Tierpark:Mit 170 Kilogramm durch die kalte Jahreszeit

Tierpark: Tierpflegerin Nicole Baumgartner wird von den Besuchern oft nach Braunbärin Olga gefragt. „Sie schläft schon“, antwortet sie dann.

Tierpflegerin Nicole Baumgartner wird von den Besuchern oft nach Braunbärin Olga gefragt. „Sie schläft schon“, antwortet sie dann.

(Foto: Stephan Rumpf)

Pflegerin Nicole Baumgartner kümmert sich um Olga, die älteste Braunbärin Europas. Derzeit macht diese Winterschlaf - dennoch wird täglich nach dem Tier geschaut

Von Philipp Crone

Nur weil die Braunbärenpflegerin gerade ihr Tier im Winterschlaf hat, heißt das nicht, dass sie am Braunbärgehege nichts zu tun hätte. Nicole Baumgartner, 22, dunkelblaue Hellabrunn-Uniform, steht vor dem leeren Gehege an einem Vormittag und beantwortet den vorbeilaufenden Besuchern Fragen. Also eine Frage. "Der Bär? Der ist im Winterschlaf." Der letzte verbliebene Braunbär im Tierpark München, das ist die mittlerweile 41 Jahre alte Olga, und ihre junge Pflegerin schaut jeden Tag in der Winterschlafbox nach, ob es der ältesten Braunbärin Europas noch gut geht. Wie ist das, wenn man mit einem Tier zu tun hat, das wahrscheinlich nicht mehr so lange leben wird? Und ist Olga wirklich alt? Von wegen.

In der Theorie und in der freien Wildbahn ist es so mit dem Braunbären: Er frisst sich vom Sommer an ein Fettpolster an, bereitet sich ein Winterquartier und bleibt dann dort im besten Fall den ganzen Winter hindurch. Olga macht das ein bisschen anders. "Sie hat im März, als sie wieder rauskam, 130 Kilo gewogen, jetzt waren es am Ende, bevor sie in die Winterbox ging, 170", sagt Baumgartner, die seit zwei Jahren für die fast doppelt so alte Bärin verantwortlich ist. Vorher war sie im Streichelzoo. "Das war schon immer so, wenn ich im Freundeskreis erzählt habe, welche Tiere ich betreue: Ponys? Die Reaktion: Ah, okay. Und beim Braunbär: Cool! Süß!"

Nichts an Olga ist süß, außer ihrem pummelig teddybärenhaften Kopf, das bekommt Baumgartner im Sommer oft genug zu spüren. "Wenn die Tierärztin zum Beispiel mit dem Blasrohr kommt, dann brüllt die, aber richtig." Und auch wenn das Tier mittlerweile auch außerhalb des Winterschlafs viel schläft, "bis zu 17 Stunden", ist es im Zweifel noch blitzschnell. Zum Beispiel, wenn die Bärin eine etwas zu mutige Ente verspeist. Manche der Vögel schwimmen im Sommer im seichten Wasser bis zu den von Baumgartner an verschiedenen Stellen ausgelegten Futterstellen, wo Gemüse, Obst und Fleisch bereitliegen für Olga. Und wenn die gut drauf ist, dann wischt sie sich mal schnell eine Ente aus dem Wasser, wie sonst einen Fisch im Fluss. Zum Tagesmenü gehört im Sommer auch eine Forelle.

Baumgartner kümmert sich in der Winterzeit um andere Tiere, Elche und Haustiere zum Beispiel. Morgens schaut sie aber einmal in die Box von Olga, die mit einer tatzendicken Plexiglasscheibe abgeschirmt ist. "Man sieht am Rücken, ob sie tief oder flach schläft." Ab und an steht das Tier aber auch auf, kotet, pinkelt. "Sie bereitet sich zwar so gut wie möglich auf den Schlaf vor", aber ganz ohne Austreten geht es eben doch nicht. "Am Anfang bekommt Olga nach dem Schlaf viel Gemüse, weil das am besten verdaulich ist, dann im Sommer alles, und irgendwann wird sie dann auch wieder wählerisch, isst erst kein Gemüse mehr, dann kein Obst mehr und am Ende nur noch Fleisch." Das hat die meiste Energie. Und natürlich ist da noch der Honig, den Baumgartner im Sommer an Baumstämme und andere Gegenstände im Gehege schmiert und den Olga gerne isst.

Zu dem Raubtier ins Gehege geht die 22-Jährige nie, aber der Kontakt ist wie bei anderen Großraubtieren wie Tiger oder Löwe am Gitter. "Da kann ich ihr einen Honiglöffel hinhalten, den sie abschleckt, oder Erdnüsse, die sie dann beißt. Und wie schnell Olga noch ist, hat Baumgartner dabei auch schon erfahren. Sie hat ihr einmal eine Walnuss hingehalten, "und die dachte sich dann: Alter, was willst du mit der Walnuss?" - und hat die Walnuss prompt mit der Pranke weggehauen.

Drei Pflegerkollegen kommen mit Kamelen vorbei, einer ruft Baumgartner zu: "Du musst weinen!" Warum? "Weil Olga doch so alt ist. Aber wir hoffen alle, dass sie noch fünf bis zehn Jahre lebt. Und sie ist topfit." Auf Facebook schreiben Hellabrunn-Stammgäste gerne mal beunruhigte Kommentare im Frühjahr. Dass Olga so struppig aussehe. "Dabei wechselt sie dann eben nur ihr Winterfell zum Sommerfell", und sieht dann eben zerrupft aus. Die erste Amtshandlung nach dem Erwachen im März? "Dann will sie ausgiebig abgeduscht werden."

Als es in Hellabrunn noch vier Bären gab, haben die sich den Winterschlaf und die Boxen aufgeteilt. Und selbst wenn Olga gar keinen Schlaf halten würde, hielte Baumgartner das nicht für problematisch. Nahrung ist im Zoo ja auch im Winter ausreichend vorhanden, das Konzept des Winterschlafs und der Energieersparnis ist also nicht überlebensnotwendig. "Es gibt Zoos, die ihre Bären das ganze Jahr durchfüttern", sagt Baumgartner. Entweder, weil sie nicht genug Platz haben, um allen Bären eine Winterbox zu bieten. Oder weil sie den Besuchern auch im Winter Braunbären zeigen wollen. Nicht so wie hier in Hellabrunn, wo viele Besucher wissend um den Schlaf, in dem Olga seit Oktober ist, am Gehege weiterlaufen.

Wieder laufen zwei Besucher vorbei, sie fragen bei Baumgartner nach, wo der Bär ist. "Der schläft schon." Schon ist dabei natürlich eine ganz leichte zeitliche Untertreibung.

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