Thalkirchen:Auch Vergangenheit braucht Zukunft

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Am Beispiel von drei Wohnhäusern an der Alfred-Schmidt-Straße zeigt sich beispielhaft, dass auch in Randbezirken die Frage, wie man mit Nachkriegsarchitektur umgeht, zunehmend an Bedeutung gewinnt

Von Alfred Dürr, Thalkirchen

Wie "modern" dürfen Häuser aus der Nachkriegszeit werden? Diese Frage ruft vor allem in der Altstadt immer wieder heftige Diskussionen hervor: Was und in welchem Umfang darf an den Immobilien verändert werden, was muss als typisches Zeugnis einer Epoche bewahrt werden? Das Thema berührt zunehmend auch Baumaßnahmen in Stadtvierteln, die etwas weiter von der Innenstadt entfernt sind. Jüngstes Beispiel ist die geplante Aufstockung und Fassadenveränderung von drei nebeneinander liegenden Wohnhäusern an der Alfred-Schmidt-Straße in Thalkirchen. Die Stadtgestaltungskommission hat nun einstimmig ein Konzept abgelehnt, das sich bewusst vom Stil der bestehenden Häuser abheben will.

Das Erscheinungsbild der drei Wohnhäuser an der Alfred-Schmidt-Straße im Abschnitt zwischen der Pognerstraße und der Schäftlarnstraße soll sich grundlegend ändern. Nach den Plänen des Architektenbüros Hoffmann und Amtsberg entsteht ein völlig neuer Block mit einer einheitlichen Fassade und einer Aufstockung, die sich zudem optisch deutlich von den darunter liegenden Geschossen absetzt.

Man gewinne durch die zusätzlichen Stockwerke rund 1000 Quadratmeter mehr an Mietfläche, und Wohnungen würden in München dringend benötigt, sagt Architekt Achim Hoffmann. In den oberen Stockwerken sind "familiengerechte Wohnungen" vorgesehen, darunter liegen die kleineren Wohnungen. Die Baugenehmigungsbehörde hat im Prinzip nichts gegen eine solche Art der Aufstockung einzuwenden. Das neue Haus würde sich mit seiner Höhe an die Nachbarbebauung angleichen. Kritisiert wurde in der Stadtgestaltungskommission allerdings die grundlegende Veränderung des gewohnten Bildes entlang der Straße. Die drei Häuser, die in ihrer Gestalt leicht verschieden sind, wirken sympathisch, sagt Architekt Manfred Kovatsch: "Das soll man weiterführen und nicht etwas anderes drüberstülpen."

Stadtheimatpfleger Gert Goergens sprach von einem "Alltagsbeispiel", das aber etwas Übergreifendes zum Ausdruck bringe. Gebäude aus den Fünfzigerjahren hätten eine ganz besondere "Haltung"; auf diese müsse man bei Veränderungen, zum Beispiel bei der Gestaltung des Daches, Rücksicht nehmen. Die Orientierung am vorhandenen Stil sei wichtig - auch wenn das entsprechende Gebäude nicht unter Denkmal- oder Ensembleschutz steht. Architekt Achim Hoffmann vertrat eine gegensätzliche Perspektive. Die Stadt entwickle sich weiter; ein moderner Ansatz sei an dieser Stelle gut möglich - "und das sollte man dem Gebäude auch ansehen".

Anwohner der Alfred-Schmidt-Straße wandten sich mit ihrem Protest gegen das Umbauprojekt bereits Ende Juni an die Baugenehmigungsbehörde und an den Bezirksausschuss. Sie befürchteten Tendenzen zur Gentrifizierung und eine Beeinträchtigung der Stadtgestalt. Letzteres bezieht sich vor allem auf den gegenüberliegenden Block. Dabei handelt es sich um eine denkmalgeschützte Wohnanlage aus dem Jahr 1927. Es sei damit zu rechnen, dass der Neubau die Umgebung "absolut dominieren" wird.

Die alten Häuser an der Alfred-Schmidt-Straße. (Foto: Gert Goergens)

Solche Aspekte spielten auch für die Mitglieder der Stadtgestaltungskommission eine zentrale Rolle. Die Alfred-Schmidt-Straße verfügt noch über einige nennenswerte Altbauten. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden dort im Zuge der Stadterweiterung Wohnhäuser gebaut; die meisten wurden allerdings im Zweiten Weltkrieg zerstört. Im Wesentlichen stammen die vorhandenen Gebäude aus der Wiederaufbauzeit nach dem Krieg.

Auf diesen Bestand müsse man hinsichtlich der Gestaltung und der verwendeten Materialien besondere Rücksicht nehmen, stellte die Kommission in ihrem einstimmig gefassten Beschluss fest. Deswegen muss jetzt der Bauherr, die Isar 47 Immobilien GmbH aus Feldafing, das Aufstockungskonzept überarbeiten und es dann der Baugenehmigungsbehörde zur erneuten Begutachtung vorlegen.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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