Tierpark:Elefant Gajendra kommt wieder nach Hause

Lesezeit: 4 min

Gajendra hat sich im Tierpark Hagenbeck in Hamburg wohl gefühlt und diverse Elefantenkühe geschwängert. Demnächst kehrt er dorthin zurück, wo er aufgewachsen ist: In den Münchner Tierpark Hellabrunn. (Foto: Lutz Schnier)
  • Elefantenbulle Gajendra kommt nach vier Jahren Aufenthalt in Hamburg zurück nach München.
  • Umziehen musste der Bulle wegen der Renovierung des Elefantenhauses in Hellabrunn.

Von Thomas Hahn

Gajendra hat seinen Rüssel über die Mauer gelegt, die sein Gehege von dem der Elefantenkühe trennt. Er schaut zu ihnen hinüber, und die menschliche Fantasie fängt sofort an zu spinnen. Ist das Sehnsucht im Blick des Elefantenbullen? Wünschte er sich hinüber zu den Damen und zu den Jungen, die er mit ihnen gezeugt hat? Gerade jetzt, da seine Tage gezählt sind hier, im Hamburger Tierpark Hagenbeck, und bald der große Laster kommt, um ihn zurück nach Hellabrunn zu bringen?

Was ein Elefant fühlt, kann kein Mensch wissen. Aber es hat seinen Reiz, sich auszumalen, dass er auch so etwas wie Liebe und Abschiedsschmerz kennt. Gajendra hat zuletzt mit den Tierpflegern trainiert, wie er sich im Gehege platzieren muss, wenn der Container für die Überfahrt da ist, den er rückwärts wird betreten müssen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Reise bald losgeht, und wer vier Jahre in Hamburg war wie Gajendra, 23, der stattliche Asiatische Elefant aus Indien, der zieht normalerweise nicht ganz ohne Wehmut weiter.

München ist Gajendras Heimatstadt in Deutschland. 1994 kam er als kleiner Elefant dort an und gedieh prächtig. Aber dann mussten die Münchner ihr Elefantenhaus renovieren. Gajendra brauchte Asyl, fand es zunächst in Leipzig. Von dort aus verschlug es ihn nach Hamburg, nachdem die Verantwortlichen in Hagenbeck gemeldet hatten, sie bräuchten einen Elefantenbullen, um zum Europäischen Erhaltungszuchtprogramm beitragen zu können. Und Gajendra hatte eine produktive Zeit in Hamburg. Mit Yashoda zeugte er Anjuli, die im Sommer 2015 zur Welt kam, und mit Kandy den Bullen Kanja (im Januar 2016 geboren). Salvana ist von Gajendra schwanger, Lai Sinh und Shila sind es wahrscheinlich auch, das wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Außerdem mochten die Hamburger sein ausgeglichenes Temperament. "Gajendra ist ein ziemlich entspannter Elefant", sagt Hagenbecks Tierarzt Michael Flügger, "den hätte ich auch furchtbar gerne noch ein bisschen behalten."

Tierpark
:So sieht das neue Elefantenhaus aus

Helle Räume, ein riesiger Pool und 1000 Quadratmeter Platz in bester Münchner Lage: Da dürfte so mancher Wohnungssuchende neidisch werden auf die Hellabrunner Elefantendamen.

Von Eva Casper

Aber abgemacht ist abgemacht. Flügger beklagt sich nicht, und den Transport sieht er natürlich nicht in erster Linie unter romantischen Aspekten. Flügger muss sicherstellen, dass Gajendra gesund und angstfrei von Nord nach Süd kommt. Und das ist nicht trivial bei einem Tier der Art Elephas maximus, das rund drei Meter hoch und rund fünf Tonnen schwer ist. "Das ist ein bisschen etwas anderes, als wenn sechs Mann die Kiste mit den Antilopen anheben und sie auf den Transporter schieben", sagt Flügger. Wenn ein Elefant von Hamburg nach München reist, braucht man einen guten Plan und schweres Gerät: einen großen Kran mit 47 Tonnen Ballast-Gewicht. Einen Tieflader. Einen beheizten Spezial-Container.

Es kommt in Tierparks immer wieder vor, dass Elefantenbullen verladen werden. Sie werden gebraucht für das Zuchtprogramm; und um die natürliche Sozialstruktur der Elefanten beizubehalten, haben die Zoos meistens nur ein männliches Tier. Elefantenbullen sind von Natur aus Einzelgänger. Sie wachsen in der Herde unter Schwestern und Tanten mit ihrer Mutter auf. Sobald sie halbwüchsig sind, müssen sie raus aus dem Verbund und streifen zunächst mit anderen Jungbullen durch die Wildbahn. "Junggesellen-Clubs" nennt Flügger diese Zusammenschlüsse. Irgendwann sind sie dann alleine, bewegen sich mit Abstand zu den Herden mit den Elefantenkühen und nähern sich diesen erst, wenn eine Kuh paarungsbereit ist. Die Beziehung der Paare dauert dann meistens nur wenige Tage und ist sehr körperlich. Anschließend kehrt die Kuh zur Herde zurück, der Bulle ist wieder alleine.

Das Wichtigste beim Verladen: Bloß keinen Stress

Für Gajendra ist es also normal, seine eigenen Wege zu gehen. Im Tierpark Hagenbeck hat er sein eigenes Areal, und die Pfleger behandeln ihn vorsichtiger als die Kühe nebenan, die sie jeden Tag ungeschützt in deren Gehege betreuen. Nicht normal für Gajendra ist allerdings eine Reise über 600 Kilometer auf der Autobahn. Die Aufgabe für Flügger und die Tierpfleger ist deshalb, den Stress für Gajendra so klein wie möglich zu halten. Kein Fremder soll dabei sein, wenn das Verladen beginnt. Der genaue Termin ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Den Transport übernimmt eine Firma aus Walsrode, die sich auf Schwertier-Transporte spezialisiert hat; eine andere würden die Hagenbeck-Verantwortlichen nicht an Gajendra heranlassen. Und: Sie werden sich Zeit lassen. Hudeln ist verboten, wenn ein Elefant auf Reisen geht.

Die Abreise wird am Nachmittag im Hellen stattfinden, damit Gajendra am nächsten Tag im Hellen ankommt. Der Kran, den der Tierpark von einer Hamburger Kranfirma bezieht, wird den Container ins Gehege stellen. Michael Flügger wird Gajendra ein Beruhigungsmittel geben. "Die Nervosität, die er kriegen könnte, wird vorsorglich ein bisschen runtergemindert", erklärt er. Wie einstudiert wird sich Gajendra mit dem Rücken zur Container-Tür stellen. Die Pfleger werden die Zugseile an seinen Hinterbeinen anbringen und warten, bis Gajendra Schritte nach hinten macht. Bei jedem Schritt werden sie die Seile verkürzen, so dass Gajendra langsam von selbst in seine Reise-Kabine stapft. "Das dauert ein Weilchen", sagt Flügger, "man möchte dem Elefanten ja nicht das Bein ausreißen." Er rechnet mit drei bis vier Stunden.

Wenn Gajendra im Container verschwunden ist, schließen sich die Türen, der Kran hebt den Behälter hoch und setzt ihn mit Elefant neben dem Gehege auf dem Tieflader ab. Die Fahrt kann losgehen. Zwölf Stunden. Mit Pausen, damit Gajendra fressen und saufen kann.

Und dann? Wird Gajendra Hagenbecks Elefantenkühe vermissen? Die Münchner haben sich jedenfalls darum bemüht, dass er sich schnell wieder eingewöhnt in München. Tierpfleger aus Hellabrunn waren regelmäßig in Hamburg, um Gajendra zu versorgen. Außerdem: Vielleicht kennt ein Elefant auch so etwas wie die Spannung auf neue Begegnungen. Und eines ist ganz sicher: Michael Flügger und den anderen Menschen im Hamburger Tierpark wird Gajendra fehlen, wenn er nicht mehr da ist.

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Eröffnung des Elefantenhauses
:Schöner Wohnen im Tierpark Hellabrunn

Hallenbad, prachtvolle Glaskuppel, helle Räume - so luxuriös hausen künftig Münchens Elefanten. Aber auch das Publikum profitiert vom Umbau.

Von Gerhard Matzig

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: