Tierpark Hellabrunn:Muntjaks im Zoo müssen wegen EU-Verordnung verhüten

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Die mit Hirschen verwandten Zwergmuntjaks dürfen keine Kinder mehr bekommen. (Foto: dpa)
  • Muntjaks und Schwarzkopf-Ruderenten dürfen sich im Tierpark Hellabrunn nicht mehr fortpflanzen.
  • Eine EU-Verordnung hat diese beiden Tierarten auf eine Verbotsliste gesetzt - denn sie sind nach Auffassung der Beamten schädlich für die angestammte Flora und Fauna.
  • Im Tierpark hofft man, dass die Verordnung noch überarbeitet wird und dann nicht mehr für Zootiere gilt.

Von Jakob Wetzel, München

Ella hat Glück gehabt: Das Muntjak-Weibchen aus dem Münchner Tierpark Hellabrunn ist im vergangenen Jahr Mutter geworden, es hat ein Jungtier geworfen, gerade noch rechtzeitig. Denn nach neuen Vorgaben der Europäischen Union ist ihm das künftig verboten. Die asiatischen Zwerghirsche müssen ab sofort verhüten.

Was langfristig mit den drei Tieren in Hellabrunn geschieht, ist unklar; vermehren dürfen sie sich jedenfalls nicht. Weibchen Ella trägt bereits ein Hormon-Implantat. Dabei sind die Muntjaks eigentlich Teil des Masterplans, mit dem sich der Zoo für die Zukunft rüsten will. Für die Weisung aus Brüssel hat der Tierpark wenig Verständnis.

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Grund für den Ärger ist etwas, worüber sich Naturschützer eigentlich freuen können. Die EU sorgt sich um die Artenvielfalt. Sie hat 37 "invasive und gebietsfremde Arten von unionsweiter Bedeutung" auf eine Verbotsliste gesetzt; gemeint sind Tier- und Pflanzenarten, die Menschen von anderswo eingeführt haben und die so schädlich für die angestammte Flora und Fauna sind, dass gegen sie laut EU ein europaweit "konzertiertes Vorgehen" nötig ist.

Klassisches Beispiel hierfür ist der nordamerikanische Waschbär, der mittlerweile überall in Deutschland in freier Wildbahn lebt, wo er keine natürlichen Feinde hat und deshalb das Gleichgewicht im Tierreich durcheinanderbringt. Die geächteten Tierarten wie der Waschbär oder eben der Chinesische Muntjak dürfen laut EU-Verordnung 1143/2014 nun grundsätzlich nicht mehr in die Union importiert oder hier freigelassen werden, und sie dürfen keinen Nachwuchs bekommen.

Das Problem an diesen neuen Regeln ist nur: Sie gelten auch für Tiere in Gefangenschaft, also auch in Zoos. Hier leben besonders viele gebietsfremde Tiere, ohne dass von ihnen aber eine nennenswerte Gefahr für die Artenvielfalt der Region ausginge. Doch während jetzt andere in München wenig heimische Tiere wie Eisbären oder Sumatra-Orang-Utans in Hellabrunn weiterhin unbehelligt Nachwuchs zeugen dürfen, muss Muntjak Ella auf weitere Jungtiere verzichten. Zumindest vorerst.

Muntjaks leben in Deutschland selten wild

"Wir hoffen, dass die Verordnung in diesem Punkt noch überarbeitet wird", sagt Lisa Reininger, Sprecherin des Tierparks Hellabrunn. Denn die Zoos habe man in Brüssel wohl einfach vergessen: "Uns fehlt die Lobby." Und Tierparks seien nicht schuld daran, wenn sich fremde Tierarten unkontrolliert ausbreiteten. Waschbären zum Beispiel würden eher aus privaten Gehegen oder Pelzfarmen ausbüxen. Aus Hellabrunn sei noch nie irgendein größeres oder gar gefährliches Tier entlaufen; allenfalls sei einmal ein Vogel entflogen, der aber sei dann zum Fressen wieder zurückgekehrt. Und von akutem Handlungsbedarf, also von einer nennenswerten Population von Muntjaks in freier Wildbahn, könne man in Deutschland ohnehin nicht reden.

Tatsächlich gab es in der Bundesrepublik bislang nur vereinzelt Sichtungen von wilden Muntjaks. Vor eineinhalb Jahren entwischte einmal ein einzelnes Exemplar aus dem Tiergarten in Nürnberg. Was aus ihm geworden ist und ob es noch lebt, wissen die Nürnberger nicht. Fortgepflanzt hat es sich aber mutmaßlich nicht; dazu hätte es einen Partner finden müssen.

Schwarzkopf-Ruderenten werden die Eier weggenommen

In anderen europäischen Ländern dagegen sind Muntjaks durchaus zu einer Bedrohung geworden, allen voran in England. Dort gelten die etwa einen halben Meter großen Hirsche bereits als Landplage. Eine ganze Gruppe von den Tieren wurde dort vor etwa einem Jahrhundert gezielt ausgewildert, damit Jäger auf exotischere Tiere schießen konnten. Seitdem vermehren sich die Muntjaks unkontrolliert. Sichtungen gab es zuletzt vermehrt auch in Irland und Belgien.

In München ist von der EU-Verordnung neben den Muntjaks eine zweite Tierart betroffen: die aus Amerika stammenden Schwarzkopf-Ruderenten. Bei diesen komme man ohne Hormone aus, man nehme ihnen die Eier weg, sagt Reininger. Und jetzt? Wenn es bei der Verordnung bleibt, dann werden in etwa 15 Jahren die Muntjaks in München Geschichte sein. Die letzten Schwarzkopf-Ruderenten werden bereits in zehn Jahren sterben.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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