Theologie:Warum der Glaube so vernünftig ist

Im Vortrag an der Uni Regensburg widmet sich Benedikt XVI. wieder seinem Lieblingsthema - und setzt sich für den Dialog der Kulturen ein.

Matthias Drobinski

Die Reise von Benedikt XVI. ist biografisch motiviert, so liegt es nahe, dass er nach München (Bischofszeit) und Altötting/Marktl (Kindheit) in Regensburg die Universität besucht, an der er von 1969 bis 1977 Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte war und auch einige Jahre Vizepräsident der jungen Hochschule, wo er heute noch als Honorarprofessor im Vorlesungsverzeichnis steht.

Und was der Papst den versammelten Ehrengästen aus Forschung und Lehre sagt, dürfte eine der besten und klarsten Zusammenfassungen dessen sein, was der Gelehrte Joseph Ratzinger zum Verhältnis von Glaube und Vernunft gesagt hat - ein Thema, das ihn auch als Professor beschäftigte. Er hat das Thema bereits am Morgen auf dem Islinger Feld angesprochen: Seit der Aufklärung hätten sich Wissenschaftler immer wieder bemüht, Gott für überflüssig zu erklären - "aber es geht nicht ohne Gott". Letztlich komme es darauf an, was man an den Anfang der Welt setze: "die schöpferische Vernunft, oder das Unvernünftige, das vernunftlos sonderbarerweise einen geordneten Kosmos hervorbringt."

Es ist also vernünftig, an einen Schöpfergott zu glauben, der am Anfang der Evolution steht - so kann man den Hinweis des Papstes in der Debatte um die "Intelligent Design"-Theorie sehen: Der Papst folgt nicht den Vertretern der Annahme, dass Gott die Welt Stück um Stück geschaffen hat, gar in sieben Tagen - er wendet sich aber noch schärfer gegen jene, die die Entwicklung des Kosmos und des Lebens als Beweis gegen Gott verwenden wollen.

Von Kaiser Manuel und dem gebildeten Perser

Im Hörsaal greift er das Thema Glaube und Vernunft wieder auf, überraschenderweise mit einem Streitgespräch aus dem 14.Jahrhundert zwischen dem christlichen Kaiser Manuel mit einem gebildeten Perser. Der Kaiser kritisiert die islamische Vorstellung vom "Heiligen Krieg": "Gott hat kein Gefallen am Blut, und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider". Für den muslimischen Diskussionsteilnehmer sei der Wille Gottes dagegen an keine menschliche Kategorie gebunden, auch nicht die Vernunft. Der christliche Glaube aber kann erkannt werden, und die Erkenntnis wiederum hat eine Wurzel im Glauben. Diese Begegnung "hat Europa geschaffen und bleibt die Grundlage dessen, was man mit Recht Europa nennen kann".

Warum der Glaube so vernünftig ist

Und deshalb wendet sich BenediktXVI. auch gegen alle Tendenzen, Glaube und Vernunft getrennt, gar als zwei unvereinbare Welten zu betrachten. Dies sei die "neuzeitliche Selbstbeschränkung der Vernunft" auf das experimentell oder empirisch Nachweisbare, die auch in den Geisteswissenschaften fröhliche Urständ feiere, sogar in einer Theologie, die sich als reine Wissenschaft begreife. Dann aber bleibe "vom Christentum nur ein armseliges Fragmentstück übrig". Und auf der Strecke blieben "die eigentlich menschlichen Fragen, die nach unserem Woher und Wohin, die Fragen der Religion und des Ethos". Sie könnten "nicht im Raum der gemeinsamen, von der Wissenschaft umschriebenen Vernunft Platz finden" und müssten "ins Subjektive verlegt werden." Dann werde "das subjektive Gewissen zur einzigen Instanz", Religion und Ethos "verfallen der Beliebigkeit". Ein gefährlicher Zustand, denn "was an ethischen Versuchen von den Regeln der Evolution oder von Psychologie und Soziologie her bleibt, reicht nicht aus".

Immer noch ein Weltgelehrter

Es ist das Motiv von Joseph Ratzingers Predigt vor der Papstwahl gegen die "Diktatur des Relativismus", das er wieder aufgreift: Wird die Religion ins Subjektive abgeschoben, als eine von vielen, gar beliebig kombinierbaren Sichtweisen, drohen die "Pathologien der Vernunft und der Religion" das Gemeinwesen zu untergraben. Seine "Selbstkritik der modernen Vernunft", schließt Papst Benedikt, bedeute nicht, "man müsse nun wieder hinter die Aufklärung zurückgehen"; auch sei "das Ethos der Wissenschaftlichkeit im Übrigen Wille zum Gehorsam gegenüber der Wahrheit", was wiederum ziemlich christlich sei. Aber nur, wenn "Vernunft und Glaube auf neue Weise zueinander finden", könne sich "der Vernunft ihre ganze Weite wieder öffnen". Und nur so sei ein wirklicher Dialog der Kulturen und Religionen möglich - denn der Ausschluss der Religion aus der Vernunft erscheine den meisten Kulturen der Welt als das größte Hindernis im Dialog mit dem Westen.

Ein dreiviertelstündiger Vortrag, der zeigt: Der Papst ist immer noch ein Weltgelehrter. Ein Text,der tief in die Gedankenwelt Joseph Ratzingers hineinführt, einschließlich der Frage, die seine Thesen offen lassen: Welcher Art ist der Glaube, der da aufs Neue mit der Vernunft zusammenleben soll - ein festgefügter oder einer, der Dialog- und Diskussionsprozesse kennt?

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