Tierpark:In der Oase der Vieraugen

Die Mangroven-Anlage des Urwaldhauses von Hellabrunn ist erneuert worden. Hier können die Besucher sehen, wie einzigartig, vielfältig und faszinierend dieser stark bedrohte Lebensraum ist

Von Philipp Crone

Die haben wohl vergessen, Tiere in das Bassin zu setzen. Von links schwappt ab und an eine leichte Welle in das Becken, Mangroven stehen am Ufer, das nach rechts flach zulaufende Sandbett wird leicht aufgewirbelt. Kein Fisch? Frank Müller lächelt. Nach drei Monaten Umbau und Kosten von etwa 35 000 Euro, zum Großteil finanziert durch die Stiftung "Lebendige Erde", zeigt er auf zwei kleine Augen, die aus dem Wasser ragen. Vieraugen, eine bedrohte Fischart. Sie wurden in das erneuerte Becken eingesetzt, ebenso wie die Schlammspringer, die gut getarnt auf den aus dem Wasser ragenden Ästen sitzen. Hier ist kein Tiger zu sehen, kein Krokodil, trotzdem ist dieses Becken vielleicht der faszinierendste und lehrreichste Ort, den es im Tierpark Hellabrunn gibt.

Tierpark: Lebensraum Mangrove âē neue Anlage im Hellabrunner Urwaldhaus

Acht bis zwölf Gramm Salz pro Liter enthält das Brackwasser, zweimal am Tag kommt künstlicher Regen: So werden im Urwaldhaus die Verhältnisse in den Mangroven-Wäldern simuliert.

(Foto: Florian Peljak)

"Mangroven-Lebensräume sind so wichtig und so bedroht wie Korallenriffe oder Bienen", sagt Frank Müller, der Chef des Aquariums von Hellabrunn. In den vergangenen 20 Jahren wurden mehr als ein Drittel aller Mangroven-Wälder, die an Flussmündungen ins Meer vorkommen, zerstört.

Acht bis zwölf Gramm Salz pro Liter enthält das Brackwasser, das Müller und seine Kollegen ins Becken leiten. Sie versuchen, die natürliche Umgebung nachzuempfinden. Durch ein neu eingebautes Fenster im Dach fällt nun mehr Licht auf das Becken, was das Wachstum der Mangroven fördert, "die werden einige Meter hoch wachsen", sagt Müller. In der Natur bieten sie zum Beispiel Brutvögeln am Ufer Schutz. Fische können sich in ihren Wurzeln verstecken, und vor allem filtern die Mangroven das Wasser, nehmen dabei das Salz zunächst auf und scheiden es anschließend wieder ab. Zweimal am Tag wird auf der neuen Anlage die Beregnung für je fünf Minuten eingeschaltet, um Regen zu simulieren und den durch Verdunstung gestiegenen Salzgehalt auszugleichen. Auch Ebbe und Flut werden nachgestellt, morgens ist der Wasserpegel niedriger als tagsüber. Und all das goutieren hoffentlich die neu eingezogenen Vieraugen.

Tierpark: Lebensraum Mangrove âē neue Anlage im Hellabrunner Urwaldhaus

Im Wasser leben unter anderem Vieraugen-Fische.

(Foto: Florian Peljak)

Diese Fisch-Gattung hat zwei Augen, die jeweils mit einer Membran unterteilt sind, so dass die Tiere, die sich meist an der Wasseroberfläche aufhalten, sowohl nach unten ins Waser als auch nach oben in die Luft sehen können und Fressfeinde früh erkennen. Sie selbst suchen nach Insekten, die auf der Wasseroberfläche sitzen. Die Schlammspringer wiederum verhalten sich ganz anders. Sie sind in der Lage, bis zu 15 Minuten außerhalb des Wassers zu bleiben, sagt Müller. Sie saugen die Kiemen mit Wasser voll und blubbern Luft durch, um den Sauerstoffgehalt zu erhöhen. So sitzen sie auf den Mangrovenwurzeln, gut getarnt und gut gewärmt.

Vieraugen, Schlammspringer und Süßwassernadeln sind neu eingesetzt in dem Becken. Der Belastungstest für Müller und seine Mannschaft, ob sie dieses Habitat auch gut simuliert haben, ist wohl im Sommer zu sehen: Wenn die Vieraugen sich vermehren. Zu dem Zeitpunkt muss der Besucher dann auch nicht mehr so nach den Tieren im Becken suchen. Die Fische sind dann nicht mehr nur zehn Zentimeter wie jetzt, sondern bis zu 30 Zentimeter groß.

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