Theater:Die Farce des fremden Ichs

"Radikal jung": "Invasion" und "La chemise Lacoste"

Von Egbert Tholl

Es ist ein schönes Wiedersehen. Auf Abul Kasem war man das erste Mal vor Jahren gestoßen in den Münchner Kammerspielen, als Jorinde Dröse sich mit ihm im Rahmen eines Dramatikerwochenendes dort beschäftigte. Das war sehr lustig damals. Jetzt ist es wieder lustig. "Invasion" von Jonas Hassen Khemiri ist einfach ein sehr gutes Stück, respektlos, witzig, durchgeknallt in seiner überdrehten Jugendsprache und vor allem eine böse, schwarze, kleine Farce über Integration, deren Scheitern und die Folgen. Oder so.

Was nun Pinar Karabulut daraus gemacht hat, mit vier äußerst fröhlichen Darstellern, ist sozusagen radikal Köln, Köln Ehrenfeld, superflott und oft wirklich anregend zum herzhaften Lachen. Abul Kasem ist erst einmal abulkasem, ein Fantasiewort, Adjektiv für alles, was berührt, ist auch ein Verb, da weiß man nicht so genau, was seine Erfinder, die lustigen Typen aus dem Stück, damit sagen wollen. Und es ist ein Mensch, ein Terrorist oder Überläufer oder Agent, aus dem Libanon oder Palästina, ein hinfabuliertes Menetekel aller Ängste. Und dies wird mit rasantem Humor hineingeflochten in die Befindlichkeiten unternehmungslustiger junger Menschen. Wunderbar, weil so völlig unbräsig. Ein Abend, den man gern noch eine Zeit hierbehalten möchte.

Danach geht's husch husch weiter bei "Radikal jung", mit "La chemise Lacoste" von der fast schon sagenumwobenen Jungerfolgsautorin Anne Lepper. Interessanterweise kehren bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals bestimmte Themen immer wieder, eigentlich tauchte in allen Stücken außer dem der kriegsgeschädigten Ukrainer eine Frage auf: Wie kann ich dazugehören, "in" sein, drin sein?

Irgendwie fragt man sich, ob diese Frage in der eigenen Jugend, also vor sehr langer Zeit, auch eine so wichtige Rolle gespielt hat, dass man wegen ihr ins Theater gegangen wäre. Erst einmal verneint man das, und dann fallen einem doch so Momente ein . . . Na ja, zu den reichen Arschlöchern, die die Regisseurin Alia Luque mittels Leppers Text auf die Bühne des Düsseldorfer Schauspiels stellte, wollte und will man nicht gehören, trotz deren hübschen Lacoste-Hemden. Aber in der Überzeichnung in Bild und Wort entsteht etwas wohltuend Fieses, eine Art Lebensborn-Zukunftsvision, gesellschaftlich allumfassend und völlig menschenverachtend, vor allem gegenüber jenen, die mitmachen wollen und nicht dürfen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: