Tierpark Hellabrunn:Die Menschen grillen, die Giraffen leiden

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Was soll der Rauch? Giraffe Bahati aus dem Tierpark Hellabrunn leidet unter den Isar-Grillern. (Foto: Bildkombo Catherina Hess/Tierpark Hellabrunn)

Das viele Grillen und Feiern an der Isar macht die Tiere im Münchner Zoo verrückt: Sie wittern Gefahr, können aber nicht wegrennen.

Von Anna Hoben

Ein Rockkonzert an der Isar? Ach, nein, die Musik schallt aus Boxen, die eine Gruppe von Feiernden unter der Thalkirchner Brücke aufgestellt hat. Musikalisch sind sie flexibel, auf Rock folgt Hip-Hop folgt DJ Bobo. Hauptsache: schön laut, damit alle was davon haben. Hier, südlich des Flauchers, neben dem Tierpark Hellabrunn. Freitagabend um halb sieben: Die ersten Gruppen, Paare und Familien haben es sich gemütlich gemacht am Ufer. Kohlen werden angezündet, ein junger Mann fächelt seit zehn Minuten mit einem Pappteller die Glut an. Es riecht nach Spiritus, Rauch und Wurst. Die Grillspiele können beginnen.

Sergiu Bjola, 23 Jahre alt, ist gekommen, um ein Wiedersehen mit den Leuten zu feiern, mit denen er vor fünf Jahren an der Europäischen Schule Abitur gemacht hat. Die meisten sind zum ersten Mal seit Langem wieder hier, nach dem Abschluss hat es sie zum Studium in alle Himmelsrichtungen verstreut. Eine Gruppe von etwa zehn Leuten, im Gepäck zwei Einweggrills, Fleisch, Würstchen, Grillkäse, Bier, Wein und Wodka. Sie haben gerade den Grill angezündet, als zwei Männer in roten T-Shirts sie darauf hinweisen, dass sie Falschgriller sind.

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Tatsächlich, die Schilder weiter oben bestätigen es, die Gruppe hält sich innerhalb jener ungefähr 30 Meter langen Zone auf, in der das Grillen nicht erlaubt ist. "Ihr müsst nicht umziehen", sagt einer der Aufpasser, "Hauptsache der Grill steht woanders." Nur wie kommt die glühende Aluschachtel jetzt vom Fleck? Ratlosigkeit. Schließlich hebt Sergiu Bjola den Einweggrill mit zwei ziemlich morschen Stöcken vom Boden auf und trägt ihn vorsichtig ein paar Meter weiter. "Pass auf deine Hose auf", ruft ein Kumpel, während die Aufpasser den Rückzug antreten.

Die Männer mit den roten T-Shirts arbeiten für eine Sicherheitsfirma und sind im Auftrag der Stadt unterwegs. Bei schönem Wetter patrouillieren sie jeden Abend bis in die Nacht in den Isarauen und weisen das Partyvolk auf die Regeln hin: kein offenes Feuer, Müll mitnehmen, Verbotszonen einhalten, etwa an jenen Stellen, wo viele Bäume stehen oder das Unterholz besonders dicht ist. In den vergangenen Jahren war der Sommerspaß manchmal derart ausgeufert, dass Anwohner die Situation 2015 mit dem Inferno aus Dantes "Göttlicher Komödie" verglichen. Von "Sauf-Banden und Vandalen" war die Rede.

So schlimm wirkt es hier keineswegs an diesem Abend, und das hängt damit zusammen, dass der Tierpark Hellabrunn vor zwei Jahren Alarm geschlagen hat: Die Dauergrillparty mache die Tiere verrückt. Das städtische Baureferat reagierte und stellte unterhalb der Thalkirchner Brücke detaillierte Hinweisschilder auf. Diese Schilder, die städtische Isar-App und die Kontrollen haben dazu beigetragen, dass die Situation deutlich besser geworden ist, wie Tierpark-Chef Rasem Baban sagt. Dass alles gut ist, heißt das natürlich nicht. Immer noch trägt der Wind den Rauch entlang der Westflanke in den Zoo. Und darauf reagierten die Tiere extrem empfindlich, sagt Baban. "Sie denken, es brennt, es droht Gefahr, also versuchen sie wegzurennen." Doch irgendwo ist das Gehege zu Ende, dann können die Tiere panisch werden.

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Antilopen, Muntiaks, Elche, Giraffen - sie alle reagieren sensibel auf Rauch, aber auch Rinder und Ziegen. Wenn an Wochenenden vom späteren Nachmittag an die Rauchschwaden in den Tierpark ziehen, fragten Besucher immer wieder besorgt, wie die Tiere das aushalten, erzählt Baban, der selber auf dem Tierpark-Gelände wohnt. Denen macht allerdings auch die Lärmbelastung zu schaffen. "An Straßenlärm sind die Tiere gewöhnt, aber nicht an das Gewummere von Technopartys bis nachts um vier." Bei Elchen führe der Stress mitunter so weit, dass Muttertiere ihre Jungen im Stich ließen. "Es liegt an der Vernunft der Leute", sagt Baban. "Jeder grillt mal gern, aber die Frage ist, wo und wie." Sein Vorschlag: Fleisch zu Hause braten und in Tupperdosen mitnehmen. "Das würde auch den Müll verringern."

Ob leidenschaftliche Griller sich auf so einen Kompromiss einließen? Fraglich. Anders als die Zoobesucher machen sich die Menschen am Ufer allerdings offenbar auch wenig Gedanken über die Zootiere. "Das wusste ich nicht", sagen viele, wenn sie darauf angesprochen werden. Gina Oppel, die mit ihrer Mutter Marina auf einer Decke fläzt, fühlt sich eher selber in ihrer Freiheit eingeschränkt: Es gebe zu wenig Stellen, wo das Grillen erlaubt sei. Dass das Wie und Wo und all die Kontrollen deswegen in München jedenfalls immer noch ein Konfliktthema sind, merkt man als Reporterin nun daran, dass sich plötzlich zwei Mitarbeiter des Baureferats in Begleitung von drei Sicherheitsmännern vor einem aufbauen. Man dürfe die Aufpasser nicht befragen, wie man es zuvor versucht habe. Sich am Ufer zu bewegen und mit den Grillenden ins Gespräch zu kommen, sei aber erlaubt, heißt es gönnerhaft.

Die Stimmung ist seltsam angespannt hier. Ein paar hundert Meter weiter oben am Flaucher geht es deutlich entspannter zu. Ruslan Orlov ist mit Kollegen und kiloweise Schweinefleisch gekommen. "Wir grillen nicht, wir machen Schaschlik", stellt der 22-Jährige gleich klar. So, wie man es macht in seiner Heimat, der Ukraine, wo man es wiederum von den Georgiern übernommen habe, den Königen des Schaschlik: das Fleisch mindestens 24 Stunden vorher marinieren, mit Salz, Pfeffer, Wasser mit Kohlensäure.

Und während man vom toten Tier probieren darf und es zugegebenermaßen ganz köstlich schmeckt, kann einem der Gedanke kommen, dass überhaupt keine lebendigen Tiere zu sehen sind an diesem renaturierten Fluss. Ja, sagt der Zoochef Baban, eigentlich leben dort zum Beispiel Graugänse und Ringelnattern. Doch die einheimischen Tiere fühlen sich nicht mehr wohl inmitten der Menschenmassen. "Also flüchten sie zu uns, und wir gewähren ihnen gerne Asyl." 30 Grauganspaare, die normalerweise an der Isar gebrütet hätten, sind im Frühjahr in den Zoo ausgewichen. Dort waren sie sicher.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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