie liefern reichlich Diskussionsansätze, aber kaum überraschende Wendungen. Wer authentische Einblicke in die Polizeiarbeit sucht, wird hier sicher fündig. Allein, das Werk ist über weite Strecken mehr Sachbuch als tiefschürfende Charakterstudie.

Die Frage drängt sich auf: Sind die Täter wirklich "normal" oder eher die normalen Unnormalen? Plausible Antworten bleibt das Buch meist schuldig. Einmal philosophiert der Erzähler über das Geschlechtsteil eines Opfers, um lapidar anzufügen: "Der Rest war Routine." Gewiss ein legitimer Versuch, den Diskurs aufzulockern - und bezeichnend dafür, wie "Unheil" den eigenen Anspruch zu oft verfehlt.

Text: Christian Schneebeck

Eröffnungslesung im Literaturhaus ausverkauft, Zusatztermin: Sonntag, 6. Mai, 19 Uhr. Institut für Rechtsmedizin, Nußbaumstr. 26.

Schwergewicht: Oliver Bottini und "Der kalte Traum"

Krieg ist überall. Nicht nur auf dem Balkan, wo Kroaten, Serben und Bosnier in den neunziger Jahren um Vorherrschaft und Autonomie kämpfen. Auch in Deutschland, wo die Migranten Loblieder auf die alte Heimat singen - und mitunter als Waffenschieber und Kriegstouristen selbst eingreifen.

Oliver Bottini hat sich für seinen Krimi "Der kalte Traum" (Dumont, 18,99 Euro) ein schwieriges, vermintes Terrain ausgesucht - und der bereits mehrmals mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnete Autor beweist, dass er den Stoff bestens recherchiert und aufgearbeitet hat. Zwar braucht man ein bisschen Geduld, um sich zwischen wechselnden Schauplätzen, Zeiten und Protagonisten zurechtzufinden.

Doch wer diese Geduld aufbringt, wird belohnt: mit einer differenzierten Auseinandersetzung mit Migration und Balkan-Konflikt, und mit einer spannenden Handlung, bei der nichts fehlt, was der Leser einschlägiger Romane schätzt: Folterungen, überraschende Wendungen, der eine oder andere unnatürliche Tod. Die Dialoge sind pointiert, die Protagonisten, auch die eher fiesen Charaktere, liebevoll gezeichnet - wie zum Beispiel ein Ex-Politiker im Rollstuhl, der im Hintergrund aber immer noch kräftig mitmischt. Ein politisches Schwergewicht eben; so wie auch dieser Kriminalroman.

Text: Antje Weber

Lesung am 19. März, Ruffini, 20 Uhr, Orffstr.22-24

Pathos der Familie: John Hart und "Das eiserne Haus"

"Ich kann dich nicht retten", sagt die Frau. "Darum bitte ich dich auch nicht. Nur darum, dass du verstehst", erwidert der Mann: "Dass du mich einen Versuch machen lässt." Sie befingert ihren Pass und räuspert sich. "Ich brauche Geld."

Der Dulles International Airport, Washington. Elena und Michael. Zwei Liebende auf der Flucht. Michael war der zweite Mann in einer Gangsterorganisation, hat seinen Ausstieg verkündet, wegen Elena, was von den anderen nicht akzeptiert wird. Der "Alte", der Michael als Ziehsohn aufgebaut hat und protegierte, ist tot, nun ist die neue Generation der Bande hinter Michael her. Es geht nicht nur um die physische Rettung, es geht um Erlösung, um eine neue Existenz.

John Hart verkörpert den neuen amerikanischen Thriller-Existenzialismus, in der Tradition der gothic novel, er schreibt - in "Der dunkle Fluss", "Das letzte Kind" und nun in "Das eiserne Haus" (Bertelsmann, 19,99 Euro) - die Geschichten einer neuen lost generation, von Kindern, die auf sich allein gestellt sind beim Versuch, die Familie zu retten, oder auf der Suche nach einer anderen. Eine weitere Familiengeschichte eröffnet sich auf der Flucht um Michael, jenseits der um den Alten - ebenso archaisch und blutig. Mit dem unerschütterlichen Pathos großer Tragödien.

Text: Fritz Göttler

Lesung am Freitag, 16. März, 20.30 Uhr, Hugendubel Fünf Höfe, Theatinerstr. 11. Reservierung: Tel 089/30 75 75 75.

Blutleer: Andrea Maria Schenkel und "Finsterau"

Mit ihrem Roman-Erstling "Tannöd" gelang Andrea Maria Schenkel 2006 ein Überraschungserfolg. Mehr als eine Million Exemplare wurden verkauft, sie erhielt den Deutschen Krimipreis für die zwingende Darstellung einer Mordserie, die sich anno 1922 auf einem oberbayerischen Einödhof ereignet hatte. Nach "Kalteis", dem Roman über einen Münchner Serienmörder, und der in der Gegenwart spielenden Entführungsstory "Bunker" hat sich die Schriftstellerin zurück in die Provinz und in die Vergangenheit begeben.

"Finsterau" erzählt die Geschichte von Afra, einer jungen Frau, die mit ihrem unehelichen Kind auf dem Hof ihrer Eltern wohnt. In gewohnter Manier und lakonischem Ton nutzt Schenkel rasche Perspektivwechsel und entwickelt die Geschichte aus den Stimmen der Beteiligten. Zu Wort kommen neben dem späteren Opfer Afra auch die Eltern oder die Polizisten, die 1947 die ersten am Tatort waren. All diese Momente lassen die Erzählung wie einen auf Quellen gestützten Tatsachenbericht wirken, obwohl die Handlung rein fiktiv ist.

Gewiss, es ist alles gut erzählt, kunstvoll verdichtet, und man liest den schmalen Band (Hoffmann und Campe, 120 Seiten, 16,99 Euro) mühelos durch. Trotzdem bleibt ein leises Gefühl der Enttäuschung. Die Personen bleiben seltsam blutleer und hinterlassen keine Spuren im Gedächtnis des Lesers.

Text: Sabine Reithmaier

Eröffnungslesung am 12.3. im Literaturhaus ausverkauft, Zusatztermin: Samstag, 12. Mai 2012, 20 Uhr, Volkstheater

Monströs: Tess Gerritsen und "Grabestille"

Mit der Polizistin Jane Rizzoli und der Rechtsmedizinerin Maura Isles hat die amerikanische Bestseller-Autorin Tess Gerritsen gleich zwei Standardtypen des neueren amerikanischen Krimis als Ermittler-Duo zusammengespannt. Was an und für sich schon ein cleverer Trick ist. Und wenn man das Ganze dann auch noch mit einem spannenden Plot verbindet und ein wenig Schaudern, Mythen und Perversion druntermixt, kann eigentlich gar nichts mehr schiefgehen.

Und so ist Gerritsen nun auch mit "Grabesstille", dem soeben erschienenen neunten Band der Rizzoli-Isles-Reihe (Limes-Verlag, 19,99 Euro) wieder auf dem Weg zu einem Millionenseller. Detective Rizzoli vom Boston PD bekommt es dort mit einem höchst unheimlichen Mörder zu tun.

Zuerst werden zwei mysteriöse Profikiller in Chinatown mit einem antiken Kampfschwert von einem geheimnisvollen Tier, so scheint es, massakriert. Dann führt die Spur zu einem vermeintlichen Amok-Mord in einem chinesischen Lokal, der 19 Jahre zurückliegt. Zug um Zug kommt Rizzoli, auch mit Hilfe eines jungen chinesischen Kollegen, der Lösung des Falles näher, und gerät selbst wiederholt in Lebensgefahr. Bis es zum Showdown kommt und das ganze, furchtbare Geheimnis gelüftet wird. Kurzum: ein fast zu perfekter amerikanischer Thriller neuerer Bauart.

Text: Franz Kotteder

Lesung am Sonntag, 18. März, 18 Uhr, im Amerikahaus (ausverkauft).

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