Tiere in München:Tauben, eine moderne Plage

Taubenhaus in München, 2014

Wie viele Tauben es in München gibt, kann nicht genau gesagt werden. Die einen sprechen von 15 000, andere von 40 000.

(Foto: Florian Peljak)

Verzweifelte Städter haben den Tauben den Krieg erklärt. Es geht dabei nicht nur um vollgeschissene Balkone, sondern um die große Frage: Wem gehört die Stadt?

Von Martin Wittmann

Spätestens in diesen warmen Tagen merken viele Städter, dass sie ein gewaltiges Taubenproblem haben. Das Problem geht schon damit los, dass niemand so genau weiß, wie viele Tiere in den Städten leben. In Hamburg könnten es 20 000 sein, in Berlin 10 000. In München sprechen die einen von 15 000, andere von 40 000. Die Zahl ist nicht unwichtig, weil von ihr die entscheidende Rechnung abhängt: Wie viele Tonnen Kot regnen auf die Stadt, wenn jede der Tauben zwölf Kilo im Jahr fallen lässt?

Wer in einer schönen und schön teuren Stadt wohnt, wähnt sich solange im Himmel, bis ihm die Tauben klarmachen, dass das so nicht stimmen kann - der Himmel ist noch eine Etage höher, er ist dort, wo der Dreck herkommt. Was nützt die kostspielige Innenstadtwohnung, wenn die schönsten Quadratmeter draußen unbegehbar sind? Wenn der Balkon mietspiegelverkehrt nur ein Schmutzfänger ist?

Die verzweifelten Städter haben den Tieren den Kleinkrieg erklärt. Und weil sie dabei aus Tierschutzgründen nicht in die Offensive gehen dürfen, rufen sie die Defensive zur Hilfe. Die heißt Rentokil oder Top-Tox oder, weniger martialisch, Biebl und Söhne. Sie machen ein gutes Geschäft mit Abwehr-Netzen und -Drähten.

Tauben - verhasst und geliebt

Das erfährt, wer mit Bernhard Biebl durch München spaziert. Sein Familienunternehmen ist auf Schädlingsbekämpfung spezialisiert, er ist die vierte Generation. Allein mit den Tauben in München macht die Firma einen siebenstelligen Jahresumsatz. Hat er Mitleid mit den Tieren? Er sagt: "Mei, wenn man bedenkt, was die anrichten. Dann dürfte man gar keine Schädlinge mehr bekämpfen."

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, denen machen die Vögel nichts aus, im Gegenteil, sie sehen Leben und Liebe wo andere nur Dreck und Federn sehen. Ehrenamtlich kümmern sie sich etwa um die Taubenschläge der Städte. Sanfte Stimmen sind in diesen dunklen staubigen Hütten zu hören, sie sprechen nicht miteinander, sondern zu den Tieren. Die gurren zurück.

Hier sind die Vögel keine kleinen Scheißer, sondern wunderbare Lebewesen. Die Taube als Symbol für Frieden und Unschuld, für Liebe und Sanftmut - mit den Tierfreunden wird diese Idee erlebbar. Im Taubenschlag herrscht kein Krieg, hier treffen die Tiere auf Menschen, die einen gelben "Taubenbeauftragten"-Ausweis im Geldbeutel haben und die verletzte Vögel mit nach Hause nehmen, um sie zu pflegen. Die nichts verdienen, nicht mal den verdienten Respekt; die unten auf der Straße schon mal angespuckt werden.

Das erfährt, wer mit Monika Sebald durch München spaziert. Sie engagiert sich beim "Bund gegen Missbrauch der Tiere", sie sagt: Der Taubenkot ist weder besonders gesundheits- noch gebäudeschädigend. Die Warnungen nennt sie Panikmache. Sie sagt: Der Mensch ist hier in der Verantwortung.

Eine Geschichte über ein schmutziges Geschäft, über Markt und Moral, Krieg und Frieden, über Patrick Süskind und Zyklon B und um die große Frage: Wem gehört die Stadt?

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