Tierkinder im Zoo:Wie Tigerjungen das Töten lernen

In einem Bildband erzählt Tierpark-Chef Henning Wiesner von den Eigenheiten seiner Zoobewohner und vom Umgang mit dem Nachwuchs.

A. Becker

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In einem Bildband erzählt Tierpark-Chef Henning Wiesner von den Eigenheiten seiner Zoobewohner und vom Umgang mit dem Nachwuchs.

Knut ist an allem schuld. Daran, dass vor knapp einem Jahr der blv-Verlag die Idee hatte, ein Buch über Tierkinder herauszugeben. Eines, das der Münchner Zoodirektor Henning Wiesner schreiben sollte. Doch gerade der Rummel um Knut ließ den Tierparkchef zögern. Es ist nicht so, dass er kein Interesse an dem Thema gehabt hätte, nur hielt er den Hype um das Berliner Eisbärenbaby nicht nur für "übertrieben", sondern auch für gefährlich: "Zoogegner werden dadurch nur zu dem Vorwurf verleitet, dass wir unseren tierischen Nachwuchs kommerzialisieren."

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Und genau das gefällt Wiesner nicht. "Der Besucher kommt doch in erster Linie, wenn er sieht, dass die Tiere gut gehalten werden und sich wohlfühlen." Trotz seiner Bedenken ließ er sich irgendwann doch vom Verlag überzeugen. Das Buch mit seinen vielen hinreißenden Bildern habe ihm die Möglichkeit gegeben, die Vielfalt der tierischen Brutpflege darzustellen, sagt er - nicht nur die des Eisbären. Zwar ist diesem Raubtier auch ein Kapitel gewidmet, in dem - ganz abseits von Knut - zu erfahren ist, dass Eisbärinnen normalerweise sehr zärtliche Mütter sind, die ausgiebig mit ihren Jungen spielen. Sehr beliebt sind demnach das Fangen der mütterlichen Ohren oder auch das Hinabrutschen von Schneewechten.

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Süß, könnte man dazu sagen. Doch Wiesner geht es in seinen Texten um mehr als nur darum, blankes Entzücken bei seinen Lesern hervorzurufen. Vielmehr stellt er dar, dass dieses Spielen und Tollen nicht nur Ausdruck von Lebenslust oder Bewegungsfreude ist, sondern im Verhaltensrepertoire jeder einzelnen Tierart genetisch fixiert ist. Ständiges Training also, um später den harten Überlebenskampf zu überstehen.

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Wiesner erzählt beispielsweise von Tigerjungen, die das Töten ihrer Beute erst von der Mutter mit der Zeit erlernen müssen. Oder von der Jaguar-Mutter, die, wenn sie sich unsicher fühlt, ihren Nachwuchs immer wieder in einem neuen Versteck unterbringt. Dafür trägt sie ihre Jungen mit ihren spitzen Zähnen durch die Gegend. Damit sich die Kleinen dabei nicht verletzen, verfallen sie in eine Tragestarre. Um diesem angeborenen Verhalten im Zoo Rechnung zu tragen, stellen die Tierpfleger mehrere Wurfkisten auf, die dann abwechselnd von der Jaguar-Mutter genutzt werden.

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Überhaupt kann man aus dem Buch viel Wissenswertes aus der Welt der Tiere erfahren. Zum Beispiel, dass indische Panzernashörner, anders als ihre afrikanischen Verwandten, nicht allein ihre Hörner zur Verteidigung einsetzen, sondern über zwei hauerartige, rasiermesserscharfe Schneidezähne verfügen, die sie in die Falte zwischen den Hautschildern ihres Rivalen schlagen und ihm damit klaffende Wunden zufügen. Diese Wunden infizieren sich nicht nur sehr schnell, sondern werden auch von Krähen gerne heimgesucht, die sich im Flug Fleisch aus den Wunde picken. Ein derart verletztes Tier hat also keine Chance, die Attacke des Rivalen zu überleben. Trotz aller vermeintlichen Grausamkeit unter rivalisierenden Artgenossen pflegen Panzernashörner einen äußerst zärtlichen Umgang miteinander - zumindest in der Paarungszeit. Erst jüngst war im Zoo zu beobachten, wie eine brünstige Panzernashornkuh den dortigen Bullen stundenlang umgarnte, bis er sein Interesse an ihr nicht mehr verhehlen konnte. Insgesamt werden in dem Bildband 73 Tierarten vorgestellt - Orang-Utans und Tiger, aber auch weniger populäre Wesen wie die grüne Wasseragame oder die Boa constrictor.

Foto: Angermeyer

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Doch auch jenseits des Buches gibt es Neues aus Hellabrunn: Von Donnerstag, 9. Oktober, an, erzählen die Tierfilmer Felix Heidinger und Jens-Uwe Heins in der zweiten Staffel ihrer Doku-Soap "Nashorn, Zebra & Co" wieder Geschichten aus dem Münchner Zoo, verpackt in 40 neue Folgen. Jede davon dauert 50 Minuten und wird wieder montags bis freitags, 16 Uhr, in der ARD ausgestrahlt. Auch in Sachen Doku-Soap hatte sich Wiesner lange Zeit geziert. Doch dem Duo Heidinger und Heins stimmte er letztendlich zu: Er kennt die beiden seit 16 Jahren von vielen Filmen, die er mit ihnen über seine Artenschutzprojekte gedreht hat. Und auch der blv-Verlag ist ihm wohlbekannt. Schon einmal, 1985, hat der Verlag das Büchlein "Zootiere" herausgegeben - Wiesners erstes populärwissenschaftliches Werk. Mittlerweile ist die Zahl auf vier angewachsen, zwei davon sind im Hanser-Verlag erschienen, darunter auch sein bislang erfolgreichstes Buch "Müssen Tiere Zähne putzen?". Es wurde 2006 mit dem Bologna Ragazzi Award ausgezeichnet - einem der bedeutendsten Jugendbuch-Preise.

"Tierkinder im Zoo" ist von sofort an im Buchhandel erhältlich. Es umfasst 125 Seiten und kostet 29,90 Euro.

Foto: AP (sueddeutsche.de/af)

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